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Januar, 2012

  1. Was ein Affenprojekt

    Januar 29, 2012 by Kaspar

    Warning this post may have an unnatural length!

    21. Januar – Sonntag, 8 Uhr morgens, das Handy klingelt:
    „Hey Kaspar, we‘ll take the Volvo to Chennai at 2 o‘clock from Pondy bus stand.“
    „Ok. When shall I come to your place?“
    „Just have your lunch and be here around one thirty. We can park your bike here and take an auto to the bus stand.“
    „Ok, fine. See you!“

    Heute geht es los! Mit dem Zug ins 1800 km nördlich gelegene Damoh in Madhya Pardesh. Dort werden Debo (26), Harsha (35), der später dazu stoßen wird und ich 2 solargestütze Pumpsysteme installieren.

    Ich packe meine Sachen inklusive des Werkzeugs und eine der stählernen Grundfospumpe in meinen Rucksack. Die andere hat Debo. Aufgrund des Wertes haben wir entschieden sie nicht schon wie das restliche Material vorschicken. Später zeigt sich auch noch, dass das eine weise Entscheidung war.

    Nachmittags wird noch schnell was vernünftiges gegessen – wer weiß, was es die nächsten 2 Tage im Zug geben wird – und dann mit Sack und Pack auf‘s Motorrad nach Pondy.

    Um 12:50 Uhr bin ich schon bei Debo. Der kommt gerade aus der Dusche und ist überrascht, dass ich schon da bin, packt seine letzen Sachen zusammen und ich gehe währenddessen noch meine Vodafone-Karte aufladen.

    Nach einer kurzen Autofahrt (Auto = Autorickshaw) beim Central Bus Stand angekommen warten wir auf den Volvo. Das sind die etwas bequemeren Busse die hier verkehren. Unserer hat aber auch ein ganzen Stück Verspätung. Wir lesen beide in unseren Büchern und luken immer mal wieder zur Einfahrt. Denn wir sind nicht die einzigen, die auf den Bus warten.

    Als er dann endlich kommt, spottet Debo ihn als erstes und wir hasten zum Halteplatz.
    Einige Minuten später haben wir dann 2 Sitzplätze. Doch irgendwas ist komisch.
    Die anderen Passagiere haben alle Tickets, was sehr untypisch in Bussen ist und 2 Minuten später kommen auch schon die ersten, die die unsere Plätze gebucht haben.
    Platzgemacht stehen wir vor der Wahl im ausgebuchten Bus auf dem Boden zu sitzen, oder einen normalen Bus nach Chennai nehmen.

    Ich entscheide, dass wir einen normalen nehmen und dafür in den 4 Stunden wenigstens Sitzplätze haben. Günstiger ist es obendrein und sie fahren gefühlt im Zwei-Minuten-Takt.

    Kleine Probleme gibt‘s nur, weil unser Gepäck so groß ist und kaum verstaut werden kann, aber was soll‘s. Zur Not hätten wir auch 3 Sitzplätze bezahlt.
    Die Fahrt kostet 90 Rs. Ungefähr 1,50 €.

    Beim Zwischenstopp gibt es Chai und ein paar Biskuits, die wie aber erstmal vor einigen frechen Ziegen verteidigen müssen.
    Um 18 Uhr sind wir in Chennai und steigen in die Metro zur Central Station. Für 5 Rs.
    Dort angekommen ist es zu unserem erstaunen schon 18:55 Uhr und der Zug soll laut Debo um 19:00 Uhr abfahren. Verspätung ausgeschlossen, da der Zug in Chennai startet.

    Wir hetzen mit Hab und Gut zum Bahnhof. Und wohin jetzt?
    Debo entdeckt lange Passagierlisten mit den Sitzplatzreservierungen. Wir forsten und unter Zeitdruck durch die elend langen Listen bis ich unsere Namen endlich finde.

    Plattform No. 3, Coach S2, Seat 54 + 55. Ab zum Zug.
    Im Bahnhof sehe ich dann, dass der Zug erst für 19:15 Uhr angeschrieben ist und im Zug stellen wir erfreut fest, dass wir statt 2 Liegen im 6er-Abteil, ein ganzen 2er-Abteil für uns bekommen haben. Eigentlich komisch diese Aufwertung der Plätze, denn der Zug ist die ganze Fahrt über nicht wirklich ausgebucht. Naja, unser Glück.
    Die ersten 3 Klassen sind alle klimatisiert, es gibt zu meiner Überraschung wirklich gutes Essen und die Zeit vertreiben wir uns mit Büchern, Zeitschriften, The Big Bang Theorie und Diskussionen über Deutschland, Indien und die Welt.
    „Germany is famous for what nowadays?“, fragt mich Debo.

    Gute Frage… Das Oktoberfest? Wurst? Oder Ingenieurskunst und hochwertige Technik? Spontan fällt mir nichts konkretes oder wirklich passendes ein.

    Montagnacht kommen wir in Bina an. Und draußen ist es knackig kalt. Ich hole erstmal meinen zweiten Pulli und den Schal heraus.
    Nach 4 Stunden Wartezeit und einem Chai geht‘s um 03 Uhr weiter nach Damoh. Dort wartet morgens um 06 Uhr schon ein netter Fahrer, der uns für einen Zwischenstopp in einem Hotel absetzt. Es wird kurz gefrühstückt und geschlafen.
    Alles klappt, zwar mit zu wenig Schlaf aber dafür reibungslos. Und Debo, der Nordinder ist durchbricht als Muttersprachler für uns alle Sprachbarrieren.
    2 Stunden später werden wir schon wieder abgeholt und in das Camp gefahren, in dem wir die Zeit über wohnen werden.

    Mitten in der Pampa steht in der Nähe von einer Heidelber-Cements-Miene ein augenscheinlicher Hochsicherheitstrakt in dessen Eingang wir erstmal gelistet und durchsucht werden. Ich frage mich die ganze Zeit was das hier ist.
    Wir werden auf die Sicherheitsregeln ziemlich übertrieben wirkenden Sicherheitsregeln hingewiesen und herumgeführt.
    Es gibt 3 Fernsehräume, von denen einer gleichzeitig die Kantine ist, ein Waschservice, indische und westliche Toiletten, warmes Wasser, 24 Stunden Strom, einen eigenes Fitnessstudio, ein Tischtenniszelt, einen eigenen Garten in dem, um eine Yogahalle herum, allerlei Gemüse und Obst angebaut wird und ein Basketballplatz ist gerade noch in der Entstehung. Außerdem stehen 4 oder 5 Hand voll Jeeps auf dem Gelände.

    WTF!? Ich dachte wir sind hier mitten in der Pampa, umgeben von so ländlichem Leben, wie es sich die meisten Städter nicht einmal vorstellen können.

    Später stellt sich heraus, dass wir das auch sind. Allerdings wurde vor 8 Jahren in genau dieser ländlichen Region der größte Diamantenfund der letzten 10 Jahre gemacht. Von der britisch-australischen Firma Rio Tinto, die nun diese Camp für Probebohrungen unter dem Namen „Bunter Project“ betreibt. Demnächst soll hier in der Region das Minen beginnen.

    Wir duschen beide und gehen dann zum Mittagessen.

    Da erwartet uns 1A indisches Essen mit einer Fülle an Auswahlmöglichkeiten. An gutem Essen soll es uns in den kommenden Tagen nicht fehlen. Eher an guter Planung und Organisation.
    Die Mitarbeiter der NGO (Haritika), die die Pumpeninstallation „organisiert“, sind angekommen. Nach einer kurzen Vorstellung fahren wir zu einem Dorf, das in Zukunft auch ein Pumpsystem bekommen soll. Es liegt aber auf einem Plateau. Deshalb bestimmen wir per GPS den Höhenunterschied und Entfernung von Dorf und Brunnen.

    Der Höhenunterschied beträgt ungefähr 80 Meter und die Entfernung 1800 Meter. Hinzu kommt noch der Tank, der eine Höhe von 7 Metern haben soll.
    Wir werden also 2 Pumpen installieren müssen, da eine Pumpe höchstens einen Höhenanstieg von 70 Metern schafft.
    Danach fahren wir zu den beiden Dörfern, die in denen wir die Pumpsysteme installieren sollen. Es wird kurz entschieden wie tief die Pumpe in den Brunnen gelassen wird und wo die Solarmodule stehen sollen. Dann wird es auch schon dunkel und mit der verschwindenden Sonne wird es auch wieder schaurig kalt. Wir verabreden uns für den nächsten Morgen um die Solarmodule und alles weitere in die Dörfer zu transportieren.

