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  1. Mirror, Mirror on the wall…

    März 6, 2023 by Rick-Marcel Dohlich

    Vorwort:
    Liebe offizielle Stellen, da ich ein eher kreativer Mensch bin, und in meiner vorherigen Arbeit viele langweilige 0815-Berichte gelesen und geschrieben habe, folgt nun ein Bericht der etwas anderen Art. Dennoch werden in dem Bericht die Reflexionsfragen, die wir als Inspiration an die Hand gelegt bekommen haben, beantwortet.  
    Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.

    Spieglein, Spieglein an der Wand….

    …sag mir, wie geht es mir, nach 6 Monaten Auroville?

    „Warum fragst du mich das? Ich bin nur ein Spiegel. Du musst doch am besten wissen, wie du dich fühlst!“    

    „Na! Weil du ein Spiegel bist. Du kannst doch jedes Objekt und jede Person reflektieren, das/die vor dir steht. Komm schon! Sag mir wie ich mich fühle.“     

    „Nun gut ich will den Versuch wagen und dir erzählen, wie du dich fühlst. Lass mal sehen. Am Anfang war alles neu für dich und du musstest dich erstmal einleben. Doch auch nachdem du Auroville und alles drumherum kennengelernt hast, war ein Gefühl in dir präsent. Du hast dich hier fremd gefühlt. Irgendwie fühltest du dich nicht zuhause. Und schließlich kam eine Zeit, ungefähr nach 4 Monaten, in der sich all deine negativen Emotionen zu einer dunklen Wolke über dir verhärtet haben. In der Zeit stank dir ganz Auroville zum Himmel und du wolltest einfach nur weg. Alles machte dich missmutig und manchmal warst du depressiv. Daher hast du Urlaub genommen. Der Urlaub hat dir gutgetan. Einen ganzen Monat Abstand von Auroville! Es war ein Traum für dich. Und als du wieder zurückgekehrt bist, haben sich deine Gefühle in Bezug auf Auroville komplett verändert. Schließlich hast du dich in Auroville endlich angekommen gefühlt. Jetzt fühlst sich Auroville für dich wie eine Heimat an. Dir ist zwar klar, dass du hier nicht leben möchtest, aber das ist damit auch gar nicht gemeint. Du fühlst dich nun gut hier. Du kennst den Ort hier. Auf Menschen, besonders auf die in der MDJ-Community, kannst du jetzt mit mehr Leichtigkeit zugehen. Du magst dein Zimmer und bist glücklich darüber, dass du in MDJ für sechs weitere Monate bleiben kannst.
    Dennoch macht sich Traurigkeit in dir breit. Es sind nur noch fünf Monate. Dann geht es zurück in dein Heimatland. Der Gedanke an die wenige Zeit, die dir hier noch bleibt, macht dich wehmütig. Es fühlt sich so an, als müsstest du noch so viel hier machen. Als würdest du unendlich viel verpassen, wenn du gehst. Es gibt hier noch so viel zu erleben und zu erfahren. Und du fühlst, als hättest du bis jetzt noch Garnichts gemacht. Die Zeit ist verflogen. Viel zu viel Zeit ist für die Arbeit draufgegangen. Einen Großteil deiner Interessen konntest du nicht befriedigen. Und dann ist da noch die indische Frau, in die du verliebt bist. Du hast Ideen, wie es mit euch weitergeht, aber dennoch ist alles so ungewiss und unsicher. Du weißt nicht was passieren wird, aber du hast einen Plan und du versuchst deine ganze Energie in diesen Plan zu legen. Es gibt dir Kraft und doch fühlst du dich manchmal kraftlos, unsicher und planlos. Du wandelst zwischen zwei Welten. Zwischen zwei Gefühlszuständen. Du bist glücklich und traurig. Du bist Feuer und Wasser. Du möchtest allein sein und doch in Zweisamkeit verweilen. Du bist hier und dann doch dort. Du bist ein Chaos und doch eine Ordnung. Das ist, was in dir vorgeht. Und zum ersten Mal in deinem Leben bist du dir all dieser Zustände, all dieser Emotionen, all dieser Gedanken bewusst.      
    Lass mich dir einen Rat geben:   
    Finde deine Mitte, dein Zentrum, deine Harmonie, dein Gleichgewicht! Das ist das, worauf du deinen Fokus legen solltest. Dann wird alles zu dir kommen. Sorgen gehören zum Leben dazu wie auch glücklich zu sein. Neben Angst ist auch Selbstbewusstsein da. Arbeit braucht Relaxation. Das eine kann ohne das andere nicht bestehen. Merke dir das. Lass die Gefühle zu und sei präsent mit ihnen. Es ist gut, dass du fühlst. Es ist gut, dass du bist. Also genieße alles, was du hier noch erlebst, erfährst und fühlst. Sei es noch so klein und unbedeutend. Es ist deine Welt und sie passiert mit dir, nicht gegen dich. Also akzeptiere sie, so wie sie ist.“

    „Okay, danke lieber Spiegel für die Einsicht in meine Gefühlszustände und danke für deinen Ratschlag. Ich werde ihn beherzigen. Wenn du so weise bist, kannst du mir sicherlich noch eine weitere Frage beantworten.

