In der Sommerausgabe des Auroville International Deutschland Rundbriefs 2015 erschien folgendes Interview mit der gebürtigen Aurovilianerin Kavitha, geführt von einem ehemaligen Weltwärtsler. Zwar hat sich seit dem bei Youthlink einiges getan, aber um das Projekt, dessen Aktivitäten sich auch an aktuelle Weltwärtsler und ehemalige Voluntäre in Deutschland wendet, vorzustellen, bietet der Artikel einen guten Überblick. Viel Freude beim Lesen!
Matthias: Kavitha, Du bist vor kurzem von deinem Studium im Ausland zurückgekehrt und arbeitest jetzt in Auroville mit Youth Link. Wie gestaltete sich deine Rückkehr nach Auroville und wie kam es zu deiner Mitarbeit bei Youth Link?
Kavitha: Ich kam nach dem Abschluss meines Studiengangs „Globale Herausforderungen: Nachhaltige Entwicklung“ in den Niederlanden nach Auroville zurück. Es war ein fantastisches Studienprogramm, aber ich hatte immer dieses merkwürdige Gefühl, einfach dadurch, dass ich in einer intentionalen, internationalen, Ökodorf-artigen Gemeinschaft, die ich mein Zuhause nenne – Auroville – bereits mehr gelernt hatte. Als ich zurückkehrte, erkundete ich verschiedene Aspekte der Gemeinschaft. Dazu zählte eine Arbeit als Vertretungslehrerin in der New Era Secondary School, Fundraising sowie die Untersuchung unserer „Integralen Bildung“ und wie sie über Auroville hinaus in die indische Gesellschaft ausstrahlt. Die New Era Secondary School (NESS) leistet mit ihrem auf Aktivitäten ausgerichteten, Kind-zentrierten CBSE-Programm [CBSE= Central Board of Secondary Education] großartige Arbeit. Das CBSE-Programm ist eines der innovativsten Bildungsprogramme Indiens. Andere Schulen, die das CBSE-Programm anbieten, orientieren sich an NESS und übernehmen die Perspektive der integralen Erziehung. Das war eine aufregende Erkenntnis. Danach habe ich beim Auroville Entry Service gearbeitet. Dabei saß ich in der Town Hall, um die politische Organisation und Entwicklung unserer Stadt besser zu verstehen. Da ich Kommunikation liebe, landete ich auch beim Auroville Today Magazin, für das ich gelegentlich Artikel verfasste und eine Menge über unsere neuen Entwicklungen lernte.
Letztendlich fand ich mich in Pitchandikulam wieder, wo ich begeistert ein florierendes Zentrum für nachhaltige Entwicklung vorfand. Dort fielen mir zwei Projekte ins Auge, nämlich „Sustainable Enterprise Development in the Auroville Bio Region“ (SEDAB), für das ich die Verantwortung im Bereich Kommunikation übernahm. Dieses Projekt arbeitet daran, „Green Enterprise Solutions“, also Produkte aus dem Bereich der pflanzlichen Medizin und biologischen Nahrung wie Spirulina nach Indien zu bringen. Diese Produkte werden jetzt von Frauen hergestellt, die unter der Armutsgrenze lebten und nun ihr eigenes Einkommen verdienen können. Das SEDAB-Projekt erforscht eine integrale ländliche Entwicklung, die wir in all ihren Aspekten experimentell untersuchen. Die indische Regierung ist nun an Auroville herangetreten und möchte in Zusammenarbeit mit uns ein Institut für Nachhaltige Lebensgrundlagen (Sustainable Livelihood Institute) gründen. Als ich davon hörte, war ich unglaublich enthusiastisch, da ich in den Niederlanden genau darüber in meiner Abschlussarbeit geschrieben hatte, in der ich die Forderung erhoben hatte, dass es in jedem Ökodorf ein „Zentrum für Fertigkeiten & Dienste“ („Skills & Service Center“) geben sollte, das das Wissen der Gemeinschaft mit seinen Nachbarn und seinem Land teilt. Es war für mich also eine große Erleichterung und ein Aufruf zur Mitarbeit, dass Akademiker und geniale Köpfe in Auroville an so etwas arbeiteten. Mir wurde jedoch klar, dass so ein Institut, das im Grund eine Plattform für Bildung und einen Campus darstellt, der Beteiligung der Jugend bedarf – entweder als Studenten, Trainer oder fachliche Berater. Aber ich musste innehalten: Meine Freunde und ich waren uns nicht sicher, ob die Jugend Aurovilles für diese Entwicklung bereit und überhaupt vor Ort war!
Matthias: Wie hat sich die Auroville Jugend am Auroville Retreat und jetzt an Youth Link beteiligt?
