Ratter ratter ratter…die letzten Minuten im Zug. Verschlafen blinzelt man in den frühen Morgenstunden aus dem Zugfenster und versucht schon einen Blick auf die riesige Stadt zu erhaschen.
In Mumbai gestrandet. Halb fünf. Zwei Reisende am alten Hafen beobachten den Sonnenaufgang und das Aufwachen der Stadt. Die ersten Menschen auf den Straßen. Es sind doch teilweise recht merkwürdigen Menschen, die um diese Zeit durch die Straßen laufen. Einen besonders amüsanten Anblick bietet ein älterer Herr, der den Eindruck macht, direkt aus dem morgendlichen Training der indischen Armee zu kommen; mit strammer Haltung oder soll ich lieber sagen mit Stock im Hintern, marschiert er zielgerichtet die Uferpromenade entlang. Wir können uns ein Grinsen nicht verkneifen. Wenige Minuten später läuft er wieder an uns vorbei. Was tut er?! Kann er denn nicht schlafen?!
Als sich immer mehr Leute dazugesellen und die Hafenpromenade auf und ab laufen, wird uns klar, hier wird sich sportlich betätigt. Mumbai Walking. Dieses Phänomen konnten wir in den nächsten Tagen auch auf der Westseite in der Back Bay beobachten. Jeder schüttelt was er hat und läuft morgens oder abends die ganze Promenade entlang. Mumbai Walking wird in den verschiedensten Bekleidungen betrieben. Hier sieht man eine ältere Frau in Sari, da zwei Damen in Churidad und in der Ferne sieht man einen Herrn in Sportanzug flotten Schrittes heran nahen. Doch eins haben sie gemeinsam: den Turnschuh!
So standen wir am alten Hafen und ließen unsere Blicke schweifen. Kaspars Kommentar zum Gateway of India: „Nein, das ist niemals das Gateway of India. Viel zu klein!“ So kann’s kommen. Dass die berühmten Sehenswürdigkeiten vor bloßem Auge dann doch nicht mehr so beeindruckend sind.
Es vergeht der Morgen und nachdem die Bäuche gefüllt sind und das Schlafpensum etwas nachgeholt wurde, heißt es „Chello!“, was soviel bedeutet wie „Los geht’s!“ und wir machen uns auf Entdeckungstour durch das Stadtviertel Colaba. Colaba liegt an der südlichen Spitze von Mumbai und grenzt an die Altstadt Fort, die durch beeindruckende Bauten der Kolonialzeit geprägt ist. Die Hauptader Colabas ist der Colaba Causeway, der in den frühen Stunden noch menschenleer, im Laufe des Tages aber immer voller wird und von etlichen Geschäften und Straßenständen gesäumt ist. Es herrscht reges Treiben und beim Durchlaufen hört man nur noch: „Yes, Madame“, „Yes, Sir“, „Just have a look“. Die östlich vom Causeway ablaufenden Straßen machen mit ihren mächtigen Banyan-Trees und die Sicht auf die blaue Bucht einen majestätischen Eindruck.
Loriot würde da nur sagen: „Ach ist das schön…ach ist das schön…ach ist die Stadt schön grüüün!“
Läuft man durch die grünen Straßen weiter Richtung Norden kommt man zum Taj Mahal Palace und Tower, Mumbais teuerstes Hotel, und zum Gateway of India. Eine Straßenecke weiter findet man leckere Essenstände und einem Pub, in welchem bei köstlichem Bier und gutem Essen geschnackt werden kann.
Schon nach wenigen Tagen laufen wir einem Typen übern Weg, der uns „einlädt“ einen Tag beim Dreh eines des größten und tollsten Bollywood-Films als Statisten mitzumachen. Da wie viel Zeit in Mumbai haben, war die einzige Frage, die sich uns stellt: Warum eigentlich nicht?!
So kam es dazu, dass wir am nächsten Tag um 10 Uhr morgens mit circa 15 anderen Weißen im Bus durch ganz Mumbai gekarrt wurden.
Eine interessante Fahrt mitten durch die Millionenstadt unter Hochstraßen und an Wolkenkratzern vorbei. Es verging die Zeit und man wurde sich dem Umfang der Stadt erstmals so richtig bewusst. Endlich nähern wir uns dem Ziel. Wir alle wissen nicht, was uns erwartet und sind sehr irritiert, als wir mit dem Bus plötzlich durch ein Slumviertel fahren. Wo soll denn hier ein Bollywood-Film gedreht werden, stellt sich uns da die Frage. Die Antwort kommt sogleich, denn wir stehen vor einem riesigen Tor. Dahinter befindet sich nichts anderes als ein riesiges Filmstudio. Dass ist nur einer von vielen Momenten, in denen man ganz deutlich merkt, welche extremen Gegensätze die Millionenstadt birgt.
Einen ganzen Tag verbrachten wir als tanzender Hintergrund einer Barszene, wurden mit Essen versorg und erlebten, wie es hinter den Kulissen aussieht. Es stellte sich auch heraus, dass es natürlich nicht der größte Bollywoodfilm war, der jemals gedreht worden ist. Was für eine Überraschung! 12 Stunden später werden wir mit einem kleinen Gehalt in der Tasche wieder zurück gebracht. Es war durchaus eine witzige Erfahrung, auch wenn man danach weiß: das muss nicht nochmal sein.
Jeden Tag lässt uns Mumbai wieder seine Gegensätze spüren. Sei es wortwörtlich auf der Haut, wenn man aus der Hitze in ein viel zu stark klimatisiertes Café kommt und das Bedürfnis hat, sich einen heißen Tee zu bestellen oder bei einem Ausflug nach Elephanta Island, eine Insel mit alten Höhlen, ursprünglich von buddhistischen Mönchen gebaut, heute eine Stätte zur Verehrung des Gottes Shiva, wo einem auf der Bootsfahrt dahin ein wunderbarer Blick auf ein Atomkraftwerk und darum liegende Kohlekraftwerke geboten wird.
„Das stört keinen großen Geist!“ würde Karlsson vom Dach in dem Fall jetzt sagen!
Nach einigen Tagen entdecken wir das Goethe Institut. Es war, als würde man in eine andere Welt eintauchen. Und gleichzeitig in eine uns Vertraute. Neben Räumen für Sprachkurse hat das Institut auch eine Bücherei, wo man nach Belieben in deutscher Literatur schmökern kann. Dort gehen wir dann auch gleich an zwei Tagen hintereinander hin, um unsere Nasen genussvoll in Die Zeit zu stecken. Die deutschen Temperaturen hätten sie sich allerdings auch sparen können! Wir konnten es uns aber trotzdem nicht verkneifen einige Exemplare mitzunehmen.
Mit viel Zeit im Gepäck geht’s weiter. Das Leben genießen, in vollen Zügen 😉
Auf nach Bangalore. Tik he?!
Mumbai City Pulse Video: