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Der Beginn einer Reise

27. August 2024 von Leonie Hamprecht

(15.06.2024)

Unvergessliche neun Monate in Auroville sind um. Inzwischen hat der Sommer begonnen. Dieses Jahr hat die Hitzezeit besonders früh angefangen, denn so richtig heiß wurde es schon im März. In viele Städten in Indien wurden in 2024 Hitzerekorde gebrochen. In Delhi beispielsweise ist die Temperatur auf 52 Grad hochgeschossen. In Auroville ist es zum Glück nicht ganz so drastisch, was vor allem an den in und um Auroville liegenden Waldgebieten liegt. Trotzdem ermattet mich die Hitze manchmal besonders nachmittags. Glücklicherweise setzen so langsam kühlende Sommerregen ein, die Gras und die Pflanzen herrlich wachsen lassen. Im botanischen Garten gibt es somit trotz Hitze also noch genügend zu tun. Was schön in der Sommerzeit ist, ist dass man an manchen Tagen den Garten nahe zu für sich hat, denn Besucher gibt es in dieser Jahreszeit nur wenige. Vor allem weil die Schulklassen, die sonst durch den Garten geführt werden Sommerferien haben. Ich genieße die Stille sehr. Neben der Gartenarbeit helfe ich manchmal in der Küche mit, was anfangs etwas Eingewöhnungszeit bedurfte, jetzt aber schon relativ routiniert funktioniert. Auch bei der Gartenarbeit hat sich mit der Zeit eine vertraute Routine etabliert, da ich inzwischen in allen Gärten gearbeitet habe und somit weiß was wo getan werden sollte. Ab und zu kommt ein neuer Freiwilliger für einige Zeit dazu, was eine schönen Zusatz bietet. Ich schätze die Abwechselung in meiner Einsatzstelle sehr. Gerade auch mit Rückblick auf den horticulture Kurs, an dem ich in den Wintermonaten teilnehmen durfte und der mich mehr über Wälder und Bäume verstehen lassen hat. Es war ein viermonatiges Programm, dass mir Einblicke in verschiedene Gebiete, wie beispielsweise Geologie, Entomologie, Arboriculture, Ökologie, Botanik oder Wiederafforstungsarbeit gegeben hat.

Ich bin ziemlich dankbar, dass ich die Chance hatte, mich während dieses Jahres durch das Programm weiterbilden zu dürfen. Es hat meinen Horizont erweitert und mir Denkanstöße für meine Berufswahl gegeben. Im gleichem Maße bin auch dankbar für die praktische Gartenarbeit und dafür von den Ammas in der Küche zu lernen. Wenn ich jetzt zurückdenke, gab es sehr viel Abwechselung in meinen Tätigkeiten in der Einsatzstelle. Auch emotional habe ich viele Wechsel in meinem Auroville Jahr erlebt. Es gab so viele Freude, Ausgelassenheit, Phasen von Inspiration, von Kreativität, von Unsicherheit, von Angst, von Verbundenheit, von Glücklichsein und von Trauer.

Was ein Erlebnis war, dass mir sehr nahe gegangen ist, war der plötzliche Tod eines Arbeitskollegens, den ich über die Zeit hier sehr ins Herz geschlossen hatte. Sein Tod hat alle, die im Garten arbeiten, sehr berührt. Für mich war es eine der ersten Konfrontationen mit dem Thema Tod in meinem nahem Umkreis. Trotz dessen, dass es sehr traurig und schmerzhaft war, habe ich mich von dem Team des botanischen Gartens aufgefangen und betreut gefühlt.

Die Beerdigung meines Arbeitskollegens war wohl die schönste Beerdigung auf der ich jemals war. Die Sonne schien und über den mit Blumen verzierten Platz schallte leise Beatles Musik, welche er sehr mochte. Es kamen sehr viele Leute, alle in bunt, einige eingeschlossen mir haben geweint, viele standen einfach Arm im Arm da und haben sich gehalten, Kinder haben am Rand gespielt und in der ganzen Atmosphäre hing Trauer, aber zugleich auch eine Art Feierlichkeit für das Leben.

Nach seiner Beerdigung pendelte sich langsam alles wieder zurück zu normal, zu Arbeit und Alltag und irgendwie überfiel mich eine Welle aus Krankheit und Uninspiriertheit. Ich glaube ich war dringendst urlaubsreif. Zudem war es eine gute Zeit der Hitze für einige Wochen zu entfliehen und kurzer Hand buchten mein Freund und ich ein Zugticket von Pondicherry nach Delhi, circa 2500 Kilometer innerhalb von zwei Nächten und einem Tag. Im Vorhinein fragten wir Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen und alle möglichen Menschen von denen wir gehört hatten, dass sie aus Nordindien kommen oder schon mal dort gereist sind. Somit stellt sich eine grobe Reiseroute zusammen: Delhi, Manali, Jispa valley in dem Bundesstaat Himacal Pradesh und Leh und Nubra valley in Ladakh und ganz spontan, mitten in unserer Reise haben wir den Entschluss gefasst von Ladakh aus nach Kaschmir zu reisen. Als wir uns so durchfragen bekamen wir unheimlich viele Trips und Angebote, dass wir bei Familienmitgliedern unterkommen könnten. Mitte Mai standen wir dann schlussendlich an den Gleisen ausgerüstet mit unseren Backpacks und einer Menge Abenteuerlust. Ich könnte ganze Seiten voll schreiben mit dem was wir erlebt haben, jedoch besinne ich mich hier auf meine main-takeaways, die ich von unserer Reise erworben habe. Einmal habe ich realisiert, wie banal das auch klingen mag, das unsere Welt voll von hilfsbereiter, freundlicher Menschen ist. Wir sind auf so viel Gastfreundlichkeit gestoßen. Vor allem wurden wir in Dörfern oft eingeladen und so kam es, dass wir lediglich ein einziges Mal in der ganzen Zeit in einem Hostel gelandet sind. Zudem habe ich ein bisschen mehr Vertrauen in den Glauben, dass „alles schon wird“, gewonnen. So häufig sind wir aufgestanden und hatten keine Ahnung, wo wir in der Nacht schlafen, wie wir weiterkommen und was der Tag bringt und dennoch haben wir es immer geschafft. Für mich war diese Reise ein Augenöffner, wie ich zukünftig reisen möchte, dass ich mit Menschen in Verbindung seien möchte, über Kultur und ihr Leben lernen will, dass ich vielleicht einfach mehr fragen und den Moment leben möchte, denn wir haben ja eigentlich nie eine Garantie was als nächstes kommt.


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