Ich habe mir vorgenommen in Zukunft immer über ein eingeschränktes Thema zu schreiben, denn das Grundproblem ist eindeutig, dass es viel zu viel zu berichten gibt und das Erzählen leicht unübersichtlich wird und zu lang und …
Dieser Blogeintrag wird von meiner Wohnsituation berichten mit Fokus auf das ungewohnte Indische daran und dabei indirekt erzählen wie gut es mir hier geht. 🙂
Ich wohne in Auroville aktuell im „Bamboo Research Center“ in einer Hütte, die fast gänzlich aus Bambus gebaut ist (nur der Boden besteht aus Holzplatten und es gibt Mückennetze und Gardinen aus anderem Material). Das Bamboo Research Centre ist quasi fast im indischen Dorf „Kottakarai“ und liegt im Norden Aurovilles ganz nah an einigen Projekten zum Beispiel der Musikwerkstatt „Svaram“ und der Farm „Windarra“. Das Bamboo Research Centre ist ein besonders großes Projekt in Auroville. Bis zu 30 Leute arbeiten hier und in dem Partnerprojekt Mohanam. Das Grundstück ist ziemlich groß. Es gibt einen „Showroom“ für den Verkauf der Bambus-Produkte, ein Büro, ein paar Werkstätten und einige Bambusgebäude unterschiedlichster Funktion (neue Technik des Baus ausprobieren bis Musikpavillion für die Trommelgruppe). Um auch die Möglichkeit zu nutzen, dass Freiwillige, die es viel in Auroville gibt (für uns mittlerweile eine Selbstverständlichkeit: überall junge Leute, die das gleiche machen wie wir, bloß meist kürzer also nur wenige Monate), damit diese Freiwilligen hier vor Ort mithelfen, wurden in den letzten Jahren mehrere Wohnhütten gebaut. Es gibt zwei Hütten komplett aus Bambus, eine aus Bambus mit Lehm, eine weitere die noch nicht fertig ist und zwei „Kapseln“, also Stelzenhäuser, die traditionell ein Dach aus Palmenblättern haben.
Da die Hütten alle nicht bewohnt waren, hatten wir das Glück, dass, obwohl nur eine von uns „Weltwärts“-Freiwilligen hier im Projekt arbeitet, ganze 5 von uns hier wohnen können. Das ist echt spitze, denn der Ort ist wunderschön und wir haben hier ganz viele Möglichkeiten unser eigenes kleines Dorf (der Platz erinnert irgendwie an ein Schlumpf-Dorf) zu gestalten. Zwischen den 6 Hütten und dem Haus von Walter, der hier als einziger richtig auf dem Grundstück wohnt, wachsen Bananen- und Papaya Bäume, jede Menge Bambus und ganz viel was wir noch nicht erkennen (auch sehr schöne Blumen!). Wenn hier die Regenzeit los geht, wird außerdem Gemüse angebaut werden, aber aktuell ist der Boden dafür noch zu trocken. Es gibt zwei große Steintische, aber nur wenige Stühle (wir werden wohl ganz bald mehr bauen, denn der Bedarf ist da!) und neben meinem Häuschen ein paar Wäscheleinen und einen Wasserhahn. Ansonsten gehört zu unserem Wohnen noch dazu: Die Küche, die unter der einen „Kapsel“ ist und ein Duschhäuschen mit den typischen indischen Klos etwa 30 Meter entfernt sowie eine echte „Western Toilet“ neben den Hütten. Klopapier gibt es nicht und zum Duschen reicht eigentlich ein Eimer mit kleinem Schöpfeimer dazu, in denen oft Frösche, die wir dann retten, sitzen, wenn wir abends oder morgens duschen. Der Weg zum Duschhäuschen ist abends immer hübsch „dekoriert“: mit vielen Glühwürmchen. Und wir werden wohl bald das Häuschen von Innen dekorieren, denn ich habe Farbe organisiert und nachdem ich mein Gebrauchtfahrrad aufhübsche werden wir dann mit den Farben dort an den Wänden mal schauen, was wir so künstlerisch draufhaben. Zu der Küche ist zu sagen, dass es wenig Geschirr und Küchenzubehör gibt, hauptsächlich die typischen Teller und Töpfe aus Blech (?) und einen Gasherd mit zwei Flammen. Ansonsten besteht die Küche aus einer großen Steinarbeitsfläche und einem solchen Becken mit Wasserhahn. Wir haben einen eigenen Wasserfilter und sogar einen Kühlschrank!