    …sag mir, was war für mich die größte Herausforderung, hier in Auroville?“

    „Leben ist eine Herausforderung. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute siehst du dich konfrontiert mit Dingen. Es gibt normale Alltagsaufgaben, wie zum Beispiel Wäsche waschen, kochen, spülen, Einkaufen, die du erledigen musst, andernfalls ist es schwierig zu überleben.    
    Darüber hinaus musst du Entscheidungen treffen und dabei immer im Hinterkopf haben, was du brauchst und wie du dich fühlst. Sich deiner Bedürfnisse und Gefühle bewusst zu sein. Dich selbst zu reflektieren und gesunde Schlüsse rauszuziehen, ist herausfordernd.  
    Doch auch wenn du Entscheidungen triffst, die mit dir in Harmonie stehen, gibt es auch immer noch Menschen um dich herum. Jede / Jeder hat Bedürfnisse und Gefühle. Manchmal stehen diese im Konflikt mit deinen eigenen. Die der anderen in Einklang mit deinen eigenen zu bringen, ist herausfordernd, ja manchmal sogar unmöglich.

    Hier in Auroville war die größte Herausforderung, für dich lieber Rick, in einer Beziehung zu leben. Du bist eigentlich ein sehr in sich selbst gekehrter Mensch. Du liebst es allein zu sein, für dich zu sein. In deiner Vergangenheit warst du immer allein. Du hast sogar eine Angst vor sozialen Kontakten und vor Nähe entwickelt. Paradoxerweise warst du auch einsam und du hast dich eigentlich nach jemanden gesehnt, der dich versteht, dich fühlt, dich hält, dich liebt für den der du bist. Nie zuvor warst du in einer Beziehung nun steckst du mittendrin. Es macht dich glücklich. Doch am Anfang war es schwierig. Die eigenen Bedürfnisse mit den von einer anderen Person in Einklang zu bringen war nicht leicht. Oft gab es Konflikte. Über Kleinigkeiten sowie über große Themen. In der Diskussion habt ihr euch aber nicht selbst verloren. Nein, immer wieder saßt du mit ihr zusammen und habt über euch gesprochen. Und darüber welche Bedürfnisse ihr eigentlich braucht. Nach dem Gespräch ist dir viel zu oft, lieber Rick, ein Licht aufgegangen und dir ist klar geworden, was du selbst eigentlich brauchst. Die Konflikte haben euch mehr zueinander gebracht als auseinandergetrieben. Ihr habt gelernt, welche Perspektive die andere Person hat. In dem Reflexionsseminar, welches du heute hattest, konntest du schließlich dein Gelerntes Wissen anwenden. Ihr habt heute darüber gesprochen, wie Konflikte entstehen und eskalieren können. Und darüber, wie Konflikte in einem diplomatischen Weg ablaufen können, sodass daraus eine Kooperation entstehen kann. DU konntest verstehen und nachvollziehen, was euch erzählt wurde.

    Jetzt kannst du mit Fug & Recht behaupten, dass du vielleicht kein Meister, aber doch ein fortgeschrittener Anfänger in Sachen Konflikt-Bewältigung bist. Herzlichen Glückwunsch!“

    „Nun Spiegel, eine letzte Frage sei mir hoffentlich noch gestattet….

    …sag mir, wie habe ich mich verändert? Ist dir mittlerweile etwas anderes wichtiger als vorher?

    Nun, du hast dich verändert und bist dennoch derselbe geblieben. Du kamst nach Auroville, um herauszufinden wohin es für dich danach geht. Der Weg ist für dich immer noch nicht klar, aber dennoch sieht du ihn besser denn bevor. Wie als hättest du nach vielen Jahren herausgefunden, dass du eine Brille brauchst. Und nun hast du die Brille aufgesetzt und es erscheint alles deutlicher. Du hast nun ein Ziel vor Augen. Du hast nun auch Ideen, wie du das Ziel erreichst. Du kannst es gar nicht erwarten loszulegen, und doch hemmt dich die Ungewissheit.         
    Du bist immer noch introvertiert, doch fällt es dir nur einfacher deine Komfortzone zu erweitern. Du möchtest gar nicht immer mit Menschen zusammen sein und reden, und du weißt nun, dass das ok ist. Dennoch merkst du, dass du es manchmal brauchst. Dein Empathie Empfinden ist feiner geworden, doch merkst du auch, dass du nicht von dem Schmerz eines jeden Menschen erfahren und beeinflusst werden möchtest. Du brauchst Distanz, um nah zu sein.         
    Du bist selbstbewusster geworden und hast herausgefunden, dass es für dich wichtig ist, für dich selbst und deine Meinungen, Interessen und Ideen, wie auch für andere Menschen einzustehen. Du hast gelernt stark zu sein. Und diese Stärke zeigt sich nicht nur in deinem Selbstbewusstsein. Nein, auch in deiner Fähigkeit Gefühle zu zeigen. In Tränen zu versinken, nur um dann in Freude aufzublühen. 
    Du hast gelernt, dass es nicht immer eine Lösung braucht. Oft reicht es, zu beobachten, zuzuhören, präsent und für andere da zu sein. Menschen sehnen sich nach einem sicheren Raum, um sich anderen mitzuteilen. Oft ist dies schon Heilung genug. Lösungen entstehen danach von allein. 
    Nun, lieber Rick, ich kann diese Liste bis in das Unendliche weiterführen und dir aufzeigen, was du so alles gelernt hast. Doch ist die Deadline für deinen Quartalsbericht längst überschritten. Daher rate ich dir, nimm das mit was ich dir erzählt habe, verpacke es in einen Bericht, mit dem du dich wohlfühlst und schicke ihn ab. Da wird sich deine Organisation sehr freuen.“

    „Nun denn, lieber Spiegel, deine Worte sprechen von großer Weisheit. Ich werde tun, wie du mir rätst. Für deine Zeit und die Einsicht, die du mit gewährt hast, danke ich dir vom ganzen Herzen. Mach es gut, bis zum nächsten Mal!“  


  2. 2. Quartalsbericht für mein freiwilligen Jahr in der Isai Ambalam School

    Februar 18, 2023 by Jonas Eisner

     Hallo und herzlich willkommen zum Auroblog alle zusammen!

    Jetzt sind es schon fast 6 Monate seit wir in Auroville angekommen sind, damit wird auch schon der nächste Quartalsbericht fällig. Ich denke zunächst ist es mal wichtig zusagen, dass es mir mittlerweile in Indien und Auroville sehr gut geht. Ich hatte ja vor allem die ersten drei Monate sehr mit Überforderung im Projekt und einigen Krankheiten und Verletzungen zu kämpfen. Inzwischen fühlt es sich so an, als hätte ich diese Phase endlich überwunden, wodurch jetzt ganz viel Energie und Kraft wieder frei wird. Das fühlt sich irgendwie befreiend an. Das es jetzt schon 6 Monate sind fühlt sich auf der anderen Seite ein bisschen beängstigt an, da ich nicht das Gefühl habe schon fertig oder besser halbfertig mit Auroville und meinen Erfahrungen hier zu sein. Es fühlt sich für mich nach wie vor so an, als könnte mir Auroville noch sehr viel mehr bieten und beibringen. Auf der anderen Seite fühle ich mich nach diesen 6 Monaten schon sehr in Auroville angekommen, immer wieder fühlt es sich wie Zuhause an und manchmal kommen auch Vorstellungen darüber wie es wäre in Auroville zu leben, das ist natürlich ein sich ständig veränderndes Bild, stets aber eine schöne Vorstellung. Auch sind gerade meine Mutter und meine Schwester zu Besuch, wodurch natürlich nochmal ein Perspektivenwechsel stattfindet. Plötzlich bin nicht mehr ich der Neue der keinen Plan hat sondern meine Familie ist neu hier und ich plötzlich der der schon, nicht alles aber, vieles weiß. Ich zeige ihnen Auroville, erkläre Abläufe etc. Das gibt mir auch ein schönes Gefühl und zeigt mir einfach, dass ich hier nun doch nicht mehr so Neu bin.

    Wenn ich jetzt auf die letzten 3 Monate so zurückblicke, dann fällt mir auf, dass sich seit dem einiges Verändert hat. Im ersten Viertel meines Aufenthaltes hier, hatte ich sehr mit Überforderung zu kämpfen, ich fand auch nicht wirklich in einen Rhythmus, in dem ich gut arbeiten und leben konnte, was zwar bestimmt auch auf die Verletzungen zurück zu führen ist, allerdings bin ich mir recht sicher, dass auch die Verletzungen etwas mit meiner generellen Verfassung zu tun haben/ hatten. Die größte Herausforderung war wahrscheinlich tatsächlich die Kommunikation mit meiner Einsatzstelle darüber was für mich möglich und was für mich nicht möglich ist. Was ich leisten kann und was ich nicht leisten kann. Das alleine klingt jetzt vielleicht nicht allzu schwierig, es wird aber deutlich komplizierter wenn man in Rücksicht nimmt, dass diese Grenze mir selber vielleicht nicht so ganz klar war, beziehungsweise ich sie nicht akzeptieren wollte. Ich wollte mehr tun als ich konnte und hatte dann mit Überforderung zu kämpfen. Auch die Kommunikation mit der Schule war dadurch vielleicht auch von meiner Seite einfach nicht so klar, weil ich mir immer wieder dachte „ Hey stop, ich kann das doch! Lass mich das nochmal versuchen. Ist schon so okey so wie es ist…“ Zu erkennen, dass da vielleicht auch Fehler auf meiner Seite passiert sind und nicht nur auf Seiten der Schule, das ganze dann auch noch zu akzeptieren und daran zu arbeiten war für mich definitiv nicht einfach. Inzwischen habe ich was das angeht aber einen guten Weg gefunden. Ich arbeite jetzt einfach viel weniger Stunden in der Schule (ich habe weniger Klassen) und kann dadurch den Restmeiner Arbeitszeit dafür verwenden meine Unterrichtsstunden vor- und nachzubereiten. Abgesehen davon schreibe ich mittlerweile ein Protokoll in meinen Klassen um festzuhalten, was gut, mittel oder schlecht funktioniert hat. Wo meine Schüler Schwierigkeiten haben um dann in der nächsten Stunde daran arbeiten zu können. 

    Bei diesem ganzen inneren Prozess, das möchte ich erwähnen, war das erste Zwischenseminar und insbesondere Julia eine große Hilfe. Ich hatte meine Probleme zur Kollegialen Fallberatung als Beispiel vorgeschlagen woraufhin wir das ganze besprochen hatten und tatsächlich von Julia der Beitrag kam, dass da ja vllt auch ein innerer Konflikt bei mir selber vorliegen könnte. Das hat dann den Stein zum Rollen gebracht.

    Inzwischen geht es mir in meinem Projekt also super. Ich bin wirklich glücklich unf fühle mich nützlich. Ich kann etwas bewirken!

    Etwas anderes, nicht wirklich eine Herausforderung aber eine Erfahrung die ich hier gerne Teilen möchte hat ebenfalls in den letzten Monaten viel Zeit und Energie aufgebraucht. 

    Ende Januar kam nach mehreren Anläufen meine Mentorin Kavitha auf mich zu und erzählte mir über ihre momentane Situation und wie sich ihr momentaner Newcomer Status negativ auf ihre Finanzen niederschlägt und ihre Familie jetzt nicht mehr fähig ist die fast abgeschlossene Ausbildung zur Krankenschwester ihrer Tochter zu bezahlen. Sie bat mich also um Geld, worauf ich antworten musste, dass ich als Student und Freiwilliger natürlich gerade nicht Geld zum Spenden zur Verfügung habe. Insbesondere nicht 75.000 Rupies. Ich wollte allerdings helfen und startete deswegen ein Fundraising, das ich über alle meine Social Media Kanäle und per Email veröffentlichte. Anfangs hatte ich wenig Hoffnung damit wirklich etwas erreichen zu können, ich blieb aber hartnäckig und postete immer wieder und erinnerte die Menschen daran, dass da eine junge Frau ist, die ohne diese Ausbildung aufgeschmissen ist und das jede Spende noch so klein einen Beitrag dazu leistet, dass diese junge Frau sich einen Beruf und damit finanziell absichern kann. Und es funktionierte, langsam kamen immer mehr Spenden rein, von 2,3,4 Euro bis zu 50 Euro pro Spende. Ich fragte dann nochmal Kavitha wie viel Geld wir denn genau bräuchten um die Ausbildung zu finanzieren und sie sagte mir dass sie es irgendwie von 75.000 auf 50.000 Rupies runterhandeln konnten. Diese Summe haben wir vor einigen Wochen erreicht und ich bin dann mit dem Geld, Kavitha und ihrem Mann zu der Ausbildungsstelle gegangen um das Geld zu bezahlen. Auf der Rechnung standen dann 75.000 Rupies, obwohl ich sicher sagen kann, dass wir tatsächlich nur 50.000 bezahlt haben. Danach kam ein unvorstellbarer Dank von meiner Mentorin und ihrem Mann, beide hatten Tränen in den Augen und es fielen Sätze wie: „ we will never forget about this in our lifes. We can not thank you enough jonas!“ Das war für mich eine unglaublich schöne Erfahrung, ich musste im Endeffekt keinen Euro bezahlen um dieser Familie zu helfen und zusehen, wie Menschen spenden um jemandem zu helfen und dass das ganze dann auch noch so gut funktioniert hätte ich mir nie erträumt. Unglaublich schön.

    Wenn ich darüber nachdenke, was Auroville mit mir gemacht hat, wie sich Auroville auf mich auswirkt/ ausgewirkt hat, dann spuckt mein Gehirn vor allem anderen ein Thema aus. Meine Vorstellung davon, wie man ein Leben zu leben hat. Aus Sicht eines in Deutschland geborenen und in Deutschland zur Schule gegangenen jungen Erwachsenen. Also vollständig geprägt durch das europäische Lebensbild. Schule, Abitur, (vllt FSJ), Studium, Karriere und Familie. Für mich hat das mit meinem Traum davon Medizin zu studieren und Arzt zu werden, neben all den schönen Vorstellungen die damit verbunden sind, auch eine andere Seite gehabt. Für mich ist Medizin schon immer ein Traum, ich liebe den Menschlichen Körper und mit ihm zu arbeiten. Mit diesem Interesse direkt Menschen helfen zu können ist für mich die ideale Jobwahl. Allerdings bin ich überhaupt kein Fan vom deutschen/westlichen Gesundheitssystem. Wie Menschen durch Krankenhäuser geschleust werden, wie Teile auf dem Laufband, ist für mich keine sinnvolle medizinische Behandlung. Abgesehen davon ist die Vorstellung in einem Krankenhaus in Deutschland Karriere zumachen für mich wirklich nicht die schönste. Diesem System vollkommen ausgeliefert zu sein und jeden Tag ausgebeutet zu werden (gerade als junger Arzt, Facharztausbildung etc) ist für mich beängstigend. 

    Diese Sorge war mit dem Traum von Medizin also immer verbunden. 

    Inzwischen habe ich einen Medizinstudienplatz in Graz und werde mein Studium im Oktober antreten. Ohne diese Angst.

    Die letzten 6 Monate in Auroville haben mir eine so alternative „Lebensform“ gezeigt, all diese verschiedenen Menschen mit so unterschiedlichen Geschichten, die hier Leben und sich ihr Leben so gestalten wie es ihnen gefällt. Durch sie wurde mir klar, dass ich nicht an Deutschland/den Westen gebunden bin. Dumm gesagt: wenn ich kein Bock mehr auf Krankenhaus Karriere habe, komme ich nach Auroville arbeite hier 9-5 als Arzt und verbringe den Rest meiner Zeit mit Surfen 😉

    Nein also tatsächlich habe ich seit ich hier bin mehr und mehr die Angst vorm Medizinstudium und Arztleben verloren, dabei ist es egal ob ich irgendwann hierher zurück komme oder in Deutschland bleibe. Wichtig ist nur, dass ich diese Angst überwinden konnte, da das mir ein viel besseres mindset für das ganze ermöglicht.

