RSS Feed

Februar, 2016

  1. Email aus Auroville oder auch „Ein recht überschwänglicher Bericht“

    Februar 29, 2016 by Kaya

    Hallo ihr, ich hab vor einiger Zeit eine dieser Rundmalis gesendet, mit denen man allen Verwandten und Freunden ab und zu ein kleines Lebenszeichen – und die Versicherung noch nicht von einer Kokosnuss erschlagen worden zu sein – gibt.

    Als ich jetzt nochmal drüber las dachte ich mir – warum nicht auf den Auroblog? Also hier eine kleine Email – Bilder gibts auch am Ende 🙂

     

    Hallo ihr da draussen,

    als erstes mal vielen Dank für all die lieben Rückmeldungen die ihr mir zum Auroville- Advenskalender gegeben habt, schön zu hören, dass euch Auroville, mein Leben hier und ameisensichere Essensschränke so faszinieren 😉 Und natürlich Danke an alle die noch etwas gespendet haben und das hier alles ermöglichen 🙂

    Schon ist wieder soviel passiert dass ich hoffe wenigstens die Highlights noch zusammenzubekommen und vielleicht das ein oder andere schmunzeln auf euer Gesicht zu zaubern.

    Fangen wir mal mit meiner derzeitigen Lage an: Ich sitze draussen, ich habe einen langen Rock und TShirt an, es ist schon dunkel und die Grillen zirpen, um mich herum das Geklapper von Geschirr und Leute die auf allen möglichen Sprachen miteinander reden. Ich sitze auf steinen auf einer riesigen Terrasse über der Solarkitchen die ein Cafe mit dem wunderbaren Namen “La Terrasse” ist. Über mir ist der Ast eines Baumes der Kaya heißt (der Baum, nicht der Ast). Neben mir ein Teller auf dem gerade noch superleckeres Toastbrot mit Brushetta war und ein frischer Lemonensaft. Soviel zum Paradiesischen.

    Emotional bin ich nämlich da angelangt wo wahrscheinlich jeder junge Mensch der hier länger ist irgendwann hinkommt: Im ziemlichem Chaos. Auroville ist ein wunderschöner Ort zum Nachdenken und ich hab gerade dass Gefühl, dass ich das zu sehr tue (oder halt über die falschen Fragen: “Studieren oder Weiterreisen? Kann ich überhaupt wieder in ein Leben wie das in Deutschland, wo alles so geregelt ist? Werde ich irgendwann hier herziehen? Wer bin ich überhaupt?“ – solche Fragen halt.)
    Natürlich weiß ich dass das alles irgendwie Quatsch ist – und keine Sorge am 8. August werde ich auch wieder nach Deutschland zurückkommen – aber solche Fragen stell ich mir halt gerade…

    Trotzdem finde ich einige Sachen die es so in Deutschland gibt mittlerweile sehr merkwürdig und frage mich wie lange ich brauchen werde mich wieder dran zu gewöhnen: da wären Toilettenpapier zu benutzen, Warm zu duschen, feste Schuhe zu tragen, pünktlich zu kommen, mit Messer und Gabel zu essen , in einem geschlossenen Raum zu schlafen, 10 Grad zu haben (brr muss das Kalt sein), nicht dauernd irgendwelche Mitbewohner wie Kühe, Geckos, Streifenhörnchen, Ratten, Singvögel, Fledermäuse, Riesenspinnen, Mungos und Weltwärtsler zu haben, Angemessen (Helm, dicke Kleidung, mit (festen) Schuhen, nicht zu dritt und nicht mit Kleinkind) Motorrad zu fahren , sich nicht die halbe Zeit von Papayas, Annanas, Bananen, Passionfruits und Chicos zu ernähren, und so viel mehr..
    Mein Oha-Moment war allerdings als ich mir letztens Nachts (weils so kalt war) zum ersten mal seit 6 Monaten Socken angezogen hab und sie mir nach zwei Minuten wieder von den Füßen riss da es so ein merkwürdiges, unangenehmes Gefühl war…

