Nach neun Monaten in Indien wird mir klar, wie schnell die Zeit vergeht. So viele wunderschöne Momente mit wundervollen Menschen, Begegnungen und viel Platz zum Wachsen. Im Grunde bin ich einfach sehr dankbar und glücklich, hier zu sein. Ich weiß jetzt schon, dass ich einiges vermissen werde, vor allem die Menschen, Freunde, die ich sehr in mein Herz geschlossen habe. Aber generell von den wundervollen Farben Indiens bis zum Essen und möglicherweise im Endeffekt auch die Toiletten, was ich vorher nie gedacht hätte.
Ich denke tatsächlich viel darüber nach, wie es sein wird, zurückzugehen, wie anders, jetzt wo ich mich an diese komplett andere Welt gewöhnt und sie lieben gelernt habe. Ich versuche aber einfach im Moment zu bleiben und die Zeit, die wir dann doch wohl noch haben, z
u genießen und so viele Erfahrungen, Erinnerungen und Wachstum mit nach Hause zu nehmen, wie mir Auroville noch bieten kann. Es geht mir hier wirklich sehr gut, abgesehen von ein wenig krank sein und manchmal sehr anstrengendem Wetter.
Rückblickend auf die letzten drei Monate würde ich sagen, dass ehrlich gesagt Disziplin eine meiner größten Herausforderungen dargestellt hat. Wirklich bei einer Sache zu bleiben und diese durchzuziehen, ist ein Punkt, an dem ich noch lernen darf. Auch in meiner Unit habe ich in letzter Zeit öfter mal gefehlt, auch wenn ich nicht immer wirklich zuhause hätte bleiben müssen. Ich habe mich einfach oft wirklich überwältigt gefühlt, von der Hitze, all den Eindrücken und auch dem Gedanken zurückzugehen, der mich manchmal wirklich gelähmt hat. Ich war tatsächlich krank, versteh mich nicht falsch, nur jetzt reflektierend und rückblickend hätte ich an einigen Enden öfter einfach mal durchziehen sollen und mich nicht so von meinen Emotionen überwältigen lassen. Ehrlich gesagt bin ich auch immer noch dabei, diese Herausforderung zu meistern. Was mir sehr hilft, sind To-Do-Listen, aber auch meine Freunde, die mich sehr unterstützen. Im Endeffekt fällt dann doch alles so zusammen, wie es kommen soll. Das hilft mir auch, einen klaren Kopf zu bewahren und meine Prioritäten zu überdenken.
Fast ein Jahr in Indien. Ich glaube wirklich, ich habe mich über dieses Jahr sehr verändert. Ich bin sensibler geworden für andere Kulturen, habe mich mit Rassismus beschäftigt und wo er dann doch ein wenig in jedem von uns schlummert. Ich habe so viele Dinge über mich selbst und die Welt gelernt, dass ich mich schon gar nicht mehr richtig erinnern kann, wie ich war, bevor ich hier hingekommen bin. Ziemlich verrückter Gedanke, dass ich mich nicht mal mehr genau erinnern kann, wie teuer meine Lieblingspizza zuhause war.
Als ich noch in Deutschland war, haben mir viele Leute von den Erfahrungen berichtet, die sie gemacht haben aber auch, dass Indien einem den Spiegel vorhält. Was ich hier gelernt habe, ist: Wir haben zuhause vielleicht ein Bild von der Welt, wissen über Google, wie die Welt aussieht, zum Beispiel Indien, aber solange man nicht in die Welt zieht, solange man hier nicht hinkommt, kann man nicht verstehen, wie groß die Welt eigentlich ist, wie reich an jedem Extrem und jeder hat dann wieder eine ganz persönliche eigene Geschichte zu erzählen. Aber ja, ich finde auch, so ein wundervoller Ort steckt voller schneller Veränderungen und auch Konfrontationen mit Punkten von einem, die man vorher vielleicht nicht sehen konnte. Also ja, es hält dir einen Spiegel vor, zumindest für mich. Mir ist es jetzt wirklich nur noch wichtiger geworden, mit offenen Armen, Empathie, aber natürlich auch einem Hauch von Vorsicht in die Welt zu ziehen.
Ich bin immer noch sehr zufrieden mit meinem Projekt – Thamarai. Sehr dankbar für all die Möglichkeiten und wundervollen Menschen, die mich immer unterstützen, wo sie nur können. Manchmal fällt es mir jedoch schwer, mich mit hauptsächlich tamilischen Kollegen komplett zu öffnen, da die kulturen Unterschiede, das Leben und der Lifestyle so verschieden sind. Ich glaube, das hält mich dann doch auch etwas zurück, um tiefere Verbindungen aufzubauen.
Ich freue mich sehr auf alles, was noch kommt hier, in Deutschland oder generell – mein Leben.
Viviana Tsotsos
25.06.2024