    Am nächsten morgen sind wir um 7 Uhr auf den Beinen, Duschen und gehen zum Frühstück. Es gibt Müsli (!), gekochte Eier, Papaya, Säfte und das nordindische Standartfrühstück aus Chapati, Reis und Chuttneys.

    Bis die Mitarbeiter von der NGO dann irgendwann gegen 11 Uhr auftauchen ist auch Harsha da und wurde eingewiesen.
    Er macht sich erstmal über den Namen des Camps (Bunder Project) lustig. Denn „Bunder“ heißt auf Hindi „Affen“.

    Der Transporter von der NGO ist leider weit und breit noch nicht zu sehen. Er soll in 20 Minuten kommen. Debo und Harsha sagen mir aber gleich, dass das von einer Stunde nichts wird und wir getrost schon mal zum Mittagessen gehen können.
    Nach dem Essen ist der Transporter immer noch nicht da. Gefrustet wegen der Unzuverlässigkeit und dem Fakt, dass wir nicht mit der Arbeit beginnen können gucken wir uns schon mal die Materialen an. Damit ergab sich dann auch der Sinn die Pumpen im Handgepäck mitzunehmen.
    Die Verpackung der Solarpanels sieht übel zugerichtet aus. Den Panels ist aber dank einer extra Holzverstärkung nichts passiert. Von unserem Seil, dass den Nutzen haben sollte die Pumpen in die Brunnen zu lassen fehlt aber jede Spur.
    Auch die 2. Packs Aluprofile für das Modulgestell fehlen. Nach einem Anruf im Büro in Auroville ist klar, dass 3 der 18 Pakete fehlen. Auch das noch…
    Photo & Video Sharing by SmugMug
    Die NGO schickt jemanden los um den Lieferschein zu besorgen. Wir laden trotzdem schon mal das vorhandene Material auf den inzwischen angekommenen Transporter.

    Bevor der aber die 10 Meter auf das Gelände fahren darf, muss er sich laut Secutity aber noch anschnallen. Als wir dann die Module aufladen ist die Secutiry schon wieder zur stelle und ermahnt uns nicht ohne Helme und Handschuhe zu arbeiten. Etwas angepisst, weil die Helmpflicht, von der wir wissen, erst ab 1,8 Metern Arbeitshöhe gilt und die Handschuhe verdammt rutschig sind, laden wir alles auf und starten.
    In den Dörfern verstauen wir zusammen mit den Einwohnern alles sicher und dann ist es auch schon wieder dunkel.
    Was ganz angenehm war. Denn ich war wohl einer der ersten weißhäutigen Menschen in diesen abgelegenen Dörfern und die Kinder kamen aus ihrem Staunen, Starren und Flüstern gar nicht wieder heraus.

    Zurück im Affen Camp, wo man nach Angaben auf dem Lieferschein zwar alle Pakete erhalten hat, aber anscheinend nicht darauf aufpassen konnte, kamen wir langsam zum Anschein, dass hier mehr auf „safety“ als auf „security“ geachtet wird. Denn hier wird gezählt, wie „safe“ hier alle sind alle seit 184 Tagen sind. Der Secure-Zähler wäre wahrscheinlich schon im Minus versunken…
    Als Trost gibt es wie in amerikanischen Verhältnissen Eis, Cola, Chips, Cookies und täglich 3 mal Fleisch. Paradoxe Welt.

    Und wüsste man nicht, dass das Camp in Indien steht, könnte man sich auch denken man sei irgendwo in Amerika oder Europa.

    Am nächsten Tag stehen wir 3 zur vereinbarten Zeit (06:30 Uhr) auf der Matte. Die NGO Mitarbeiter rufen uns dann 20 Minuten später an und sagen, dass wir uns im Camp einen Fahrer suchen sollen. Sie sind noch zuhause.
    Verärgert fahren wir schon vor und fangen an die Module zu checken und zu installieren. Der erste Versuch, die Panels trotz der fehlenden Teile in einem Winkel von 30 Grad aufzustellen wird nach der Mittagspause abgeblasen. Ohne die fehlenden Teile geht‘s nicht richtig. Also installieren wir die Module in der Horizontalen und bauen die Konstruktion in Auroville noch mal nach. Ärgerlich, aber nicht anders zu lösen.