    Was ich sonst so in letzter Zeit gemacht habe?
    War mit Ribhu zum Teachers-Training an der Westküste in Mangalore und dann in Mysore. Wir haben einen echten Guru getroffen und haben mehrere Nächte in indischen Nachtzügen verbracht – klasse aber ziemlich anstrengend – die mit gefühlt 35 km/h durch die indische Nacht fahren und bei denen man sich einfach auch mal aus der Tür lehnen kann. Das Teacher-training lief überall gut und wir hatten sogar ein bisschen Zeit Mangalore und Mysore zu erkunden. Dann haben wir auf dem Rückweg noch eine Präsentation vor Bossen von einer riesigen Firma gehalten, bei einer Milliadärin gegessen und sind in den Pongal-Stau hinter Chennai gekommen. Pongal ist neben Diwali der größte Feiertag in dieser Gegend und während man bei Diwali Feuerwerke zündet (Lichtfest) ist Pongal eher so etwas wie in manchen Teilen Deutschlands das Ernte-Dank-Fest. Das schließt wohl mit ein, dass Tempel wochenlang nachts um 4 anfangen mit einer unglaublichen Lautstärke Musik zu spielen – und alle Menschen aufzuwecken. An Pongal selbst werden die Kühe geschmückt, angemalt und vollkommen verängstigt durch die Menschenmassen getrieben, wobei dann schonmal eine Kuh in die Menge der Zuschauer rennt. Als heiliges Tier hat man hier scheinbar echt keinen Spaß.

    Von Indien sagt man ja immer man liebt es oder man hasst es. Mittlerweile muss sagen nach meinen anfänglichen Schwierigkeiten mit vollen Städten und scheinbar lebensgefährlichen Verkehr liebe ich es hier mit nem Motorrad durchs nächtliche Pondy zu fahren, abends in kleinen Spelunken Parotha oder Dosa zu essen oder nach mehreren Bussen endlich auf der Ladefläche eines kleinen Trucks nach Hause zu kommen. Auch das mit der indischen Mentalität habe ich irgendwann kapiert und weiß dass “Naleki, Naleki” (Morgen, Morgen) auch “in vier Wochen – aber das auch erst wenn du mich alle drei Tage erinnerst” heißen kann. Meistens muss man halt irgendwie einen Weg finden, dann ist aber alles auch plötzlich ganz einfach.

    Sonst haben wir noch ne Tour ins 70 km entfernte Gingee (ich mit 4-jährigem Nachbarskind einer Freundin und ihr auf meinem Motorrad hinten drauf) und in die Mangrovenwälder gemacht. Ich hab zum ersten Mal in meinem Leben (mit Maya) eine Klasse neugieriger 5. Klässler unterrichtet – was merkwürdiger Weise total spaß gemacht hat. Wir entwickeln bei Wasteless (Facebookseite) gerade unser neues Memoryspiel um Kindern alles über Plastik beizubringen und Maya und ich schreiben und testen ein Schulprogramm zum Thema Waste. Wenn ich mal wegen irgendwas traurig bin und auf Arbeit Ribhu und Chani davon erzähle dann werden sie mich garantiert den halben Vormittag (erfolgreich) zum lachen bringen… Ich fühle mich gerade also trotz meiner hin und wieder aufkommenden Melancholie recht wohl hier. Leider werde ich die nächsten 20 Tage wegen verschiedener Veranstaltungen warscheinlich arbeiten, aber dafür gibts dann auch mal Buisness-Restaurant Lunch 🙂

    Bleibt noch zu erwähnen dass ich den Ratten, die irgendwann in meine Kapsel gezogen sind, die friedliche Ko-Existenz gekündigt habe, seitdem sie so dreist waren und 75% meiner Unterwäsche und meine Zehen angeknabbert haben. Hab mir von jemanden eine Lebend-Falle geliehen und fange jetzt auf “Daily-Basis” Ratten die ich dann mit meinem Motorrad (sie mögen meinen Fahrstiel so garnicht) ans andere Ende von Auroville bringe.
    Sonst gabs am Wochenende noch ne Party auf der ich mir irgendwie einen Zeh (nicht so schlimm) gebrochen habe. Kleine Anmerkung: Wer denkt in Auroville gibts keinen Alkohol der hat da was falsch verstanden…

    Meine Discipline-Kapsel-WG hab ich auch ganz doll lieb und mit dem Abwasch sind wir (sagen wir mal) auf dem richtigen Weg. Max hat unser Küchendach zum Feuerplatz auserkoren und der wackligen Bambusleiter dort rauf ist auch noch niemand (so wirklich) zum Opfer gefallen. Ich hab mir ein Fahrrad gekauft um neben Yoga und (ab und zu) schwimmen noch irgendwie anderen Sport zu machen (Indische Parotha und Samosa sind nun mal ziemlich fettig)..