Bambushütten, die wichtigen sanitären Einrichtungen und einen „Dorfplatz“ als Treffpunkt für alles: von Essen über Wäschewaschen über einander die Harre schneiden über Wunden versorgen (schon Schürfwunden müssen wir hier aktuell noch peinlichst genau behandeln, damit wir uns nichts einfangen an Entzündung und Infektionen) über Tamil mit den „Ammas“ üben bis zu im-Regen-Tanzen. Mehr brauchen wir nicht zum Glücklich wohnen!
Der Luxus ist das W-Lan, das wir mitnutzen können und liebe Leute, die sich hier um ihre Mieter sehr gut kümmern. Es gibt sogar eine Pinnwand für Beschwerden und Wünsche.
Meine Hütte seht ihr auf den Bildern (klappt grad nicht mit dem Hochladen, das Internet ist hier sehr langsam). Mittlerweile ist sie der Inbegriff der Gemütlichkeit. Sobald ich neue Stühle gebaut habe und meine Hängematte, die ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe, auch aufgehängt habe, wird es noch besser! Mein Bett habe ich gleich am ersten Tag umgestellt, sodass es geräumiger ist und mittlerweile schaffe ich es, das Mückennetz so dicht zu halten, dass ich ungestört durchschlafen kann (Mückenstiche jucken hier etwa eine halbe Stunde echt mega doll…). Die Wand besteht aus geflochtenen Bambusmatten und stabilen Bambusstangen und ich kann super Postkarten und andere Deko sowie den Auroville-„Stadtplan“ befestigen. Es gibt in meiner Hütte auch einen Spiegel der mit dicken in Edding geschriebenen Buchstaben verkündet „YOU LOOK FINE!“. An der Wand ist eine „Electric“-Leiste mit Lichtschalter für drinnen und draußen und für die Regelung von dem Ventilator (!!), der unter der Decke hängt und zum An- und Ausschalten der Steckdose! Für Klamotten gibt es eine Kleiderstange und ich bin froh über meine wasser- und insektendichten Beutel (mitgebrachter Outdoorkram). Insgesamt ist Aufhängen eigentlich die Aufbewahrungsart, die in Indien Sinn macht, auch insbesondere in den Kapseln, in denen ja einige andere Freiwillige wohnen (auch auf den Farmen). Zwei kleine Regale an der Wand beinhalte daneben alles was ich besitze. Dazu kommt ein Schreibtisch, der immer mit Tamil-Lermaterialien, Indienreiseführern, adressierten Postkarten und anderem Papierkram beladen ist, aber nie genutzt wird. Der Grund ist unter anderem, dass ich noch keinen Stuhl in optimaler Höhe gefunden habe (in Indien ist einfach nichts genormt). Der Boden ist mit Bambusmatten ausgelegt, die ich alle paar Tage mal ausschütteln muss, denn ich trage doch viel Sand hier herein und den Ameisen will ich auch keine Chance geben sich hier heimisch zu fühlen. Auf dem Boden steht meine „Schatzkiste“ mit Kerzen und Räucherstäbchen und neben der Tür meine paar Teller und Tassen, die trocknen und meine Fahrradttasche mit den 10-15 Dingen, die ich immer überall mithinnehme (darunter Sonnenbrille, Wunddesinfektionsspray, eine große Wasserflasche, Tamil-Vokabelkarten, Taschenmesser, Taschenlampe, Feuerzeug, meine Auroville-Card, das Portemonnaie,…) und mein Fahrradhelm (! Super Alternative zum Sonnenhut)
In meiner Hüte kann man super schlafen und richtig gut auf dem Boden sitzen und mit Freunden plaudern oder Blogeinträge schreiben oder lesen oder einfach den Tag „verdauen“ oder wieder einmal Ordnung schaffen, damit es gemütlich bleibt. Aber das Leben spielt sich eigentlich draußen ab!
In der Tür sitzend schreibe und lese ich und lerne insbesondere morgens Tamil (das macht Spaß ist aber ein echt große Herausforderung!). Außerdem ist das der perfekte Ort zum Frühstücken, wenn es regnet und praktisch zum Wäschewaschen (mit Hand in zwei riesigen rosa Eimern! :-))
Und draußen… wird gefrühstückt, Mittagspause gemacht, Abendgegessen, die Vegetation gegossen, die Hunde möglichst ignoriert, die Hühner und Truthähne beguckt (besser ist kein Fernsehen!), und und, und und…gelebt! Das indische Leben spielt sich draußen ab und zwar nicht jeder für sich, sondern gemeinsam!