    Vielen Dank fürs lesen, hier noch ein paar Bilder und bis bald 😉


  3. Upcycling Studio

    Januar 15, 2023 by Jasper Dechamps

    Guten Tag liebe Leute,

    nun ist es schon über 4 Monate her, seit ich zusammen mit meinen weltwärts-MitstreiterInnen in Auroville angekommen bin. In dieser kurzen Zeit ist so einiges passiert und alles in allem kann ich sagen, dass ich meinen Aufenthalt bisher sehr genossen habe.

    Besonders in den ersten paar Tagen und Wochen hatte ich zwar noch mit dem Klima zu kämpfen, fand allerdings das Erkunden meines neuen Umfelds sehr spannend. Energielevel: hoch.

    Die Arbeit im Upcycling Studio ist sehr kreativ und frei, was mir gut gefällt. Ab und zu gibt es mal was zu produzieren, zum Beispiel wenn vor Feiertagen der Shop wieder aufgestockt werden soll, aber meistens kann ich mir meine Arbeit entlang eines groben Themas selbst einteilen. Da die Projektleiterin gefühlt sehr in ihrer Arbeit versinken kann und ich derjenige bin, der schon am längsten hier Vollzeit volontiert, wird mir auch schon recht viel Verantwortung übertragen.

    Montag bis Freitag arbeite ich von 9.00 Uhr bis 12:00 Uhr und nach dem Mittagessen nochmal von 1.30 Uhr bis 4:30 Uhr im Studio. Am Mittwochnachmittag habe ich in der gleichen Zeit eine Schicht im Laden, der sich im Visitor Center befindet und wo Produkte aller UpcyclerInnen in und um Auroville verkauft werden. Die Arbeitszeiten im Studio sind allerdings sehr flexibel, sodass man ohne Problem auch mal früher kommen und früher gehen kann, solange die Arbeit gewissenhaft erledigt wird. Das ist vielleicht ein Kritikpunkt an der Einsatzstelle. Die Projektleiterin hat Erwartungen, die natürlich mit Europäischen 40-Stunden Jobs nicht zu Vergleichen sind, aber für indische Standards scheinbar verhältnismäßig hoch sind. Dadurch empfinden meine KollegInnen die Stimmung in der Arbeit gelegentlich als etwas angespannt. Ich komme damit jedoch gut klar und lasse mich generell wenig stressen. Auch wird gewertschätzt, dass ich sehr selbstständig arbeiten und Wünsche je nach Machbarkeit konstruktiv umsetzen kann.

    Das Team besteht aktuell aus der Projektleiterin, einem Tamilen, der den Newcomer-Prozess jetzt startet, um Aurovilianer zu werden und immer vormittags da ist und drei FreiwilligInnen. Neben mir ist noch eine andere längerfristig beschäftigt und eine kommt neben ihrer Arbeit noch nachmittags. Außerdem haben wir gerade zwei “Praktikanten”, die als Lehrer an einem College hier erleben sollen, wie so ein Upcycling Studio funktioniert, um an besagtem College eines für die Schüler leiten zu können. Ab und zu kommen auch andere Leute vorbei, um bestimmte Projekte im Studio durchzuführen. Dabei wird auch teilweise das Team mit einbezogen. Im den letzen Wochen haben wir zum Beispiel gemeinsam mit einem Industriedesigner aus den USA an einer Ausstellung zu upgecycleten Beleuchtungsmöglichkeiten gearbeitet. Viele indische Haushalte haben zur Beleuchtung nur die rohen Glühbirnen an der Wand oder der Decke und wir versuchen, Leute auf die Möglichkeiten aufmerksam zu machen, dieses Licht mithilfe von Designs aus Weggeworfenem angenehmer zu gestalten. Die Ausstellung zu organisieren und die eigenen Kreationen dort am Ende zu präsentieren war eine neue und sehr spannende Erfahrung für mich.

    Alles in allem finde ich die Arbeit im Upcycling Studio sehr angenehm kreativ und abwechslungsreich und freue mich auf die verbleibende Zeit.

    Das Team für die Lighting-Ausstellung


  4. Schwupps, die ersten 4 Monate rum.

    Januar 11, 2023 by Lucia Lenters

    Liebe Lesende,

    i proudly present, mein erster Quartalsbericht (von Anfang Dezember) in Blogbeitragsform 😉

