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  1. Roja, Roja

    8. September 2024 von Rosa Krausmann

    (Anmerkung: Dieser Bericht bezieht sich vor allem auf meine Erfahrungen mit der tamilischen Kultur und nicht explizit auf Auroville)

    Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl, das mich in den ersten Wochen in Südindien verfolgt hat. Das Gefühl, sich einmummeln zu wollen und nicht zu viel vom Tageslicht sehen zu müssen.

    Der chaotische Verkehr, durchzogen mit Kühen, die auf der Straße liegen und genüsslich ihr Abendessen von gestern erneut kauen. Das steinerne, unbeeindruckte Gesicht der Inder aus dem ich nicht fähig war, auch nur eine Emotion zu lesen. Die Augen, die nicht verraten, was sich hinter ihnen verbirgt. Einmal radelte ich an einem Inder vorbei und sah in seine Augen, die so offen und einladend waren, dass ich beinahe vom Rad fiel, ich war es nicht mehr gewöhnt, die Emotionen von Menschen lesen zu können. Bloße Irritation, weil alles so fremd war und der Wunsch nach Hause zu kommen, weil man weiß, wie sich die Welt in Deutschland verhält. Niemand versucht dich zu überfahren, niemand attackiert dich auf der Straße und will dir alles, aber wirklich auch alles aus seinem Laden verkaufen, niemand versucht dich beim Gemüse Kaufen abzuziehen und der Bus hält an einer richtigen Haltestelle und nicht mitten auf der Straße… zu Hause hörte sich irgendwie besser an.

    Im Nachhinein nennt man das wohl Kulturschock und Heimweh.

    Und dann gewöhnte ich mich an alles und verliebte mich in Südindien.

    Jetzt liebe ich es, auf meinem Motorrad durch den Verkehr zu flitzen. Ich habe gelernt, dass man einfach nur zuerst lächeln muss und dann das dickste und sonnigste Grinsen zurückbekommt. Wenn ich morgens im botanischen Garten auftauche, voll behangen mit indischem Schmuck (ich habe ein gewisses Faible dafür entwickelt) und die Glöckchen meiner Anklets mich schon von Weitem ankündigen, kann ich das kichernde Vanakkam Roja (Hallo Rosa) der tamilischen Mitarbeiter aus allen Richtungen herbei wehen hören. In der Küche freuen sich alle, mich jeden Morgen zu sehen und erzählen mir aufgeregt die größten Neuigkeiten der letzten Tage. Wenn ich es dann auch noch schaffe, zwei, drei Tamil Vokabeln in meine Antwort zu bauen, habe ich sie alle um meinen Finger gewickelt. Ich werde durchgefüttert, bekomme Blumen ins Haar und am besten gleich noch verheiratet. Und meine Nachbarin besteht darauf, dass ich sie Mama nenne und ihr einfach nur zu sagen brauche, wenn ich hungrig bin, sie regele das schon.

    Die Tamilen sind herzliche und warme Menschen und ich bin froh, dass ich das in den neun Monaten erfahren und erlernen durfte. Es hat mich zu einem offeneren und neugierigen Menschen gemacht, Zeit in einer anderen Kultur zu verbringen. Ich bin an meinen alltäglichen Situationen gewachsen und mir fällt es nicht mehr schwer, einkaufen zu gehen. Scheinbar hat sich auch meine Präsenz verändert, denn ich werde nicht mehr von allen Seiten angequatscht und wenn doch, macht es mir nicht mehr so viel aus.

    Irgendwann bin ich so sehr in meinen Rhythmus gekommen, dass ich gar nicht mehr von hier weg wollte. Indien ist so aufregend und bunt und jeden Tag darf ich mit so tollen Leuten verbringen und ich lerne noch mehr tolle Leute kennen.

    Jemand hat mal den Vergleich gezogen, dass das Leben in Deutschland und Europa zwar ganz wunderbar aussieht, es aber eigentlich eine Fassade ist, durch die man hindurch boxen kann und sich dahinter nur Leere befindet. In Indien hingegen wird dir schon alles auf der Straße präsentiert- die Farbe der Fassade blättert zwar schon ab, aber die Fassade ist stabil und hält stand.