    Dann wird die Pumpe in den Brunnen gelassen. Der Wasserstand soll bei 30 Metern sein und der Brunnen insgesamt 70 Meter tief. Nach 47 Metern stoßen wir allerdings schon auf den Grund und lassen die Pumpe deshalb bei 45 Metern.
    Am darauf folgenden Tag schließen wir die Pumpe mit den Panels zusammen und testen sie. Sie läuft zum Glück und die Dorfbewohner sind zufrieden.

    Allerdings kommt schon nach einigen Minuten relativ braunes Wasser nach oben, was auf einen nicht gerade sauberen Brunnen hinweist.
    Ein Problem für uns, denn die Pumpe ist sehr sensibel was verdrecktes Wasser angeht. Langsam wird das Wasser aber wieder klarer.
    Nur nach 15 Minuten hört man plötzlich ein lautes „Klack“ vom Brunnen und der Wasserfluss ist unterbrochen. Der Trockenlaufschutz der Pumpe muss gegriffen haben denn die Stromverbindung ist intakt. Sie lässt sich manuell auch wieder einschalten.
    Das heißt es ist viel zu wenig Wasser im Brunnen. Als die NGO Leute eintreffen erzählen wir ihnen was los ist und was wir gemacht haben.
    Darauf hin sagt der Chef uns, wir sollen die Pumpe tiefer hängen sollen. Was wir ja schon am letzten Tag versucht haben. Aber das ist ihm egal. Später erfahre ich dann dass es gesagt hat, dass es ihm egal ist, was wir gemacht haben und gefälligst die Pumpe tiefer hängen sollen. Außerdem interessiert ihn nicht, ob wir unsere Arbeit effizient erledigen können, sondern in erst Linie, dass ob die Dörfler zufrieden sind. Na denn, Prost!
    Surprise, surprise: nach 2 Metern kommen wir wieder nicht weiter. Der Brunnen muss kollabiert sein und muss wahrscheinlich nachgebohrt werden.
    Wir fahren schon mal zum 2. Dorf und installieren dort alles soweit wir können. In 2 Stunden sind alle Module installiert. Auch diese sollen horizontal installiert werden, weil Teile der Alu-Konstruktion fehlen.

    Nur fehlen noch das Seil und das Pumpkabel. Beides sollte die NGO liefern.
    Wir fragen, ob die Sachen denn heute noch mal kommen werden.
    Nein, das Seil kommt erst morgen um 11 Uhr…

    Weil wir nichts mehr machen können, machen wir früher Feierabend. Ich muss mir noch ein früheres Zugticket zurück organisieren, weil wir erst abends am 1. Februar ankommen würden, wir Weltwärtsler aber an dem Tag schon unser 2. Seminar mit Hans-Peter haben.

    Rishi unser Chef bucht mir eins, was heißt, ich muss schon morgen Mittag abreisen.
    Schade, denn ich hätte die Projekte gerne noch zum Ende gebracht.

    An meinem letzten Tag holen wir die Pumpe wieder aus dem Brunnen. Die NGO, heute erstmals pünktlich, hat einen Generator und eine 2. Pumpe besorgt um den Brunnen zu testen. Aber schon als wir unsere Pumpe aus dem Brunnen haben ist klar, dass der Brunnen nur einen Wasserstand von 3-4 Metern hat und sicher neu gebohrt werden muss.
    Ich habe schon alle Gepäck dabei und verabschiede mich von den anderen, fahre mit unserem Fahrer zum Office der NGO, bekomme noch gutes Essen gebracht und werde dann zum bus stand begleitet. Als der Bus kommt, gibt unserer Fahrer dem Buskontrolleur Bescheid mich unter seine Fittiche zu nehmen und mich zum Bus nach Jhansi zu bringen, von wo aus mein Zug abfährt.

    Mir wird ein Sitzplatz im sonst überfüllten Zug gegeben und nach 3 Stunden hält der Bus auf der Straße und der Kontrolleur signalisiert mir, dass ich in den entgegenkommenden Bus steigen soll.

    Ohne den hätte ich und wohl auch niemand anderes es nach Jhansi gefunden. Auf der Fahrt kommt dann die wohl letzte Hiobsbotschaft. Rishi hat erst ein Zugticket für den 30. Januar, also übermorgen, reserviert. Geplant war eigentlich morgen.
    Da hätte ich also auch noch einen Tag länger bleiben können. Naja, jetzt habe ich noch einen Tag mehr in Jhansi.