    Das Kulturelle Angebot lässt hier auch keine Wünsche offen und mein halbes leben besteht aus Kino, Potluck, Cafe, Dinesh, Tamilischen Songs, Kolams zeichnen, Konzerten, etc.. und vielen ganz tollen Menschen 🙂
    Mittlerweile bin ich nach der Arbeit auch öfter mal im “Garden of Unity”. Das ist der Garten (die Gärten) ums Matrimandir (der goldene Ball) herum. Dort kann man wunderbar über Wiesen spazieren, am Banjam Baum sitzen, Meditieren, dem Rauschen der Brunnen zuhören, kleine Schwarze Vögel und Pfauen beobachten oder einfach Tagebuch schreiben… Leider muss man um einen Pass zu bekommen erst mal einige Tage herumrennen…
    Bleibt noch zu erwähnen, dass es gerade eine Crowdfunding-Kampagne für einen Aurovillefilm von zwei Deutschen gibt: In dem Film geht es um drei junge Menschen die in Auroville aufgewachsen, dann nach Europa gezogen und irgendwann hierher zurückgekommen sind. Einer der drei ist natürlich …. tadam…. Ribhu. Er selbst findet das ganze ein wenig “cheesy” was wahrscheinlich auch stimmt (hier der Trailer ) aber wenn sie ihn mal zu Wort kommen lassen wird das auf jeden Fall ein toller Film. Ich hoffe auf jeden Fall dass das mit dem Crowdfunding irgendwie klappt…

    Anbei noch ein paar Bilder die ich in einen Dropbox Ordner packe… [Am Ende des Auroblog-Artikels]

    So jetzt macht La Terrasse zu und ich sollte lieber mal nach Hause wo heute noch Catha in unsere zuvor Alles-Jungs-ausser-Kaya-Kapsel-WG zieht. Zum Glück hatte Anneke den Januar über auch hier gewohnt 🙂 YAY!!

    Liebe Grüße aus der Ferne. Ich hoffe euch gehts allen soweit gut, und ich versuch euch irgendwie Sonnenschein zu schicken..
    Kaya

    p.s. hab ne neue Email-Adresse, bitte Einspeichern! 😉 – Posteo ist Gut!

    p.p.s Anneke hat mir die Haare geschnitten


  2. Drei mal Auroville und zurück

    Februar 26, 2016 by Ehemaliger WWler

    Mirella lebte als Freiwillige des 4. Weltwärts-Jahrgangs 2011 bis 2012 in Auroville. Heute arbeitet sie im letzten Ausbildungsjahr als Mediengestalterin in Dresden. Gleichzeitig ist sie eine aktive „Rückkehrerin“. Wir haben uns mit ihr zu einem Gespräch verabredet, um Euch einen Einblick in ihre Erfahrungen mit der Arbeit und Auroville (International Deutschland) zu geben.IMG_4006__1456067377_178.12.227.104

    Matthias: Während Deines Freiwilligenjahres hast Du lange in Weltwärts-WGs und tamilischen Familien in den Dörfern (Alankuppam) gelebt. Im Rückblick auf die letzten Jahre wieder in Deutschland: Welchen Einfluss hatte Dein Jahr in Auroville auf Dich?
    Mirella: Es war ein absoluter Schnitt – ich habe das gewohnte Umfeld verlassen und bin in eine komplett neue Kultur eingetaucht. Das hat mich sehr geprägt. Was ich besonders daraus mitgenommen habe, ist die Motivation, eine Sprache zu lernen, egal wie kompliziert sie ist (oder scheint). Und die Erfahrung, wie lange es dauert, bis man in einem anderen Land angekommen ist und sich dort zuhause fühlt.