    Und ich habe sofort verstanden, was damit gemeint ist und es war auch der Grund, warum ich am liebsten in Indien bleiben wollte. Auch jetzt macht mir das nach Hause kommen ein bisschen Angst. Ich habe das Gefühl, ich bin ein standfesterer Mensch geworden und mache mir nicht mehr so viele Gedanken um mein Image und meine Wirkung nach Außen. Allerdings ist das alles noch ein fragiler Zustand und ich mache mir Sorgen, dass ich diese neuen Erkenntnisse wieder verlieren könnte. Nichtsdestotrotz hat nach neun Monaten auch die Vorfreude auf Zuhause eingesetzt- meine Familie und Freunde wiedersehen, in meinem Lieblingskaffee den Tag vertrödeln, im Garten sitzen und einen riesigen Salat zum Mittagessen zu mampfen und wieder in meine geliebte Ballettschule zu gehen.

    Ich werde einiges an Indien vermissen, unter anderem das gute Wetter und die Motorradfahrten, aber ich werde versuchen, so viel wie möglich mit nach Deutschland zu bringen und die Herzlichkeit und das bedingungslose Geben in meinen Alltag zu implementieren.


  2. Der Beginn einer Reise

    27. August 2024 von Leonie Hamprecht

    (15.06.2024)

    Unvergessliche neun Monate in Auroville sind um. Inzwischen hat der Sommer begonnen. Dieses Jahr hat die Hitzezeit besonders früh angefangen, denn so richtig heiß wurde es schon im März. In viele Städten in Indien wurden in 2024 Hitzerekorde gebrochen. In Delhi beispielsweise ist die Temperatur auf 52 Grad hochgeschossen. In Auroville ist es zum Glück nicht ganz so drastisch, was vor allem an den in und um Auroville liegenden Waldgebieten liegt. Trotzdem ermattet mich die Hitze manchmal besonders nachmittags. Glücklicherweise setzen so langsam kühlende Sommerregen ein, die Gras und die Pflanzen herrlich wachsen lassen. Im botanischen Garten gibt es somit trotz Hitze also noch genügend zu tun. Was schön in der Sommerzeit ist, ist dass man an manchen Tagen den Garten nahe zu für sich hat, denn Besucher gibt es in dieser Jahreszeit nur wenige. Vor allem weil die Schulklassen, die sonst durch den Garten geführt werden Sommerferien haben. Ich genieße die Stille sehr. Neben der Gartenarbeit helfe ich manchmal in der Küche mit, was anfangs etwas Eingewöhnungszeit bedurfte, jetzt aber schon relativ routiniert funktioniert. Auch bei der Gartenarbeit hat sich mit der Zeit eine vertraute Routine etabliert, da ich inzwischen in allen Gärten gearbeitet habe und somit weiß was wo getan werden sollte. Ab und zu kommt ein neuer Freiwilliger für einige Zeit dazu, was eine schönen Zusatz bietet. Ich schätze die Abwechselung in meiner Einsatzstelle sehr. Gerade auch mit Rückblick auf den horticulture Kurs, an dem ich in den Wintermonaten teilnehmen durfte und der mich mehr über Wälder und Bäume verstehen lassen hat. Es war ein viermonatiges Programm, dass mir Einblicke in verschiedene Gebiete, wie beispielsweise Geologie, Entomologie, Arboriculture, Ökologie, Botanik oder Wiederafforstungsarbeit gegeben hat.

    Ich bin ziemlich dankbar, dass ich die Chance hatte, mich während dieses Jahres durch das Programm weiterbilden zu dürfen. Es hat meinen Horizont erweitert und mir Denkanstöße für meine Berufswahl gegeben. Im gleichem Maße bin auch dankbar für die praktische Gartenarbeit und dafür von den Ammas in der Küche zu lernen. Wenn ich jetzt zurückdenke, gab es sehr viel Abwechselung in meinen Tätigkeiten in der Einsatzstelle. Auch emotional habe ich viele Wechsel in meinem Auroville Jahr erlebt. Es gab so viele Freude, Ausgelassenheit, Phasen von Inspiration, von Kreativität, von Unsicherheit, von Angst, von Verbundenheit, von Glücklichsein und von Trauer.