    Was sich auch gelohnt hat. Am nächsten Tag hat man mich gleich auf eine Hochzeit hier um die Ecke eingeladen. Bisher kannte ich nur die Tamilischen Hochzeiten. Und die nordindische hier war total anders. Aber den Vergleich haben ich noch mal, wenn nächstes Wochenende mein Kollege heiratet.
    Jetzt sitze ich hier im Hotelzimmer und muss noch die Rickshaw für morgen früh zum Bahnhof bestellen. Debo hat gerade noch angerufen und erzählt, dass sie die 2. Pumpe kurz nach dem ich los musste installiert haben und sie gut läuft.

    Jetzt gucken sie sich noch die anderen zukünftigen Projekte an, damit diese dann richtig geplant werden können. Denn auf Angaben der Haritika-Leute können wir uns nicht verlassen. Dann läuft‘s beim nächsten Mal so wie bei diesem Mal.

    Alles in allen war es aber eine verdammt interessante, lehrreiche und schöne Reise!

    Fotos gibt’s noch hier: Monkey Business
    Und hier: Jhansi

    Noch zur Erklärung:
    Die Pumpen werden vom Unternehmen Rio Tinto bezahlt und in deren Auftrag von der NGO Haritika organisiert, die uns (Sunlit Future) wiederum damit beauftragten.

    Das Vorhaben von Rio Tinto, den Dörfern hier etwas Gutes zu tun, kann man wohl als Entschädigung dafür sehen, dass das Unternehmen in der Region, sobald es die Erlaubnis der Regierung bekommt, alles aufreißt und mit dem Mienenbau beginnt. Und das wohl nicht zugunsten der Dörfler. Auch wenn dabei Jobs geschaffen werden.


  2. Pongal, das indische Erntedankfest

    Januar 20, 2012 by Ehemaliger WWler

    Nach einer eher kurzen Nacht, unsere tamilischen Dorfbewohner ließen es sich nämlich nicht nehmen die ganze Nacht über Tempelmusik zu spielen und laute Schüsse abzufeuern, sind wir am Pongalmorgen früh aufgestanden, um uns gute Plätz für das auf neun Uhr angesetzte Kuhrennen zu sichern.

    Natürlich waren aber wieder mal indische Zeiten gemeint, sodass wir den Vormittag mit Warten und auf dem Pongalmarkt stöbern verbracht haben, denn wie es immer so ist, wussten die Inder selbst nicht, wann das Rennen tatsächlich stattfinden würde.

    Nachdem wir uns schließlich einen Platz in der Eisdiele Richy Rich ergattert haben merkten wir wie es plötzlich immer leerer um uns herum wurde. Gerade noch rechtzeitig haben wir gezahlt und uns auf den Weg zum Tempel gemacht, wo augenscheinlich schon das ganze Dorf plus Verwandschaft plus sämtliche Aurovillianer plus alle Touristen der Region, versammelt war. Glücklicherweise konnten wir uns aber noch gute Plätze sichern, dann ging es auch schon los.

    Erst wurden die über und über eingefärbten und mit Blumen, Girlanden und Luftballons sowie Postern von diversen Filmstars und -sternchen geschmückten Kühe vorgeführt, von einer ganzen Tempelprozession dreimal umwandert und gesegnet. Hierbei ließen es sich vor allem die jungen Kuhbesitzer nicht nehmen, sich auch gegenseitig einzufärben, was die meisten von uns eher an Fasching als ein Erntedankfest erinnerte.

    Anschließend wurden nach einem lauten Knall Unmengen von Bananen, Zitronen und anderen definierbaren und undefinierbaren Früchten und Gegenständen (zum Glück keine Kokosnüsse!!) in die Luft geworfen und dabei laut geschrien.

    Daraufhin fing auch endlich das eigentlich Rennen an, bei dem Kühe und Kälber die ganze Straße zurück ins Dorf getrieben bzw. gejagt wurden, was weder für Beteiligte noch Zuschauer (aufgrund einiger wilder, unkooperativer oder zieldisorientierter Kühe) besonders ungefährlich war. Das Ziel des Publikums bestand nämlich darin, den vorbeirennenden Kühen ihre Dekorationen vom Kopf zu reißen, die später wie Trophäen behandelt wurden.