    Matthias: Im Frühjahr 2015 warst du zwei Wochen lang in Auroville. Wie war das für Dich? Was hat sich verändert?
    Mirella: Es war für mich schon das zweite Mal, dass ich nach Indien zurückgekehrt bin und doch wieder ganz anders. Das erste Mal bin ich wieder ins Dorfleben eingetaucht: Ankunft 5 Uhr morgens in Auroville – 5 Minuten später fand ich mich Knoblauch pulend in der Küche der Frau eines ehemaligen Arbeitskollegen. Als wäre ich nie weg gewesen.
    Das zweite Mal habe ich zusammen mit Kaspar dessen Schwester Clara besucht und wir haben einiges in Auroville erkundet. Das habe ich in meinem Freiwilligenjahr nicht so viel gemacht. Mir war es damals wichtig, die tamilischen Dörfer zu entdecken und die Leute dort kennenzulernen. Deswegen war es bei meinem diesjährigen Besuch in Auroville auch das erste Mal, dass ich im Botanischen Garten war – ein wirklich eindrucksvoller Ort! Auroville verändert sich unglaublich schnell. Man entdeckt jedes Mal wieder neue Wege und Gebäude, die gerade erst aus dem Boden gestampft wurden. Und doch habe ich nach dem zweiten Besuch auch mal wieder Lust auf andere Kontinente und Kulturen…Tag 29-45

    Matthias: Du hast dort Tamil gelernt und kannst es immer noch so gut, dass du die Sprachkurse auf den Vorbereitungsseminaren für die neuen Weltwärtsler gibst. Wie gefällt Dir die Seminararbeit? Mirella: In meinem Freiwilligenjahr ist mir erst so richtig bewusst geworden, wie wichtig es ist, die Sprache der Einheimischen zu verstehen bzw. zu sprechen. Es ist wie ein Schlüssel zur Kultur. Deswegen kann ich es auch nur jedem empfehlen, sich nicht von dem komplizierten Klang abschrecken zu lassen. Es ist zwar eine sehr fremde Sprache, die für viele kaum erlernbar klingt – aber eigentlich gar nicht ist. Und genau das möchte ich allen zukünftigen Freiwilligen mit auf den Weg geben und versuche, ihnen die Sprache ein bisschen näherzubringen. Es macht immer viel Spaß bei den Seminaren und meistens werde ich noch von anderen Ehemaligen unterstützt, die ebenfalls ihre Tamil-Kenntnisse an die nächsten Freiwilligen weitergeben. Dadurch gestaltet sich die Tamil-Einheit als ein sehr lebendiger Austausch und vielseitiger Einblick in die tamilische Sprache.

    Matthias: Seit diesem Jahr gestaltest Du das Layout für den Rundbrief. Was magst Du uns darüber erzählen? Mirella: Es macht mir Spaß, einem Medium ein neues Gesicht zu geben und die Chance hatte ich beim Rundbrief. Es war klasse, dass der Übergang so gut geklappt hat und von Seiten des Vereins so viel Offenheit für eine neue Gestaltung da war. Die Arbeit mit dem Rundbrief gibt mir außerdem die Möglichkeit, mich gestalterisch auszuprobieren und kreativ auszuleben.

    AVIcover__1456069404_178.12.227.104

    Matthias: Du hast die letzten beiden Freiwilligen-Treffen in Wickenrode bei Kassel mit organisiert. Wie kam es dazu?
    Mirella: Die Idee des Treffens entstand aus dem Wunsch heraus, sich mit den anderen Weltwärts-Generationen zu vernetzen, weil man sich im regulären Weltwärts-Programm kaum kennenlernt. Das Besondere am Freiwilligen-Treffen ist, dass die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen und trotzdem sind alle irgendwie auf einer Wellenlänge. Man einigt sich schnell bei grundlegenden Entscheidungen (Essenswahl, etc) und es entsteht so ein Raum für Austausch und gemeinsame Aktivitäten. Was uns verbindet? Wir sind alle junge Menschen, die sich ein Jahr auf eine andere Kultur eingelassen haben und ähnliche Werte und Ansichten teilen.
    Matthias: Vielen Dank für dieses Interview!