    Was ein Erlebnis war, dass mir sehr nahe gegangen ist, war der plötzliche Tod eines Arbeitskollegens, den ich über die Zeit hier sehr ins Herz geschlossen hatte. Sein Tod hat alle, die im Garten arbeiten, sehr berührt. Für mich war es eine der ersten Konfrontationen mit dem Thema Tod in meinem nahem Umkreis. Trotz dessen, dass es sehr traurig und schmerzhaft war, habe ich mich von dem Team des botanischen Gartens aufgefangen und betreut gefühlt.

    Die Beerdigung meines Arbeitskollegens war wohl die schönste Beerdigung auf der ich jemals war. Die Sonne schien und über den mit Blumen verzierten Platz schallte leise Beatles Musik, welche er sehr mochte. Es kamen sehr viele Leute, alle in bunt, einige eingeschlossen mir haben geweint, viele standen einfach Arm im Arm da und haben sich gehalten, Kinder haben am Rand gespielt und in der ganzen Atmosphäre hing Trauer, aber zugleich auch eine Art Feierlichkeit für das Leben.

    Nach seiner Beerdigung pendelte sich langsam alles wieder zurück zu normal, zu Arbeit und Alltag und irgendwie überfiel mich eine Welle aus Krankheit und Uninspiriertheit. Ich glaube ich war dringendst urlaubsreif. Zudem war es eine gute Zeit der Hitze für einige Wochen zu entfliehen und kurzer Hand buchten mein Freund und ich ein Zugticket von Pondicherry nach Delhi, circa 2500 Kilometer innerhalb von zwei Nächten und einem Tag. Im Vorhinein fragten wir Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen und alle möglichen Menschen von denen wir gehört hatten, dass sie aus Nordindien kommen oder schon mal dort gereist sind. Somit stellt sich eine grobe Reiseroute zusammen: Delhi, Manali, Jispa valley in dem Bundesstaat Himacal Pradesh und Leh und Nubra valley in Ladakh und ganz spontan, mitten in unserer Reise haben wir den Entschluss gefasst von Ladakh aus nach Kaschmir zu reisen. Als wir uns so durchfragen bekamen wir unheimlich viele Trips und Angebote, dass wir bei Familienmitgliedern unterkommen könnten. Mitte Mai standen wir dann schlussendlich an den Gleisen ausgerüstet mit unseren Backpacks und einer Menge Abenteuerlust. Ich könnte ganze Seiten voll schreiben mit dem was wir erlebt haben, jedoch besinne ich mich hier auf meine main-takeaways, die ich von unserer Reise erworben habe. Einmal habe ich realisiert, wie banal das auch klingen mag, das unsere Welt voll von hilfsbereiter, freundlicher Menschen ist. Wir sind auf so viel Gastfreundlichkeit gestoßen. Vor allem wurden wir in Dörfern oft eingeladen und so kam es, dass wir lediglich ein einziges Mal in der ganzen Zeit in einem Hostel gelandet sind. Zudem habe ich ein bisschen mehr Vertrauen in den Glauben, dass „alles schon wird“, gewonnen. So häufig sind wir aufgestanden und hatten keine Ahnung, wo wir in der Nacht schlafen, wie wir weiterkommen und was der Tag bringt und dennoch haben wir es immer geschafft. Für mich war diese Reise ein Augenöffner, wie ich zukünftig reisen möchte, dass ich mit Menschen in Verbindung seien möchte, über Kultur und ihr Leben lernen will, dass ich vielleicht einfach mehr fragen und den Moment leben möchte, denn wir haben ja eigentlich nie eine Garantie was als nächstes kommt.