    Part 1: Sadhana Forest
    Seit über drei Monaten sind wir bereits in Auroville, Indien. Die ersten zwei Monate habe ich im Projekt Sadhana Forest gearbeitet, welches eine vegan lebende Gemeinschaft bestehend aus vielen lang- und kurzzeit Freiwilligen ist, die sich hauptsächlich die Wiederaufforstung des „tropical evergreen forest“ zur Aufgabe gemacht hat. Neben der Wiederaufforstung gibt es auch weitere Projekte in Sadhana Forest, wie etwa die geretteten Kühe (Goshala) oder den wöchentlich stattfindenden „Eco Film Club“ am Freitag Abend.
    Der Tag beginnt in Sadhana Forest um 5.30 mit dem morgendlichen Weckdienst, den 1-2 Freiwillige übernehmen und dabei kreativ ihre musikalischen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen können. Um 6.00 kommen alle im Morgenkreis zusammen um für 5-10 Minuten Dehnübungen zu machen, welche ebenfalls von immer wechselnden Freiwilligen angeleitet werden. Anschließend werden die Aufgaben für den ersten „Seva“ verteilt. Seva ist ein Sanskrit Wort und beschreibt den selbstlosen Dienst in der Gemeinschaft als spirituelle Praxis. Die Aufgaben im ersten Seva sind entweder die Zubereitung des Frühstücks für alle, die Küchenhygiene, Waldarbeit (pflanzen, graben, mulchen) oder das Kümmern um die Kühe. Um 8.30 endet der erste Seva und es gibt Frühstück für alle in der großen Gemeinschaftshütte. Nach dem Frühstück werden die Aufgaben für den zweiten Seva von 9.45 bis 12.15 verteilt, diese können die Zubereitung des Mittagessens, Putzen, Aufräumen, Termitenbehandlung oder die
    Toilettenhygiene umfassen. Nach dem zweiten Seva gibt es das gemeinschaftliche Mittagessen um 12.45. Nach dem zweiten Seva ist es allen freigestellt, wie sie ihren weiteren Tag verbringen. Es gibt zusätzlich eine Tafel, auf der zusätzliche Gemeinschaftsdienste verteilt werden, von denen jeder Freiwilliger wöchentlich 3 zugeteilt bekommt. Diese Dienste umfassen zum Beispiel das Kochen für das Abendessen, das Kümmern um die Kühe am Abend, die Zubereitung der Mahlzeiten am Wochenende oder das Spülen nach dem Essen.
    Neben dieser alltäglichen Struktur gibt es auch eine wöchentliche Struktur, welche sich in Sadhana Forest etabliert hat. Jeden Montag Abend gibt es den „Core Value Talk“, in dem sich alle Interessierten über einen der Kernwerte von Sadhana Forest unterhalten. Diese wichtigen Werte sind u.a. Veganismus, Mitgefühl (Compassion), Freies Lernen (Unschooling), kein Wettbewerb (non-competition), Schenkökonomie (gift-economy). Dienstags gibt es den „Sharing-Circle“, ein Raum in dem alle aus ihrem persönlichen Leben oder was sie grade beschäftigt erzählen können.
    Am Mittwoch gibt es die sogenannte „Non-Talent-Show“ in der gemeinsam nicht- kompetitive Spiele gespielt werden und Menschen etwas vorführen können. Am Donnerstag ist die „Night out“, da es kein Abendessen gibt gehen an diesem Tag die meisten Abends zusammen in Auroville essen.
    Freitags findet der Eco Film Club statt, zu dem immer besonders viele Besucher*innen in den Sadhana Forest kommen. Es gibt eine längere Tour über das Gelände des Projekts, anschließend wird ein Film gezeigt der häufig etwas mit Nachhaltigkeit, Veganismus, Artenvielfalt, Umweltschutz zu tun hat. Zum Abschluss wird Abendessen für alle serviert.
    Samstags wird meistens ein besonderes Abendessen zubereitet und Sonntag Abends gibt es ein wöchentliches Community Meeting, welches für alle verpflichtend ist. Bei diesem Meeting werden zusätzliche Aufgaben verteilt, die sonst nicht abgedeckt sind über die Tafel oder die Sevas. Das sind Aufgaben wie Essen servieren, Hunde und Katzen versorgen, Weckruf, Dehnübungen anleiten und mehr.

    Sadhana Forest

    Im folgenden erzähle ich ein bisschen, wie meine Erfahrungen in Sadhana Forest waren. Zu Beginn war ich ziemlich fasziniert von der Struktur und Haltung in Sadhana Forest und viele der Werte sind mir persönlich sehr wichtig. Die „einfache“ Art zu leben hat mir von Anfang an relativ gut gefallen, so finde ich es zum Beispiel total cool dass es nur Komposttoiletten in Sadhana Forest gibt und dass das Essen auf dem Feuer gekocht wird. Die Unterbringung in Sadhana ist eine kleine private Hütte für die Langzeitfreiwilligen, die Kurzzeitfreiwilligen sind in einer großen Schlafsaal-Hütte untergebracht. An das Leben in der Hütte musste ich mich erstmal gewöhnen, da die Hütten ziemlich klein sind und wenig Bewegungsraum und wenig Privatsphäre
    bieten. Die erste Hütte in der ich gelebt habe hatte zudem große schwarze Holzbohrer Bienen, welche unglaublich laut sind. Nach einiger Zeit habe ich dann meine Hütte glücklicherweise noch einmal wechseln können. Was ich wunderbar fand war, dass mich immer eine der Sadhana Katzen besucht hat in meiner Hütte.
    Zu Beginn habe ich die meisten der Aufgaben in Sadhana nacheinander ausprobiert um einen Überblick über die verschiedenen Aspekte zu bekommen. Nach einiger Zeit habe ich dann vor allem die Arbeit im Wald und das Kochen den anderen Aufgaben vorgezogen. Ich merkte bereits nach einigen Wochen, dass mir die konkrete Arbeit in Sadhana nicht wirklich Freude bereitet hat, da alles sehr repetitiv war und wenig Möglichkeit für kreative Ideen oder eigene Projekte gegeben wurde.