    Wer Mirellas wunderschöne Designs der Rundbriefe bewundern möchte, kann das hier tun!


  3. Ich will Newcomerin werden!

    Februar 21, 2016 by Ehemaliger WWler

    Luise (Weltwärts 2013/2014) hat im Projekt Aikiyam gearbeitet, der Schule in New Creation. Vorher hat sie ihren Bachelor in Soziologie abgeschlossen. Die Zeit in Auroville und in ihrem Projekt hat ihr so gut gefallen, dass sie ihren Dienst um ein viertel Jahr verlängert hat. Nach ihrer Rückkehr sei sie aber nicht wirklich wieder in Deutschland angekommen, wollte gleich wieder los. Erst mal ging es für drei Monate als Au-pair nach England. Dann zurück nach Auroville. Als sie noch auf den Brief vom Auroville-Secretary für das Visum wartete, um in ihr Newcomer Jahr starten zu können, trafen wir Luise im Januar in Berlin.

    Meal essen...

    Matthias: Luise, wie kam es zu Deiner Entscheidung, Auroville-Newcomerin zu werden? Luise: Nach der Au-pair-Zeit war mir klar: Ich muss wieder zurück [nach Auroville]. Es ist wie Heimat da. Es war so, als ob ich „home sick“ gewesen wäre, nur dass ich nicht zurück nach Berlin wollte, sondern nach Auroville. Als ich das erste Mal in Auroville angekommen bin, war es, als wenn mir jemand so ein Lachen ins Gesicht getackert hätte. Ich hab mich extrem frei gefühlt. Das ist auch immer noch so, wenn ich in Auroville bin. Es gibt überhaupt keine Alternative, keinen anderen vorstellbaren Weg für mich. Vielleicht geht das nach zwei Jahren wieder weg, aber im Moment ist es halt einfach so. Ich bin seit 4 Wochen wieder hier in Deutschland und mein Herz blutet, ich will wieder zurück nach Auroville.

    Matthias: Du hast nach der Au-pair-Zeit letztes Jahr noch einmal 6 Monate auf eigene Faust in Auroville verbracht und bist erst vor 4 Wochen zurück nach Berlin gekommen?
    Luise: Genau, ich bin Anfang Juni wieder mit einem Visum für 6 Monate zurückgeflogen und habe Volontär-Arbeit gemacht. Ich wollte einfach schauen, was sich so entwickelt. Wenn ich in Auroville sein sollte, dann würde sich etwas ergeben und wenn nicht, dann nicht. Nach drei Monaten habe ich Stephan, den Leiter von Gecko, kennengelernt, der jetzt auroville.com übernommen hat. Ich habe angefangen für ihn Kundendaten zu analysieren, denn das habe ich in meinem Soziologiestudium gelernt. Davon war er so begeistert, dass er gesagt hat: „Du machst jetzt Marketing für uns!“ Dann habe ich begonnen mich mit Marketing zu beschäftigen und es hat alles total viel Spaß gemacht. Das war das Zeichen für mich, dass ich wohl wirklich da sein soll. Dass es also nicht nur von mir ausgeht, sondern auch von dem Höheren.

    am Taj Mahal__1456059202_178.12.227.104Matthias: Wie geht es Dir mit Deiner Arbeit in Auroville?
    Luise: Ich mache jetzt Marketing. Das wäre für mich hier in der westlichen Welt nicht vorstellbar. Die Arbeit bei auroville.com ist aber notwendig, damit diese Online-Plattform weiterexistiert. Wenn ich meine Arbeit gut mache, können wir kleinere Units unterstützen. Viele Units stellen dort im Onlineshop ihre Produkte ein und damit unterstütze ich eine Einnahmequelle Aurovilles. Sowohl die Units, die über die Webseite ihre Produkte vertreiben, als auch der Webshop selbst geben ein Drittel ihres Gewinns an Auroville ab. Besonders kleinere Units, die nicht nur Produkte herstellen, sondern auch soziale Aspekte haben, wie Upasana oder Wellpaper, die unterstützenswert sind, sich aber keinen eigenen Webshop leisten können, werden von uns ebenfalls vermarktet. Das ist das große Ziel. Es geht nicht darum, Geld zu generieren, aber wenn man eine Stadt bauen will, dann muss es eben auch irgendwo herkommen.