Kavitha: Auf dem Auroville Retreat repräsentierten 10 Aurovilianer die Jugend. Vor dem Retreat hatten wir im Youth Center oder an anderen Orten viele Treffen abgehalten, um Ideen zu sammeln. Wir veranstalteten auch ein „Festival der Ideen“, bei dem wir feststellten, dass die meisten Aurovilianer mit den Themen Housing (Wohnungs-Situation), Employment (Arbeitsmarkt) und Education (Bildung) – besonders für die Jugend – befasst waren. Nach dem Retreat präsentierten wir unsere Themen noch einmal bei SAIIER, woraufhin sich ca. 40 junge Aurovilianer anmeldeten, um mitzumachen und wir 35 ältere Mentoren gewannen, die uns unterstützen wollen. Wir bemühen uns immer noch darum, dass sich dieses Potenzial entfalten kann. Wir sind bei Youth Link jetzt vier Koordinatoren und zwei von uns bekommen eine Maintenance, um die Arbeit in Vollzeit zu bewältigen. Wir sind eine Kerngruppe von 10 bis 15 Mitgliedern. Wir treffen uns wöchentlich und erarbeiten Projekte und Aktivitäten mit der Jugend. Wir sind sehr glücklich darüber, mit den drei Jugendgruppen der Dörfer Kuilapalayam, Edyanchavadi (genannt „Kamban“) und dem Mohanam Kulturzentrum in Kontakt zu stehen.
Matthias: Warum sind Housing, Employment und Education für die Auroville-Jugend wichtige Themen?
Kavitha: Ganz einfach gesagt, verfügen wir nicht über genügend Wohnraum für die Jugend und unsere bereits existierenden Jugend-Wohnprojekte könnten etwas Hilfe gebrauchen. Wir hoffen, die Jugend an der Schaffung von Unterstützergruppen für diese Projekte und an der Ausarbeitung neuer Projekte zu beteiligen. Beispielsweise möchten wir, dass junge Unternehmer und Architekten neue Projekte umsetzen und sich an der Stadtplanung beteiligen. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten. Es herrscht jedoch die Haltung vor, dass junge Leute zunächst als „Volunteers“ anfangen sollten oder nicht die benötigten Fähigkeiten für bestimmte Aspekte der Arbeit für die Gemeinschaft mitbringen. Wir hoffen, diese Hindernisse zu überbrücken. Beispielsweise ermutigen wir die Öffnung der Arbeitsgruppen (Working Groups) für Praktika, entwickeln neue Ausbildungsprogramme sowie Möglichkeiten zur Information über offene Stellen – irgendwann über eine Online-Plattform. Was Bildung anbelangt, verfügt Auroville über eine Infrastruktur und Institutionen bis zum Abitur. Danach musst du entweder Auroville verlassen, um weiter zu studieren oder – wie viele der Jugendlichen es ausdrücken – du „bleibst hängen und wirst zurückgelassen“. Die Budgets unserer Stipendien sind klein, Auroville zu verlassen ist relativ leicht, aber für viele ist Hochschulbildung zu einem Kampf und durch die schwere Bürde der Studienkredite zu einem Privileg geworden.
Matthias: Kannst du uns die Vision von Youth Link beschreiben?
Kavitha: Unsere Vision ist eng mit der Auroville Charta, speziell mit der „nie endenden Bildung und einer Jugend, die niemals altert“ verknüpft. Außerdem sehen wir unsere Mission als Teil der globalen Vernetzung und wollen durch unsere Arbeit Projekte zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen ermutigen.
Matthias: Fühlt ihr euch als junge Aurovilianer in euren Aktivitäten von Youth Link durch die Gemeinschaft unterstützt?
Kavitha: Obwohl wir so schnell und erfolgreich in Auroville aufgetaucht sind – was bedeutet, dass es einen eindeutigen Bedarf für mehr Beteiligung und Initiativen der Jugend gibt – hatten wir Probleme, dafür Unterstützung zu finden. Bei der älteren Generation findet sich die Einstellung, die Jugend sei „faul und unfähig“, während es in der Jugend eine Einstellung gibt, die man als „anti-Establishment“ bezeichnen könnte. Diese Einstellungen versuchen wir jedoch abzubauen. Wir wollen Brücken bauen, indem wir die Jüngeren dazu ermutigen, ein Verständnis für all die von unserer Eltern-Generation geleistete harte Arbeit zu entwickeln und unsere Ältesten ermutigen, die Jugend in einem positiveren Licht zu sehen.
Matthias: In welcher Beziehung steht die Auroville Jugend zu Auroville und seinen Idealen?