  3. Anfangsstruggle

    27. August 2024 von Leonie Hamprecht

    (20.02.2024)

    Schon wieder sind drei Monate in einem unglaublichen Tempo an mir vorbeigezogen und mein Freiwilligendienst ist bei seiner Halbzeit angekommen. Ein komisches Gefühl, dass es ab jetzt nur noch genauso viel Zeit bleibt, wie bereits vergangen ist. Auch wenn der Abschied noch in weiter Ferne liegt, entsteht ein mulmiges Gefühl in mir, wenn ich daran denke diesen Ort im August zu verlassen. Fast schon widersprüchlich dazu ist, dass mein Prozess in Auroville anzukommen ein Weilchen gedauert hat und absolut kein leichter war. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich mir an so manchen Herbsttag gewünscht habe mich nach Deutschland zurückbeamen zu können und mich gefragt, wieso ich mich zum Teufel für diesen Freiwilligendienst entschieden habe. Jetzt wo ich voll und ganz hier angekommen bin, habe ich das Gefühl mit vollem Herzen hier zu sein und weiß schon jetzt, dass der Abschied kein leichter wird.

    Doch nun erst mal ein kleiner Rückblick bevor ich in die Zukunft schaue.

    Wie schon bereits erwähnt, war die Anfangszeit nicht unbedingt ein Zuckerschlecken für mich. Ein signifikanter Faktor, der mir den Start erschwert hat, war die Sprachbarriere. Ich fühlte mich oft unsicher oder unwohl mich auf Englisch auszudrücken, was ein Hindernis darstellte Freundschaften zu knüpfen. Glücklicherweise hatten und haben wir nach wie vor einen starken Gruppenzusammenhalt in der Weltwärtsgruppe, sodass mein soziales Leben sich nicht völlig dezimierte. Trotzdem nagte das Bedürfnis nach erfüllten zwischenmenschlichen Kontakten einige Zeit an mir. Es kam mir so vor als sei ich in einer Zwickmühle gefangen, denn gleichzeitig fiel es mir schwer aktiver nach Freundschaften zu suchen, weil mich eine Mischung aus Angst und Unsicherheit blockierte offen auf neue Menschen zu zugehen. Zu sehen wie es den meisten anderen scheinbar mühelos gelang sich einzufinden, fügte eine weitere Schicht selbsterzeugten Drucks hinzu. In dieser Zeit kamen einige weitere Dinge dazu, die für mich belastend waren, wie beispielsweise das Ende meiner Beziehung, Tod in der Familie, die bloße Überforderung durch so viel Neues oder Unsicherheit im Umgang mit einer anderen Kultur, beispielsweise wie ich mich (als junge Frau) am besten verhalte, um keine kulturellen Grenzen zu überschreiten. Um mich in dieser Phase selbst zu stabilisieren, hörte ich mich nach psychotherapeutischer Hilfe um. Dabei unterstützten mich die Koordinatoren hier vor Ort, sodass ich wenige Zeit später Angelika (der hier ansässigen Psychotherapeutin) gegenüber saß. Parallel fing ich an verschiedenste Impulse aufzunehmen. Ein Thema was immer mehr mein Interesse gewann, war die gewaltfreie Kommunikation (NVC). So hangelte ich mich von Workshop zu Workshop mit einer Bandbreite von Stress-Reduktionstechniken über Tiefenökologie und von Buch zu Buch, sammelte neue Ansätze begierig und pickte mir das heraus, was für mich am meisten Früchte trug. Langsam merke ich jetzt wie so manche inneren Überzeugungen und Einstellungen sich transformieren oder über Bord geschmissen werden. Wenn man gewillt ist tiefer in das Gebiet der Persönlichkeitsentwicklung einzutauchen, bietet Auroville dafür zahlreiche Chancen und Möglichkeiten. Mit all diesen Stützen und vor allem mit Akzeptanz für das, was ist, konnte ich mehr und mehr den Boden unter den Füßen zurückgewinnen und mich für Veränderung öffnen.

    Wenn mich jemand danach fragen würde inwiefern mich sechs Monate Indien verändert haben, würde ich wahrscheinlich drei Dinge antworten:

    Zum einem habe ich das Gefühl, dass sich mein Verständnis von Lebensrealitäten geweitet hat dadurch, dass ich mit so vielen Menschen aus anderen Ländern, unterschiedlicher Kultur und Sozialisation in Kontakt gekommen bin. Natürlich habe ich bereits in Deutschland gewusst, dass in unserem System Hautfarbe, Geschlecht oder Vermögensklasse leider immer noch irgendwo eine Rolle spielen und dennoch beginne ich hier erst richtig zu begreifen, was es wirklich bedeutet und welches Ausmaß es zum Teil haben kann. Dies ist natürlich nur ein Aspekt von der Unterschiedlichkeit von kulturellen Begebenheiten, jedoch einer der für mich am meisten einschneidend ist.