    Es ist eine sehr abwechslungsreiche Arbeit, bei der ich viel lerne. Das spricht für Auroville. Ich würde in Europa oder Deutschland niemals mit einem Soziologiestudium Marketing machen. Es ist so schön, dass man die Möglichkeit bekommt, Neues herauszufinden, daran zu wachsen, auch gemeinsam. Du musst dir vorstellen, dass ich einfachste Einstiegsliteratur zu dem Thema gelesen habe und dann haben wir geschaut, wie wir das auf unseren Onlinestore anwenden können. Mit Stephan haben wir Charts entworfen, überlegt, was wir alles machen könnten. Wir hatten natürlich nicht viel Geld zur Verfügung, aber wir wurden schnell sehr kreativ. Also haben wir einfach Sachen ausprobiert und geschaut, ob z.B. Änderungen auf der Website Einfluss auf das Kaufverhalten haben. Stephan hat immer gesagt: Du machst das schon.

    Ich habe u.a. Mandalas kopiert und ausdrucken lassen, die jetzt als Werbung für den Onlinestore überall in Auroville hängen. Wir haben Dankespostkarten in die ganze Welt geschickt. Ich habe auch die sozialen Plattformen aufgebaut. Es gibt eine große Facebook-Seite, Instagram und Twitter, etc., für die ich zuständig bin und ich fange jetzt auch an, das für Auroville selbst zu benutzen. Ich gebe also auch Informationen darüber, was in Auroville passiert. Und wir haben jetzt nicht nur dieses oder jenes Produkt, sondern auch Informationen über kulturelle Veranstaltungen. Ich organisiere auch eine Sample-Aktion, bei der wir vor Weihnachten Spirulina- und Maroma-Probepackungen verschickt haben. Solchen Sachen haben einen hohen Spaßfaktor. Der Gedanke, so etwas für Auroville aufzubauen, ist sehr schön. Natürlich ist es auch so, dass fünfzig Prozent der Kunden Auroville kennen. Und wir bekommen auch Anfragen, wann denn das Matrimandir geöffnet ist. All das habe ich in den letzten 4 Monate in Auroville gemacht und wieder hier in Berlin kann ich weiter mitarbeiten.

    mit Mala (Lehrerin aus Aikiyam)__1456058802_146.52.172.136Matthias: Mit wem arbeitest Du im Team? Luise: Neben Stephan arbeite ich mit Vera zusammen, einer Russin, die mit 18 Jahren nach Auroville gekommen ist. Sie hat bei Auromix gearbeitet und macht jetzt die Kundenbetreuung, beantwortet u.a. Emails. Im Februar kommt Lisa zu uns. Lisa ist in Auroville aufgewachsen und hat in den Niederlanden studiert. Das war ganz lustig, denn als sie in Auroville zu Besuch war, habe ich mit ihr einen Video-Clip gedreht, für auroville.com. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Ich freue mich auf die kreative Arbeit mit ihr. Es ist interessant, mit Leuten mit so verschiedenen internationalen Bezügen, mit mannigfaltigen Interessen und so unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten.

    Matthias: Wie war es im Vergleich zu Deiner Arbeit jetzt bei auroville.com an der Aikiyam-School zu arbeiten?
    Luise: Das hat mir auch Spaß gemacht, sonst hätte ich auch nicht verlängert. Aber die Arbeit bei auroville.com fordert mich stärker, ich habe mehr Eigenverantwortung und kann mich eher experimentell ausleben. Das war an der Schule natürlich nicht so. Das wäre da aber auch zu früh gewesen. Die Arbeit an der Schule war sehr schön und eine wertvolle Erfahrung für mich. Auch Auroville im Zusammenhang mit den indischen Dörfern in der Umgebung zu sehen, zu wissen wie es da so läuft und der indischen Kultur näher zu sein.