Kavitha: In vielen Diskussionen unter uns Jugendlichen kommen wir auf das Grundlegende zu sprechen und stellen uns Fragen wie „Warum sind wir von den Idealen Aurovilles so abgetrennt?“ und „Warum haben wir unseren Sinn für Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit verloren?“ Wir haben keine Antworten, aber wir sind sehr daran interessiert, vom Herzen aus daran zu arbeiten, den Spirit der Pioniere wiederzuerlangen … durch Ermutigung zum gegenseitigen Schenken und dienstleistungsorientierte Arbeit in der Gemeinschaft … und über die Ermunterung zur Reflexion über die Frage „Warum Auroville?“
Matthias: Warum ist die Vernetzung über Auroville hinaus ein wichtiges Ziel von Youth Link und wie kann diese gestaltet werden?
Kavitha: Wir würden uns gerne stärker mit der Welt, mit Auroville International, dem Globalen Ökogemeinschafts-Netzwerk GEN, den Vereinten Nationen, Universitäten etc. vernetzen. Wir sind uns der Erfolge und Stärken Aurovilles sehr bewusst, aber auch unserer Limitierungen. Wir können noch eine Menge von anderen Gemeinschaften und Individuen aus aller Welt lernen. Da Auroville jetzt wiederaufgeforstet ist und über einiges an Infrastruktur verfügt, ist das nächste anzustrebende Ziel, Auroville mit der Welt zu vernetzen und in den existierenden Netzwerken präsent zu sein. Dazu möchten wir ermuntern. Der beste Weg, uns zu inspirieren, liegt in der Erfahrung anderer positiver Experimente und der einzige Weg, weiter zu wachsen und zu lernen, liegt im Willkommen heißen dieser positiven Energie und in der Offenheit, andere Orte zu besuchen, um von ihnen zu lernen. Die finanzielle Frage stellt immer eine Einschränkung der Reisemöglichkeiten dar, aber wir würden gern zu anderen Formen der Unterstützung eines solchen Austauschs motivieren. Wir hoffen, dass junge Leute aus dem Netzwerk der Auroville International Center mit uns in Kontakt treten. So können wir herausfinden, was möglich ist und gemeinsame Projekte entwickeln, wie beispielsweise einen Jugendaustausch … es gibt unendliche Möglichkeiten.
Matthias: Ein anderes Ziel von Youth Link ist es, die „dynamische Energie der Freiwilligen“ in die Youth Link Aktivitäten zu involvieren. Wie wollt ihr die Auroville-Jugend und die Freiwilligen zusammenbringen?
Kavitha: Freiwillige haben uns oft gesagt, dass es schwierig ist, die Auroville-Jugend kennenzulernen. Um dies zu erleichtern, laden wir alle Freiwilligen ein, uns im Youth Link Office zu besuchen und an unseren Festivals und Aktivitäten teilzunehmen, sodass wir gemeinsam brainstormen und aktiv werden können. Youth Link ist ein Team, das niemanden ausschließt. Wir laden „alle jungen Leute in der Auroville-Region“ (Freiwillige, Newcomer, Dorfjugend etc.) ein, Teil unserer Gesprächsrunden zu werden. Auch wenn wir nur jemandem mit dem Status Aurovilianer eine Maintenance anbieten können, hoffen wir, in Zukunft gute Initiativen junger Menschen aus der Region, die Mitglieder unseres Youth Link Teams werden, mit geringen Summen unterstützen zu können. Natürlich muss diese Idee weiterentwickelt werden, sodass wir das „Wie“ und „Nach welchen Kriterien“ klar artikulieren können. Wir sind aber zuversichtlich, dass Offenheit und Inklusion von großer Bedeutung sind und dass wir als Jugend ein Beispiel dafür geben können, wie das Realität werden kann. Und tatsächlich tun wir das schon!
Vielen Dank für das Interview und dein Engagement! Wir wünschen euch viel Erfolg!
Youth Link ist ein junges Projekt, das unsere Unterstützung braucht. Das Youth Link Team würde sein Kern-Team gerne auf 5 bis 7 Mitglieder erweitern; damit diese in Vollzeit arbeiten können, muss jedoch ihre Maintenance finanziert werden. Langfristige Pläne sehen Spendentöpfe zur Förderung vielversprechender Ideen für Jugendprojekte sowie Bildungsstipendien vor. Wenn Ihr mehr Informationen wünscht oder andere Fragen habt, schreibt (in englischer Sprache) an [email protected]. Falls Ihr Youth Link direkt unterstützen wollt, könnt ihr dies gern unter dem Stichwort „Youth Link“ über das AVI D Vereinskonto tun. Ansonsten findet ihr YouthLink auch auf Facebook und auf ihrer Webseite: http://www.youthlink.org.in/