    Als zweite Veränderung würde ich mein Verhältnis zur Natur benennen. Wenn ich jetzt auf meinen Lebensstil in Deutschland zurückblicke, fühlt sich vieles etwas natur- entfremdet an. Dadurch das ich hier, in Indien, fast ausschließlich Zeit im Freiem verbringe, meine Füße seit der Ankunft kein einziges Mal mehr sauber gewesen sind, und ich mit den Insekten in friedlicher Koexistenz lebe, fühle ich mich deutlich verbundener mit unserer Umwelt. Auch ist mir hier erst richtig die immense „power of nature“ bewusst geworden, der man in Deutschland in unserem „relatively predictable and controlled environment“ nicht immer bewusst ist. Ich kann mich noch sehr gut an die Gewitter kurz nach unserer Ankunft erinnern. Manchmal lag ich nachts in meinem Bett und habe gedacht, dass die Welt um mich herum untergeht. Eine andere Perspektive auf unsere Umwelt gibt mir auch der Horticulture course, an dem ich im Rahmen meines Projekts teilnehmen darf. Dieser Kurs hat mir für viele Dinge die Augen geöffnet, wie wichtig zum Beispiel eine Veränderung in unserem Umgang mit Wasser ist und hat in mir tiefe Faszination für Pflanzen, Mycorrhizal fungi, Ameisen und weiteres geschaffen. Ich bin mir sehr sicher, dass dies mir als Wegweiser für meine berufliche Entscheidungsfindung dienen wird.

    Zusätzlich zu meinem sich wandelten Verständnis von Kultur und Natur bemerke ich auch, dass sich auch meine Beziehung zu mir selbst in den letzten Monaten verändert hat. Ich beobachte mich selbst, wie ich immer mehr zu einer weltoffeneren, selbst-bewussteren, jungen Frau entwickele.

    Nun ein kurzer Blick in die Zukunft. Ich hoffe sehr, dass das nächste halbe Jahr nicht so schnell vorbeigeht, wie das erste. Zudem möchte ich gerne mehr Fokus darauflegen, wie es für mich danach weitergeht, denn momentan sehe ich Unmengen an Möglichkeiten und Ideen, die noch etwas Sortierung bedürfen.


  4. Über die Arbeit im botanischem Garten

    25. August 2024 von Leonie Hamprecht

    (22.11.2023)

    Die Zeit vergeht wie im Flug. Die ersten zwei Monate seit meiner Ankunft im August sind schon vorbei. Vieles ist in dieser Zeit schon passiert. Unter anderem hat natürlich die Arbeit im Projekt begonnen. Ich habe mich für den botanischen Garten beworben, da ich schon in Deutschland meine Vorliebe für Pflanzen entdeckt hatte. Dort pflegte ich einen kleinen Gemüsegarten. Zudem bin ich relativ naturverbunden aufgewachsen, da sich in der Nähe meines Elternhauses Felder und ein Wald erschreckte, den ich schon als Kind häufig durchstreifte. In der Schulzeit wurde mein Interesse an Ökosystemen verstärkt im Rahmen von dem Biologie- und Erdkundeunterricht. Besonders hatten es mir damals schon die tropische Klimazone angetan, die weltweit die größte Artenvielfalt besitzt. So erschien mir das Projekt im botanischen Garten in Auroville, in Südindien, passend um dort meinen Freiwilligendienst zu absolvieren.

    Der botanische Garten wurde im Jahr 2000 gegründet und umfasst eine Fläche von circa 20 Hektar. Der Garten ist in verschiedene Themengärten unterteilt, in denen insgesamt 1.300 verschiedene Pflanzen repräsentiert werden. Jährlich besuchen 50.000 Schüler*innen den botanischen Garten. Für die Schülergruppen werden Touren bereitgestellt, mit dem Ziel die Kinder für ökologische Weiterbildung zu begeistern. Zusätzlich befindet sich auf dem Gelände ein Herbarium und eine Gärtnerei, die hauptsächlich auf die lokalen Pflanzen, die ausschließlich in der TDEF-Zone – tropical-dry-evergreen-forest – wachsen, spezialisiert ist.