Sogar das morgendliche Aufstehen ist so, dass wer als Erster aufwacht beim Gang zum Bad bei allen mal vorbeischaut und sichergeht dass keiner verschläft. Dann kommunizieren wir meist quer über den „Dorfplatz“, was es zum Frühstück geben könnte, wer schon einmal Heißwasser aufsetzt, wer welchen Tee möchte und welche Früchte heute angeschnitten werden. Bis etwas halb neun sitzen wir dann mehr oder weniger vollständig am Tisch und steigen dann auf Motorräder, Mopeds und Fahrräder, um unsere kleine Idylle zu verlassen und in den Arbeitstag zu starten. Mittags kommen wir manchmal zurück und schmieren uns beispielsweise ein Brot mit Avokado und essen ein paar Minibananen (das sind hier die regionalen! Gerade wächst vor unserer Küche eine gigantische neue Blüte…). Dann wird mittags auch nicht selten neu Eingekauftes in der Küche verstaut, Wäsche gewaschen, der Boden vor den Hütten gefegt, die Ameisen aus den Hütten rausgefegt und schließlich mit dem Luxus der Ventilatoren in den Hütten die Mittagspause genossen. Da ist es einfach schön seine 4 Wände zu betrachten, sich zu Hause zu fühlen und allen Lärm draußen zu ignorieren oder sich über das bunte chaotische Leben einfach zu freuen, denn an sich ist hier tagsüber Trubel und ein ganz guter Lautstärkepegel (diskutierende Frauen, Tassengeklimper, Maschinendröhnen, Hundebellen, …) , denn wir wohnen hier zwar, aber hier wird richtig hart gearbeitet in den Werkstätten und davor und zwischen unseren Hütten und in der Küche (Tee für alle Arbeiter,…).
Wenn wir abends wieder kommen, dann sind alle schon weg und wir wundern uns. Unser Reich! Es dämmert dann schon bald und wir müssen gut Mückenzeug nutzen, damit die uns nicht auffressen. Fast jeden Abend gibt es Wetterleuchten und dann Sterne oder tolle Wolken zu bewundern. Und es wird wohl noch häufiger vorkommen, dass wir besonders am Sonntagabend hier in großer Runde (Weltwärtsler, andere deutsche Freiwillige, andere neue Freunde, Freunde von Freunden) sitzen und ein paar von uns für alle kochen, in der indischen Küche, die noch immer so ungewohnt ist. Langsam sammeln wir uns einen Vorrat an Gewürzen an und es gibt jetzt auch schon ein paar Messer, Schälchen und praktische Küchenhilfen (sogar einen Mixer!). Den Dampfkochtopf für das indische Essen leihen wir noch aus, aber mit der hier typische Eisenpfanne kann man sogar ganz passable Apfelpfannkuchen machen. Wenn hier gekocht und gemeinsam gegessen wird dann wird gelacht, erzählt, vielleicht sogar Bier oder Whiskey getrunken (Wenn das jemand aus Pondy mitgebracht hat), Jemand spielt Gitarre, Zeit genossen, … Der Mond betrachtet unsere Runde, die „watch-Männer“, die hier auf das Grundstück aufpassen, schauen mal vorbei ….und irgendwann werden zumindest die Mädchen noch in Begleitung nach Hause gefahren.
Nach dem Motorengeräusch der abreisenden Freunde bleibt das Grillen und Zirpen der Insekten, das Bellen der Hunde, Vögel, die urwaldmäßig musizieren, Kleintiere, die rascheln und über die Dächer spazieren, und für uns noch immer ungewohnte Geräusche aus dem Dorf zum Beispiel Trommeln und Tempelmusik. Zufrieden, satt und ziemlich erschöpft von so vielen Erlebnissen kann ich dann einschlafen und werde morgens auch von einer ähnlichen indischen Geräuschkulisse und der Sonne wach. Ein neuer Tag- herrlich!
P.S.: Ich hab immer noch nicht alle Geburtstagsgrüße lesen können, schlicht weil der Server hier überfordert ist und das Internet ewig lahm… naja, die indische Infrastruktur halt J
Aber ich lasse mich einfach überraschen was der nächste Tag mit sich bringt und genieße das Abenteuer Indien! Ich hoffe ihr habt Spaß das mit zu verfolgen.