    Das Spektakel war zwar von kurzer Dauer, wurde aber besonders durch die wie pubertierende Mädchen kreischenden jungen Tamilen, ein einzigartiges Erlebnis.

    Da den Kühen traditionell am heutigen Tag für ihre Dienste während des Jahres gedankt werden soll, haben die Tamilen zweifelsohne eine merkwürdige Art ihre Dankbarkeit auszudrücken. Besonders glücklich wirkten die meisten der panisch durcheinanderlaufenden Kühe jedenfalls nicht. Angeblich rannten die Kühe allerdings nur einem ausgewählten Festmahl entgegen…


  3. Zyklon „Thane“

    Januar 3, 2012 by Kaspar

    Der letzte Tag im Jahr und kein Strom, kein Wasser, kein Durchkommen. 
So sah es am Samstag (31.01.2011) nachmittags aus, als der Wirbelsturm „Thane“ mit 140 km/h über Auroville hinweggefegt war. Es war der schwerste Sturm seit 40 Jahren. Schlimmer hat es nur die Küstenbewohner und Pondicherry getroffen. In Auroville selber ist zum Glück niemand zu Schaden gekommen. 
Allerdings ist ein immenser Sachschaden zu sehen. Viele der einfach Holzhütten wurden vom starken Wind zerstört. Genau wie alles andere, das nicht niet- und nagelfest war. In Sadhana Forest sind so von Freitag auf Samstag die Hälfte der Unterkünfte weggefallen. 
Auch zerstört wurde die komplette Jahresernte auf den Farmen so wie auf den meisten Kokosnuss-Plantagen. Eine finanzielle Katastrophe für alle Bauern.

    In der Community Upasana ist ein Baum direkt ins Haus gestürzt, das schon vom Wind „abgedeckt“ wurde:

    Der Strom wurde aus Bedenken, der Sturm könnte das Netz wortwörtlich zusammenfalten, schon vorher abgestellt. Die Bedenken erwiesen sich jetzt als richtig. Einige der Masten sind einfach unter der Last in Zwei gegangen und andere wurden von herabfallenden Bäumen mit zu Boden gerissen.

    Ein Arbeiter befreit die herabgestürzten Stromleitungen von Bäumen: Photo & Video Sharing by SmugMug

    Wasser gibt es leider nicht, weil die Brunnenpumpen der Communities elektrisch betrieben werden. Einige Bewohner haben allerdings noch beides. Strom und Wasser. Sie besitzen in diesem Fall noch funktionierende Solarsysteme. Eigentlich eine sehr gut Werbung für die regenerative und dezentrale Energiequelle. Denn wenn man in Indien aus dem öffentlichen Netz Strom bezieht stammt dieser zu 70 % aus alten Kohlekraftwerken. Bis es hier wieder Strom und Wasser für alle gibt werden Schätzungen zu folge noch 2 oder eher 4 Wochen vergehen.
Dafür haben die meisten hier schon wieder freie Fahrt auf den Straßen. Diese waren am Samstagnachmittag unter den großen Massen an Gehölz nicht einmal mehr zu erkennen. Und passierbar waren sie erst recht nicht. Die kleineren Pfade und Wege müssen aber noch eine ganze Weile auf ihre Helfer warten.

    Eine Stromtrasse hängt direkt über der Straße:

    Eine Familien fahrt auf der schon freigeschnittenen Route durch Auroville:

    In der Silvesternacht folgte dann noch eine Hiobsbotschaft: Tsunamiwarnung
    Wie sich einige Stunden später herausstellte zum Glück ein Fehlalarm. Puh, das hätte gerade noch gefehlt.
Vermutlich ausgelöst durch das starke Beben in Tokyo, Japan. Uns geht es aber soweit ganz gut und wir haben alle ganz gut zutun dem Chaos hier Herr bzw. Dame zu werden. Einige von uns waren auch zum Zeitpunkt des Sturms verreist und sind es teilweise immer noch. Am Ende kann man wohl nur noch mal sagen, dass Indien immer eine Überraschung bereit hält.

    Weitere Infos:
    Süddeutsche Zeitung
    Auroville.org – Cyclone
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