    So viel zu den Gärten in der Theorie nun zu meinen Aufgabenbereich und Erfahrungen im botanischen Garten als Volontär. Ich habe im September zusammen mit zwei weiteren Mitfreiwilligen aus Deutschland angefangen hier für ein Jahr meine freiwilligen Arbeit anzutreten. Die Arbeit ist hier in zwei grobe Zeitblöcke unterteilt: einmal in physische Arbeit am Vormittag und hauptsächlich kreative Arbeit Nachmittag.

    Vormittags besteht die Arbeit überwiegend aus Gartenarbeit in den Gärten. Hierfür bekamen wir eine Supervisorin zur Seite gestellt, die uns in die Arbeit einwies und begleitete. Jeden Morgen treffen wir uns am Geräteschuppen, holen unsere Werkzeuge und legen fest wer wo den Tag über arbeitet. Zusätzlich zu den beiden anderen Mitfreiwilligen und der Supervisorin arbeiten noch andere Freiwillige in unserem Team. So sind wir meistens ein Team aus fünf Personen (die Konstellation variiert von Tag zu Tag etwas), das sich um 8:45 an die Arbeit macht. Meistens widmen wir uns an einem Tag einer bestimmter Sektion in den Gärten, dies kann auch manchmal mehrere Tage umfassen, bis der Bereich zufriedenstellend abgehandelt ist. Dies trägt dazu bei, dass man beim Arbeiten die Gärten Stück für Stück besser kennenlernt. Auch schafft es Abwechselung, da die verschiedenen Bereiche verschiedene Aufgaben mit sich bringen. Ein konkrete Aufgabe, welche es oft zu erledigen gilt, ist der Baumrückschnitt. Hierfür erklärte uns unsere Supervisorin, was gewünscht und zu beachten ist, um dem Baum nicht in seinem Wachstum zu beschädigen. Weitere Dinge, die häufig anstehen, sind das Säubern von Wegen und Pflanzen, die von Kletterpflanzen, Parasitenpflanzen oder Unkraut überwachsen sind, Grasschnitt, Reinigung von Teichen, Umpflanzen, Propagation von Pflanzen, Heckenschnitt und Mulchen. Zudem besitzt der Garten einen Kompost, auf dem abgeschnittene Äste oder Laub abtransportiert werden und im Gegenzug kompostierte Erde oder Mulch für die Gärten genutzt werden kann. Zusätzlich lernen wir im Zuge der Gartenarbeit die Namen mancher Pflanzen und ihren Gebrauch. Dies passiert allerdings mehr nebenbei.

    Die Gartenarbeit ist oftmals begleitet von verschiedensten Herausforderungen. Eine davon ist das Klima. Es kann auch schon vormittags sehr heiß werden und in Kombination mit der hohen Luftfeuchtigkeit kann die Arbeit somit pysisch sehr fordernd sein. Besonders in meinen ersten Monaten nach der Ankunft fühlte ich mich oft körperlich ausgezehrt, was jedoch mit zunehmender Gewöhnung an die Wetterbedingungen besser wurde. Wieder wartend ist es ratsam bei diesem Wetter lange, aber luftige Klamotten zu tragen, da diese die Haut schützen und den Moskitos weniger Angriffsfläche bieten. Neben Moskitos begegnen einem noch andere Tiere, die einem das Arbeiten erschweren können beispielsweise die roten Ameisen, die ihre Nester gerne auf Bäumen bauen. Wenn die roten Ameisen Gefahr wittern, schrecken sie nicht davor zurück anzugreifen um ihr Nest zu verteidigen. Ameisenbisse brennen und tun weh, sind aber nicht weiter gefährlich. Viel gefährlich sind Schlangenbisse, die bei drei lokal verbreiteten Schlangenarten sogar tödlich enden kann. Zum Glück ist es eher eine Seltenheit bei der Arbeit in Kontakt mit Schlangen zu kommen, da diese eher scheue Tiere sind, jedoch ist trotzdem Vorsicht geraten.

