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  1. Gott: „Du schon wieder?“

    Oktober 23, 2017 by Nina

    Wir sitzen in einer Holzbank ganz hinten in der gotischen Kirche. Vorne hängt Jesus am Kreuz und die Wände sind mit Darstellungen des Leidenswegs geschmückt. Die Messe ist in vollem Gange, der Pastor steht am Altar, die Hände gehoben. Diese Situation habe ich schon recht häufig erlebt, doch dieses Mal ist etwas anders. Ich bin in Indien.

    Es würde an dieser Stelle zu weit führen zu erklären, wie es 4 (Daniel, Said, Mira und ich) vollkommen ungläubige deutsche Weltwärtsler an einem Sonntagnachmittag in die Basilica of the Sacred Heart of Jesus in Pondicherry verschlagen hat. Während wir hier sind, komme ich, eine ehemalige Schülerin eines von einem katholischen Orden getragenen Gymnasiums, nicht darum herum die Messen zu vergleichen.

    Natürlich würde ich gerne eine tiefgreifende Analyse der Unterschiede zwischen den Themen und Arten der Predigt durchführen, aber dies wird vom Soundsystem der indischen Kirche wirkungsvoll verhindert. Während der einstündigen Messe verstehe ich einige Schlagwörter: „one god… strength… success … India…China …. Pondicherry … brothers and sisters…“. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sowohl das Glaubensbekenntnis als auch das Vater unser (natürlich in Englisch) gesprochen wird. Bei den Fürbitten bin ich zunächst etwas erstaunt über die gegebene Antwort „Choose us before others“, bis mir auffällt, dass ich mich verhört hatte und sie sehr christlich „Choose us for [your] offers“ baten. Bei der musikalischen Begleitung des Gottesdienstes, war ich ein wenig enttäuscht. Ich hatte in Indien, im Land des Tanzes und der Musik, herausragende musikalische Begleitung erwartet. Jedoch weit gefehlt. Zwar war der Gesang aus den Boxen außer mit Klavier auch mit Schlagzeug begleitet, das Engagement beim Mitsingen ließ sich  aber mit meinen ehemaligen Mitschülern durchaus vergleichen. Soviel zum Inhalt…

    Im Gegensatz zu meinem letzten Gottesdienst bei meiner Abientlassfeier gibt es in dieser Kirche tatsächlich Ventilatoren, um die durch zu viele Besucher hervorgerufene stickige Luft zu vertreiben. Auch die Türen stehen buchstäblich jeder Zeit offen. Die fünf Minuten, die ich bei meinem letzten Gottesdienst zu spät war, waren nichts im Vergleich zu einigen Indern, die vereinzelt mitten im Geschehen kommen und gehen.

    Wir sitzen unter einem schlichten Engel mit weißem Gewand, blauem Umhang und goldenen Flügeln. Ähnliche Engel lächeln gütig beim Altar. Hinter dem Altar hängt nicht schlicht ein Kreuz mit dem leidenden Jesus, sondern es ist eher ein riesiger „Schrein“ mit dem Allerheiligsten (da wo die Hostien drin sind), einem kleineren Kreuz und darüber eine große Jesus-Statue inklusive Heiligenschein, Krone und Dach über dem Kopf. Meine Beschreibung entbehrt leider der ganzen Schnörkel und Lichter, die aus einer deutschen Vorstellung eine indische machen. In der ganzen Kirche gab es allerdings trotz vieler ausladender Kerzenständer und (vollkommen verstaubter) Kronleuchter genau zwei echte Kerzen vorne beim Altar, sodass meine Idee eine Gedenkkerze zu entzünden nur das blieb, eine Idee.

    Als wir schließlich Weihwasser-beträufelt die Basilica of the Sacred Heart of Jesus verlassen, die natürlich nicht den beiden bekannten Pariser Kirchen nach empfunden ist (der einen im Namen und der anderen im Aussehen), dämmert es schon und die über den Kirchplatz verteilten Essensverkäufer haben deutlich mehr Kundschaft, da sich die Gläubigen für die tamilische Messe beginnen zu sammeln. Wir sehen die nun erleuchtete Fassade und das neonrot leuchtende Kreuz an der Spitze, bevor wir uns abwenden und den Marsch zum Bus-Main-Station antreten.