    Luise-mit-Schuelerin-in-DelhiMatthias: Wie sieht so ein typischer Tag für Dich aus und was machst Du in deiner Freizeit in Auroville? Luise: Ich habe im letzten halben Jahr immer in der Solarkitchen gegessen, mit meinem Freund, alleine oder mit einer Gruppe von Freunden. Danach gehe ich gerne noch auf La Terrace einen Kaffee trinken, wo dann eine andere Freundesgruppe auf mich wartet. Ich mache viel Akro-Yoga. Außerdem habe ich mit Ballett angefangen, was ich 12 Jahre in Deutschland gemacht hatte, und gehe auch gerne schwimmen. Ich fahre ein flottes TVS, aber das Knatterding muss ich jetzt verkaufen und mir was Schnelleres zulegen. Ich wohne in Edyanchavadi in der Red Earth Riding School, Housesitting mit Hund inklusive.

    Matthias: Welche Bedeutung haben die Charta, die Ideale Aurovilles und der Integrale Yoga für Dich? Luise: Ich habe auf jeden Fall Bezug zu etwas Höheren. Ich bin, was Spiritualität betrifft, total am Anfang. Ich bin ja auch noch jung. Während meines ww-Jahres dachte ich nach 25 Seiten Satprem erst mal: Wow, das ist ja funky! Ich hab dann irgendwie während des Jahres für mich meine eigene Arbeit gemacht, z.B. aufgeschrieben, welche Verhaltens- oder Gedankenstränge ich in der Meditation beobachtet habe. Dann hab ich versucht, mein Verhalten zu beobachten, was ich mache. Für mich bedeutet das jetzt einfach eine Arbeit an mir selber, in mir selber, Reflexion darüber, dass die Vergangenheit nicht bedeutet, dass so auch die Zukunft sein muss.

    Ich bin gerade erst damit beschäftigt, innerlich an mir zu arbeiten und mich zu befreien und wenn ich diesen Schritt getan habe, dann kann ich nach außen schauen. Sri Aurobindo spricht ja auch über die Selbstreflexion, dass man sich von der großen Gruppe separieren muss, dass man sich seiner eigenen Gefühle und Gedanken bewusst werden muss. Reflexion darüber, auch in Bezug auf den Umgang mit anderen und mir selber, Entscheidungen, Verhalten, etc. Und das versuche ich ebenso im Kleinsten. Ich mach das nicht, weil Sri Aurobindo das geschrieben hat, sondern weil das für mich wichtig ist an diesem Ort. In Auroville werde ich bei dieser Reise unterstützt. Ich tausche mich dazu mit meinem Freund und mit anderen Aurovilianern aus, z.B. einer sehr guten Freundin, mit der ich mich einmal pro Woche treffe.

    Matthias: Und wo stehst Du jetzt im Newcomer-Prozess? Luise: Zuerst hat man ein Interview, dann reicht man Empfehlungsbriefe von anderen Aurovilianern ein, dann bekommt man das Empfehlungsschreiben des Sekretärs, mit dem man das Visum beantragen kann. Auf den Brief warte ich jetzt. Wenn ich in Auroville bin, muss ich mich bei der indischen Regierung registrieren. Dann kommt ein zweites Interview, nachdem man in den News&Notes als Newcomer bekanntgegeben wird, worauf sich andere Aurovilianer innerhalb von zwei Wochen melden sollen, ob etwas gegen eine Aufnahme in die Gemeinschaft spricht. Wenn nichts dagegen spricht, wird der Beginn des Newcomer-Prozesses noch mal bekanntgegeben.

    Sari

    Matthias: Wie war das Interview mit dem Entry-Service? Luise: Das war schön. Sie haben sich sehr gefreut, dass jemand Junges kommt. Die sind sehr nett da, wollten wissen, wer ich bin, etwas über meine Beziehung zu Auroville. Ich wurde gefragt, ob ich weiß was der Ashram ist, ob ich schon mal von Satprem gehört habe und so. Sie waren zufrieden. Es war spannend, als es um die Finanzierung ging. Da haben sie gefragt, wie es denn in meinem Alter mit der Finanzierung ist, weil manche dann ja schon gearbeitet und etwas Erspartes haben. Ich habe ihnen gesagt, dass ich in einer Unit arbeite, in der ich Maintenance bekomme, und da haben sie sich sehr für mich gefreut.