    Wie bereits oben beschrieben, fängt der Arbeitstag um 8:45 an. Um 10 Uhr findet eine halbstündige Teepause statt, in der sich ein Großteil aller Kollegen zusammensetzt, um eine kurze Pause zu machen. Hier entstehen oft interessante Gespräche, da die Kollegen teils Aurovillianer oder Tamilien sind oder von überall her aus der Welt kommen und man somit viel über andere Länder und Kulturen erfährt. Im Generellen ist das Arbeitsklima im botanischen Garten sehr angenehm und wertschätzend. Die Arbeitskollegen sind äußerst hilfsbereit und aufgeschlossen. Nach der Teepause geht es weiter mit der Arbeit im Garten bis 12:00 Uhr. Die morgendliche Arbeit wird mit dem Säubern und Verstauen der benutzten Geräte abgeschlossen. Danach beginnt eine zweistündige Mittagspause, in der Mittag gegessen wird. Hier im botanischen Garten wird Essen serviert, welches man buchen kann, was äußerst zu empfehlen ist.

    Nach der Mittagspause, die bis 14:00 Uhr geht, startet der zweite Arbeitsblock. Diesen können wir meist freier gestalten, als die Gartenarbeit am Morgen, bei welcher wir klare Aufgaben zugewiesen bekommen. Hier ist die eigene Kreativität gefragt. In den ersten Wochen habe ich probiert Körbe aus Kletterpflanzen herzustellen, woraufhin ich dann gefragt wurde, ob ich Deko für die Eröffnung des Schmetterlingshauses im Garten basteln könnte. Kunstprojekte sind generell gefragt, denn Inschriften oder Zeichnungen auf Steinplatten müssen wegen der Wetterbedingungen immer wieder erneuert werden. Wenn ich gerade keine eigene Idee für ein Projekt hatte, ist es auch immer möglich sich zu erkundigen, welche Art von Unterstützung benötigt wird. So waren eine Mitfreiwillige und ich gewisse Zeit damit beschäftigt einen Pond zu reinigen. Gerade kümmern wir uns darum im Kaktusgarten Kakteenarten zu bestimmen um sie für Besucher ausschildern zu können. Manchmal gehen Projekte hier sehr kleinschrittig voran. Das Kakeenprojekt ist hierfür ein gutes Beispiel. Die erste Zeit waren wir damit beschäftigt die Pflanzen zu bestimmen, dafür haben wir mit verschiedenen Mitarbeitern geredet, haben Recherche im Internet betrieben und Bücher durchblättert, um die jeweilige Pflanze bestimmen zu können. Der nächste Schritt war die Besorgung des Materials. Hierfür ließen wir uns Steinplatten zurecht schneiden, die wir dann mit schwarzer Farbe besprüht haben. Nun geht es an das Beschriften und dann Verteilen im Garten. Bei den Projekten ist es hilfreich sich vorher mit den zuständigen Mitarbeitern abzusprechen, die einen, wenn sie das Projekt befürworten, gegebenenfalls unterstützen können.

    Zusammenfassend bietet die Arbeit im botanischen Garten viele Möglichkeiten sein Wissen zu erweitern und eigene Fähigkeiten in die Arbeit einfließen zu lassen.

    Die Arbeit ist teils körperlich fordernd, teils kreativ, was für mich eine gute Mischung ist.


  5. Rosalie

    24. August 2024 von Moritz Lindner

    Einsatzstelle: Udavi School

    Hallo ich bin Rosalie, 19 Jahre und komme aus Düsseldorf. Ich habe dieses Jahr mein Abitur gemacht und freue mich jetzt auf ein Jahr Südindien. 

    Während meines Auslandsjahrs werde ich mich in der Udavi Gentillesse School engagieren. Die Udavi School hat sich die schulische Förderung einheimischer, sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher zum Ziel gesetzt. Hierzu gehört auch die Schaffung verbesserter Voraussetzungen für eine weiterführende Ausbildung. Ich selber werde als Assistenzlehrerin Teil des Projekts. 

    Ich bin gespannt auf ein Jahr Indien und freue mich auf die nächsten Monate, sowie über LeserInnen meiner Blog-Einträge.