Jetzt bin ich schon seit einem Monat in Indien, doch ich habe das Gefühl wenig mit der indischen Kultur in Kontakt zu kommen. Auroville mit all seinen Vorzügen scheint im Moment nicht die Brücke sondern eher eine Barriere zwischen tamilischer und westlicher Kultur zu sein. Generell sind meine Eindrücke von Auroville anders als erwartet. Es ist noch zu früh um darüber zu urteilen, aber man merkt recht schnell wie weit Ideal und Realität teilweise von einander entfernt sind. Gerade der Einheitsgedanke ist in meinen Augen kaum umgesetzt und man hat ein bisschen das Gefühl, dass sich die vielen Communities und deren Bewohner untereinander wenig unterstützen bzw. wenig Interesse daran besteht Gemeinsamkeiten zu haben. Ich habe auch schon interessante Gespräche mit Aurovillianern gehabt, die mir meinen (ersten) Eindruck bestätigen konnten.
Obwohl ich jetzt mit Kritik angefangen habe, überwiegen meine positiven Eindrücke und das Leben hier ist einfach sehr schön. Vorgestern war ich bei einer „Sandbag-Party“ in einer der zahlreichen Beachcommunities. Seit dem Tsunami von 2010 wird da der Strand kontinuierlich abgespült und die ersten Hütten sind der Strömung schon zum Opfer gefallen. Versuche die Strömung zu „brechen“ sind gescheitert und haben das Problem nur ein paar hunderte Strandmeter weiter verschoben. Der Strand ist jetzt geschätzt nur noch 3 Meter breit und das Wasser gräbt sich immer weiter in Richtung der Hütten. Am Sonntag haben wir deshalb Sandsäcke befüllt, zugenäht und mit einer Kontruktion aus tief im Sand vergrabenen Steinen und daran verketteten alten Fahrradreifen am Strand fixiert. Die Barriere soll optimaler Weise die ankommenden Wellen brechen und so das starke Abspülen verhindern. Die Aktion haben Tamilen geleitet die sowas offenbar schon öfter gemacht haben. Bei dieser Gelegenheit hab ich auch mal im Meer gebadet, was sehr angenehm bei der Hitze war. Ich haben sich natürlich auch prompt ein paar Mückenstiche am Fuß entzündet. Ist aber nicht weiter Schlimm 😉 Danach gabs noch Pizza und nen kühles Bier (Kingfisher oder so).
In der Nacht sind dann schon die ersten Sandsäcke von der Strömung weggespült worden, weil sie durch die Reifenkontruktion entweichen konnten. Man könnte natürlich auch ein Fischernetz davor spannen, aber da stößt man auf ein indisches Grundproblem: Es wird viel geklaut, vor allem wenn mans gut gebrauchen kann: Und ein Fischernetz wird am Strand immer gebraucht. Auch Benzin wird gebraucht: Das wird einem oft abgezapft, wenn man sein Motorrad mal für kurze Zeit im Dorf allein lässt. Mir ist auch schon einmal der Sprit geklaut worden und es ist auch nicht weiter schlimm, weil man ja weiß wie man es verhindern kann: Ein Tankschloss für rund 20 Euro oder einfach vermeiden sein Motorrad an gefährdeten Plätzen zu parken.
Ich arbeite momentan bis 5 Uhr und um halb 7 ist es dunkel, daher neigt man hier schnell dazu viel zu planen und vorzuhaben, obwohl es einem gut tun würde einfach mal in der Hängematte zu entspannen. Das nächste größere Vorhaben steigt am 4. Oktober. Da gehts in ein 5 Sterne Hotel nach Chennai. Der „deutsche Konsul“ lädt ein zu einem „edlen Dinner“, alles bezahlt natürlich, um mit seinen deutschen Freiwilligen mal so richtig zu glänzen. Auf der prunkvollen Einladung mit einem güldenen Adler vorne drauf ist natürlich auch der Dresscode erwähnt, so richtig edel mit „Lounge Suit“ sollen wir auflaufen und ganz unindisch die Schuhe anbehalten. Den Suit haben wir natürlich auch alle dabei, ist ja quasi Indiens zweitverbreitetes Gewandt nach Sari und Dhoti. Man munkelt auch das deutsches Essen eingeflogen wird. Insgesamt starker Kontrast zum indischen Alltag, aber trotzdem fahren wir alle hin: Ist ja gratis..
Mal schauen ob ich es schaffe Berichte dieser Länge monatlich zu schreiben und ich hoffe, dass ich keine Erwartungen getrübt habe weil ich nicht jeden Tag schreibe, was es zu essen gab und wie das Wetter war.
Liebe Grüße aus Auroville!
PS: Ich füge auch noch ein paar Bilder vom Strand hinzu, wenn ich sie bekommen habe.
Lieber Leo,
danke für deinen sehr interessanten Bericht!!
Hoffentlich hält die Sandsackblockade noch ein bisschen!
Alles Liebe, Mama