    Die Strukturen in Sadhana habe ich als sehr gefestigt wahrgenommen mit wenig Offenheit zu neuen Herangehensweisen oder Perspektiven. Bereits nach einigen Wochen wurde mir klar, dass ich nicht länger in Sadhana Forest bleiben will, da ich mich auch auf persönlicher Ebene nicht frei gefühlt habe. Durch die Gemeinschaftsstruktur, in der ich eine Hierarchie zwischen Freiwilligen und Projektmanagern deutlich gespürt habe, hatte
    ich das Gefühl auch in meiner Freizeit keinen Rückzugsort zu haben.
    Da es Malina ähnlich ging haben wir uns relativ bald an unsere Koordinator*innen und Mentor*innen gewandt. Zu Anfang November konnten wir beide unser Projekt wechseln und ich habe in meinem neuen Projekt Wasteless angefangen.

    Transforming Waste Together

    Part 2: WasteLess
    Wasteless ist eine non-profit Organisation die hauptsächlich Bildungsmaterialien und Spiele für Kinder zwischen 6 und 15 Jahren zum Thema Müll, Müllvermeidung und nachhaltigen Konsum entwickelt und aktuell das neue Bildungsprogramm „Sea Change“ veröffentlicht hat, in welchem es um Plastik und Mikroplastik im Ozean geht und die Auswirkungen, die dies auf die Umwelt und auf uns hat.
    Ich habe mich von Anfang an sehr wohl gefühlt und wurde herzlich aufgenommen von Ribhu und Chandra, die das Projekt ins Leben gerufen haben. Insgesamt besteht das Team zur Zeit aus 6 festen Mitarbeiter*innen. Einige Tage bevor ich zum Projekt dazugestoßen bin wurde „Sea Change“ veröffentlicht, ein Programm welches das Team von Wasteless speziell für Government Schulen in Tamil Nadu entwickelt hat. An meinem zweiten und dritten Arbeitstag hatte ich die Gelegenheit bei einem Teacher Training dabei zu sein, in dem die Lehrerinnen mit den Unterrichtsmaterialien vertraut
    gemacht wurden, um das Programm bestmöglich in ihren Schulen durchführen zu können. Die ersten zwei Wochen gab es viel zu tun und ich habe dabei geholfen, Pakete zu packen und an Schulen zu fahren um mit Schüler*innen eine Umfrage zu machen, die den Lernerfolg durch das Programm (vorher /nachher) erfassen sollen. Anschließend wurde es etwas ruhiger und ich habe mit dem Einführungsprogramm angefangen, welches Wasteless für neue Mitarbeiterinnen und Freiwillige entwickelt hat, um einen Überblick über das Projekt und das Anliegen des Projektes zu bekommen. Im Rahmen dessen habe ich mir die Bildungsprogramme und Projekte angeschaut, die Wasteless in der Vergangenheit entwickelte sowie verschiedene Dokumentationen zum Thema Müll und Plastik und die Konsequenzen unseren Umgangs mit Müll für die Umwelt und das Leben auf der Erde. Durch diese Einführung habe ich einen guten Überblick bekommen und bereits viel gelernt und merke schon jetzt, wie sich mein Verhältnis zu dem Müll, den ich produziere, verändert. Wie ich mich im Supermarkt noch einmal mehr frage: Brauche ich das (in Plastik verpackte) jetzt wirklich? Wie trenne ich meinen Müll eigentlich wirklich gut? Wo benutze ich Plastik in meinem Leben, welches ich leicht durch nachhaltigere Alternativen ersetzen könnte?
    Ich bin sehr froh, jetzt Teil des WasteLess Teams zu sein und bereits gespannt auf die nächste Zeit. In den kommenden Monaten wird sich die Arbeit weiterhin hauptsächlich um „Sea Change“ drehen. Im Zeitraum Januar/Februar werden wir verschiedene Schulen zur „Sea Change Celebration“ (ein Bestandteil des Programms) besuchen und die Umsetzung des Programms in den Schulen betrachten. Außerdem werden wir weitere Social Impact Befragungen an Schulen machen um den Lerneffekt zu evaluieren. Ich freue mich darauf nach meinem Einführungsprogramm jetzt langsam mehr in die konkrete Arbeit von Wasteless einzutauchen und daran mitzuarbeiten.

    Ein Bild was gestern (10.01.23) entstanden ist. Wir haben einen Fundraising Film für Wasteless gedreht – in dieser Szene stelle Ich mit den Schüler*innen die Social Impact Befragungen nach, bei denen ich im November mitgekommen bin.

  5. eine indische Hochzeit

    Dezember 4, 2019 by Emma

    Mein Bericht kommt diesen Monat etwas verspätet, dafür gibt es jedoch einen sehr wichtigen Grund. Ich war auf einer Hochzeit, einer meiner indischen Kollegen hat geheiratet und hat alle Leute von der Farm eingeladen.

    Das ganze fing Freitag den 22. November an, als ein mir unbekanntes älteres indisches Paar während unserer Teepause (wie fast immer ohne Tee) auf die Farm kam und uns allen einzelnd eine Einladung und eine Blume auf einem Tablett servierten. Ich war zunächst etwas perplex, habe es aber trotzdem geschafft den Eltern des Bräutigams (zumindest vermute ich das sie das waren, könnten auch andere Verwandte sein) zu danken und meine Einladung entgegenzunehmen. Kaum hatte ich das getan wurde das Tablett schon für die nächste Einladung vorbereitet und ruckzuck waren wir alle eingeladen.