    Matthias: Wie geht’s Dir, darüber zu sprechen?
    Luise: Jeder hat seine eigene Geschichte und jeder hat auch seinen eigenen Bezug zu Auroville. Ich habe gerade alle Weltwärtsler getroffen, die studieren ja jetzt größtenteils, weil sie das Freiwilligenjahr gleich nach dem Abi gemacht haben. Es ist schön zu sehen, wie sie sich entwickeln und wie unsere Erfahrung uns zusammenhält. Aber alle sagen immer: „Uh, du bist die erste Weltwärtslerin, die nach Auroville geht!“, aber ich kann mir das auch nicht so richtig erklären. In jeder Weltwärtsgruppe müsste es eigentlich eine Person geben, die den Gedanken hat, diesen Schritt zu gehen.

    Inzwischen ist Luise wieder in Auroville und hat ihr Newcomer-Jahr begonnen. Das Interview führte Matthias, ehemaliger Auroville-WWler 2008/2009. Es erschien in der Herbst-Ausgabe des AVI Deutschland Rundbriefs, die ihr hier finden könnt. Wenn Ihr Luises und Aurovilles Arbeit unterstützen wollte, schaut doch mal wieder im Auroville Online-Shop vorbei, subscribed die Twitter und Instagram-Accounts oder liked den Shop auf Facebook! 😉 Außerdem könnt Ihr den von Luise gedrehten Spot für den Online-Shop auf youtube bewundern.

     


  4. Von einer die auszog, die Einsamkeit zu lernen

    Februar 3, 2016 by Laura

    Wer wandernd nicht Gefährten trifft,
    die besser, oder doch ihm gleich,
    zieh einsam fest die Straße fort –
    Gemeinschaft gibt’s mit Toren nicht.

    Buddha

    Auf dieses Zitat bin ich gerade gestoßen und fand es sehr passend, auch wenn es bei meinem minimalistischen Aesthethikempfinden einen Unwillen – vergleichbar mit dem mit welchem meine Chefin über bunte Rangolis spricht oder unsere Ama die Töpfe beim Saubermachen stehen lässt – auslöst.

    Und doch ist es sehr zutreffend für mich. Ich ging nach Auroville mit vielen Vorstellungen, wie ich an mir arbeiten könnte und was sich verändern würde. Doch eine meiner Idealvorstellungen war, und das ist es immer noch zum Teil, die Einsamkeit zu lernen und sie umarmen zu können wie einen alten Freund. Damit ich selbstzufrieden, ohne mich auf andere verlassen zu müssen oder mich selbst einzuschränken, durch’s Leben gehen kann. Ein nach wie vor guter Vorsatz, wie ich finde. Dabei habe ich jedoch nicht die Kraft der Gemeinschaft hier einberechnet. Dass auch dabei andere Menschen eine Rolle spielen, und ja, auch benötigt werden. In den letzten paar Wochen vorallem habe ich immer stärkere Gemeinschaftsgefühle entdeckt und eine Liebe, die tiefer geht als alles, was ich bis jetzt gespürt habe – für die Umgebung hier, für die Menschen, die ich immer näher kennenlernen darf, aber auch für Fremde, die hierherkamen, und für die Mirriade an möglichen Zukunftssträngen, die vor mir liegen so wie der blinkende Sternenhimmel über unserer Dachterasse, der mir heimlich zuzuzwinkern scheint.

    Ich habe oft das Gefühl, dass es gleich meine Brust sprengt vor Dankbarkeit und Freude und… ja auch ein bisschen Demut, das hier erleben zu können. Und anscheinend hatte Buddha Recht, ich musste so weit reisen und mich in neuen Umlaufbahnen bewegen – physisch und geistig – um etwas zu finden, was so unglaublich nah ist und alles überspannt wenn ich es nur zulasse. Das möchte ich mir wirklich bewahren, die Tore noch weiter aufstoßen. Und wenn das nicht geht, dann komme ich halt zum Fenster rein.