  2. Celebration?!

    Oktober 11, 2017 by Nina

    Lieber Auroblog,

    nach 48 Tagen in Auroville habe ich mich nun auch durchgerungen einen Blogeintrag zu verfassen. Da ich vor der Ausreise mal nach Einträgen zum Thema „Wohnen in Auroville“ gesucht habe und nicht wirklich etwas gefunden habe, ist das Thema dieses Textes die Community Celebration, in der ich seit einer Weile lebe.

    Die erste Woche im Isaiambalam Guesthouse war geprägt von dem Leben in einer 19 köpfigen WG und dem Auroville-Entdeckungsmarathon. Obwohl die Abende mit Gesellschaftsspielen, Massagen, interessanten Gesprächen und Harry-Potter-Wer-bin-ich (nur für Profis) angefüllt waren, vermisste man schon nach kurzer Zeit ein „eigenes“ Bad und Privatsphäre.

    Mit diesen hohen Ansprüchen und dem restlichen Gepäck siedelten wir am Tag vor Arbeitsbeginn um. Mathias, Jola, Iris und ich zogen nach Celebration. Obwohl das Wort Umzug in diesem Fall irrtümlich große Entfernung suggeriert. Wir stapften einmal über die Straße und standen in der uns bis dahin weitgehend unbekannten Volunteer/Newcomer-Community.

    Unsere vier Zimmer umgeben mit vier weiteren Räumen den bepflanzten Innenhof mit Teich, der von einem einsamen Fisch bewohnt wird. Der überdachte Gang an den Zimmertüren vorbei bietet neben einem garantiert trockenen Weg zu Küche und Bad auch die Möglichkeit, Wäsche vor Wind und Regen geschützt aufzuhängen. Von der gemeinschaftlichen Dachterrasse kann bei aufziehendem Gewitter das Wirbeln der Wolken beobachtet werden.

    Die erwünschte Privatsphäre stellte sich aber nicht so richtig ein, da wir uns mit den übrigen Bewohnern der Community drei Duschen, vier Toiletten, eine Küche und eine etwas launische Waschmaschine teilen. Außerdem besteht in dem Zeitraum, in dem Vorhänge in der Wäsche sind, die Möglichkeit einmal durch ein Zimmer hindurch zu blicken. Einige Mitbewohner scheinen mit dem Co
    mmunity-Leben aber größere Probleme zu haben als wir. Auf der Tafel in der Küche liest man auf jeden Fall in einer gewissen Regelmäßigkeit den Hinweis:“Please flush the toilet!“

    Unsere WG nutzt die große Küche täglich für gemeinsame Frühstücke und gelegentliche Abendessen. Mit einer relativ vollständigen Küchenausrüstung, Gasherd mit vier Kochmöglichkeiten, einem Wasserfilter und einem Tisch, der bequem 8 Leuten Platz bietet, bleiben keine Wünsche offen.

    Der Alltag ist in Celebration auch von einigen süßen und weniger niedlichen Bewohnern geprägt. Das Tier, das man am Tag meist als erstes bemerkt, ist der Hahn, der mit seiner einen glücklichen Henne ums Haus zieht und alle Menschen anschreit, dass mal wieder ein neuer Tag begonnen hat. Außerdem leben auf dem Gelände einige Katzen, die gerne in die Küche oder Zimmer reinkommen würden (es natürlich immer wieder schaffen) und einen anklagend anmauen, wenn man ihnen dieses Vergnügen nicht gönnt. Ein Hund, von dem wir uns nicht ganz sicher sind, wohin er eigentlich gehört, schläft unter der Bedachung und verbreitet eine seinem Alter entsprechende ruhige Atmosphäre. Am Abend singen einem Kröten, die im Teich leben, ihr etwas spezielles „Wiegenlied“. Die Erweiterung der Aufzählung um Geckos, Ameisen und Mücken ist in Indien selbsverstaendlich.