    Mein erster Gedanke war ‚Super!, ich freue mich richtig‘, mein zweiter Gedanke war ‚Verdammt, wo kriege ich in 10 Tagen einen Saree mit allem was dazu gehört her?‘. Denn die Hochzeit ist schon am 2. Dezember.

    Meine Rettung kam in Form von Jasmin, einer meiner Mitarbeiterinnen, die leider nicht zur Hochzeit kommen konnte, mir jedoch anbot einen ihrer Sarees auszuleihen. Und so wurden Josef und ich am nächsten Dienstag zum Mittagessen mit anschließenden Sareetraining (weil ich natürlich auch keine Ahnung habe wie man einen Saree anlegt) eingeladen. Nach über zwei Stunden Mittagessen und unterhalten, es gab Idly, war es dann endlich Zeit für die Sarees. Ich muss zugeben das ich erwartet habe, dass Jasmin vielleicht ein oder zwei Sarees und nicht weit über zehn besitzt. Natürlich waren jedoch nicht alle angebracht für eine Hochzeit und so hatten wir am Ende zwei Finalisten, einen grünen Saree mit roter Borte und einen blau-lila Saree. Davon habe ich jedoch nur den grünen anprobiert, weil wir und schon beim ersten Saree einig waren, dass dieser eigentlich perfekt passt (nur die Bluse ist etwas eng, aber wofür gibt es Sicherheitsnadeln). Und schon hatte ich mein Hochzeitsautfitt, ganz ohne den stressigen Shoppingtrip in Pondi, den ich schon halb befürchtet hatte.

    Die eigentliche Hochzeit ist in Zwei Teile gegliedert; Die Zeremonie und der Empfang. Die Zeremonie findet um 6 Uhr morgens in einem großen Hochzeitstempel etwa 30 km von Auroville entfernt statt. Um diese Distanz zu bewältigen teilen wir uns mit einigen Kollegen zwei Taxis, worüber ich sehr froh bin. Vorher holt mich Josef jedoch mit dem Motorrad ab und wir fahren gemeinsam zum Treffpunkt, selbst fahren kann ich leider nicht denn im Saree muss man seitlich auf dem Mororad sitzen. Typisch indisch verlassen wir Auroville, im geteilten Taxi mit Kollegen, erst um 6 sind aber trotzdem noch pünktlich. Die Zeremonie selbst ist laut und voll, unteranderem weil parallel 4 Hochzeiten in der Haupthalle des Tempels gehalten werden und jeder sich einfach um das für ihn interessante Pärchen drängelt. Mein Lieblingsmoment war als plötzlich alle Trommeln lauter und schneller wurden und die Gäste Reis (der vorher rumgegeben wurde) auf das jetzt frisch vermählte Pärchen werfen durften. Nach der Trauung wurden Brautpaar und Gäste noch in einem separatem Raum gesegnet, auf Tamil natürlich.

    Weil die Zeremonie in einem Tempel stattfand gibt es anschließend noch Frühstück im Speisesaal, für nicht Inder war es etwas scharf aber trotzdem sehr lecker. Und weil wir mit unserem Chef unterwegs waren ging es danach direkt weiter zur Arbeit (mit nur einer kurzen Pause zum umziehen). Heute wurde auf der Farm unser Pausenraum fürs Streichen vorbereitet, das heißt Putzen, putzen und nochmals Saubermachen.

    Am Abend war dann noch ein Empfang. Offiziell ging dieser von 6 Uhr bis 7:30, defakto kamen wir, ich bin mal wieder mit meinem ‚großen Bruder‘ Josef gegangen, erst um 7 Uhr beim Empfang an und das Brautpaar hatte seinen Auftritt immer noch nicht gemacht. Also warteten wir, bis das Essen serviert wurde, was zum Glück nicht lange dauerte. Da wir, typisch deutsch, sehr früh dran waren haben wir es sogar noch in die erste Runde Esser geschafft. Das Essen wurde in einer großen Halle auf Palmenblättern serviert, wobei Kellner mit Eimern an den Tischen vorbei gingen und jeder eine Komponente des Gerichts servierte. Sobald man fertig war, signalisierte man dies durch falten des Bananenblattes und ein Kellner kam, der den Tisch einmal abwischt, das benutzte Blatt ersetzt und den nächsten Gast heranwinkt. Unsere Runde war die erste von drei (meiner Schätzung nach). Auf dem Weg nach draußen sind wir dann noch einem Kollegen begegnet, er schätzte die Zahl der Gäste auf 1-2000 (Nein ich habe nicht eine Null zu viel drangehängt), nur um einem mal eine Idee von den Dimensionen zu geben. 

    Nach dem Essen war es dann Zeit für das Hauptevent des Abends, das überreichen der Geschenke. Dazu reihten sich die Gäste (die die nicht noch immer essen) rechts und links von der Bühne, wo sich inzwischen das Brautpaar eingefunden hatte, auf. Dann sind immer zwei Leute/Pärchen oder eine Größere Gruppe zum Paar gegangen und haben den frisch Vermählten gratuliert und ihr Geschenk überreicht. Bevor es dann auch schon wieder von der Bühne ging lächelte man noch einmal Kurz in Richtung Kamera (für Fotos und den live Videostream fürs Publikum, da die direkte Sicht von der Kamera verdeckt wurde).

    Und das war‘s auch schon, meine erste indische Hochzeit.