Nur noch knapp 2 Monate hier in Auroville, Indien. Eigentlich möchte man noch gar nicht gehen. Die letzten 10 Monate seines Lebens hat man hier verbracht, sich eingelebt, ein neues Leben aufgebaut und sich weiter entwickelt. Man hat ein neues zu Hause gefunden, an welchem so einige Dinge anders sind als in Deutschland. Doch erst jetzt, im Zuge der immer präsenter werdenden Rückkehr nach Deutschland, fällt einem auf, was hier Normalität ist und in Deutschland (bisher) für einen eben nicht.
Klar, Essen und Kleidung sind hier nur mal anders. Frauen, die farbenfrohe Saris tragen, und Männer in ihren Wickelröckern namens Lungi. Das alltägliche Straßenbild außerhalb von Auroville und teils auch innerhalb. Ebenso sind für mich Reis und Hülsenfrüchte aus meiner Ernährung nicht mehr wegzudenken. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht diese beiden Lebensmittel, das staple food Indiens, konsumiere.
Denglisch. Man kann nichts dagegen tun. Es passiert einfach. Durch den ständigen Wechsel zwischen Deutsch, Englisch und Tamil, fängt man irgendwann an, Wörter aus einer anderen Sprache einzubringen. Und irgendwann dann sogar nach deutscher Art zu konjugieren und deklinieren. Schrecklich, aber man ist machtlos.
Tiere. Wohnen tut man in Auroville nie alleine. Stets hat man tierische Mitbewohner, die einem entweder den Tag versüßen oder aber auch verderben können. Mücken und Ameisen sind dabei definitiv die unbeliebtesten Mitbewohner. Kein Stück Haut und kein Stück Essen ist vor ihnen sicher. Spinnen, Käfer und Frösche sind die Unscheinbarsten von allen. Geckos sind auch nicht sonderlich auffällig, außer sie jagen sich gerade gegenseitig oder erschrecken sich vor einem, so dass sie einem vor die Füße fallen und einen manchmal selbst erschrecken. Zu den größeren Mitbewohnern zählen Streifenhörnchen, Ratten, Mungos, Katzen, Hunde und manchmal auch ein Pfau. Und aus den Bäumen und Büschen rund ums Haus zwitschert (und krechzt) es stets Tag und Nacht.
Tempelmusik. Auch diese bekommt man recht häufig zu Gehör, denn wo in Indien gibt es keinen Tempel?
Altersübergreifende Aktivitäten. Waren wir bisher in Deutschland durch Schule und Uni hauptsächlich mit mehr oder weniger Gleichaltrigen zusammengepfercht, so ist es hier Normalität, auch viel Kontakt zu Älteren bzw. Jüngeren Leuten zu haben. Sei es auf Arbeit, in seinen Freizeitaktivitäten oder weil man sich einfach so trifft, um gemeinsam Zeit zu verbringen. So lernen die Altersgenerationen in Auroville nicht nur nebeneinander, sondern auch voneinander.
Chaos. Na gut, dies war einem schon vorher bewusst. Aber dennoch ist es etwas, was hier so sehr zur Gewohnheit geworden ist, dass ich es in Deutschland vermissen werde. Für mich ist es einfach ein herrliches Gefühl mit dem Motorrad durch Pondi (oder gar Großstädte wie Chennai, Hyderabad und Co) zu fahren, sich einen Weg durch das Gewimmel an Fahrzeugen und Menschen zu bahnen und dabei mit allen Sinnen einer Reizüberflutung zu unterliegen. Man könnte schon fast meinen, dass ich süchtig danach bin. Oder ich brauche es einfach als Kontrast zum Leben im Grünen in Auroville (was mir übrigens auch viel Freude bereitet).
Wahrscheinlich haben wir alle noch sehr viel mehr Gewohnheiten angenommen und uns an Dinge gewöhnt, was uns aber erst in Deutschland auffallen wird. Doch daran will ich jetzt erstmal nicht denken…