Bevor ich euch hier meinen Bericht rein kopiere möchte ich nochmal kurz sagen, dass die wahrscheinlich viel bessere Quelle für Informationen mein eigener Block unter Jonasinauroville.com ist. Dort findet ihr ausführlichere Berichte die sich auch nicht nur um mein Arbeitsleben drehen. Schaut also gerne mal rein!
Nach unseren Vorbereitungsseminaren und voller Freude ging es für mich am 23.08.22 ins Flugzeug nach Chennai, nachts am 24.8. sind wir gelandet und wurden von einem klein Bus gemeinsam mit einem Teil der restlichen Freiwilligen abgeholt und schon ging es nach Auroville. Dort angekommen fielen wir alle erst mal todmüde ins Bett. Die ersten Tage waren dann gefüllt mit Orgakram und Besichtigungen der Einsatzstellen in Auroville. Anfang September hatte ich dann meinen ersten Arbeitstag in der Isai Ambalam School. Die Isai Ambalam School ist eine Outreach school Aurovilles, das bedeutet dass ich nicht mit Kindern aus Auroville sondern mit Kindern aus den umliegenden Dörfern arbeite. Die Schule umfasst die 1. bis 8. Klasse. Bevor ich anfing zu arbeiten lernte ich erstmal den Projekt Leiter Sanjeev und meine Mentorin in der Einsatzstelle Kavitha kennen. Kavitha ist dabei meine Ansprechperson, da Sanjeev aufgrund von anderen Projekten in der er involviert ist häufig nicht da ist. Dementsprechend findet meine Kommunikation meist mit Kavitha und nur gelegentlich direkt mit Sanjeev statt. An meinem ersten Arbeitstag wurde mir dann gleich ein Stundenplan gegeben, dem ich folgen sollte. Meine erste Stunde war eine 1. Klasse Englisch Unterricht. Zusammen mit einer anderen Lehrerin begann ich also die Stunde. Die Lehrerin ließ mich erstmal machen, also versuchte ich mit den Kindern zu kommunizieren und ihre Englischkenntnisse abzutasten. Schnell stellte ich fest, dass es für mich der kaum Tamil spricht unglaublich schwierig ist mit den Kindern zu arbeiten. Darauf folgten eine dritte, fünfte und sechste Klasse. Alle mit dem gleichen Ergebnis: die Kinder sprechen kaum englisch beziehungsweise sind sehr schüchtern mit mir auf Englisch zu kommunizieren. Abgesehen vom Englisch Unterricht hatte ich Sportunterricht, manchmal mit einzelnen Klassen meistens jedoch mit mehreren Klassen gleichzeitig. Teilweise stand ich vor einer Gruppe Schülern Bestehens aus 1. bis 7. Klasse, also im Alter von sechs bis vierzehn. Für eine Gruppe mit diesen immensen Altersunterschieden fiel es mir unglaublich schwer erfolgreich Sportunterricht zu geben. Spiele die für die ersten Klassen geeignet sind, langweilen die älteren Klassen zu Tode. Ohne die älteren Schüler war es für mich aber unmöglich Spiele für die kleineren anzuleiten, da niemand für mich übersetzen konnte. All das endete damit, dass ich nach jedem Arbeitstag unglaublich erschöpft und frustriert nach Hause kam. Meine Erwartungen davon, wie ich hier unterrichten kann haben sich einfach nicht erfüllt. Nicht weil ich unfähig bin mein Wissen aus Schulpraktikas oder Sportkursen wiederzugeben, sondern weil die Sprachbarriere und die in der Schule gegebenen Strukturen es nicht zu ließen. Immer wieder lag ich also Abends im Bett und musste mir einreden, dass Morgen ein guter Tag wird, ich das hinbekomme und alles gut wird. Morgens aus dem Bett zu kommen viel mir dann immer noch sehr schwer und mit der Zeit sammelte sich immer mehr Frustration und Antriebslosigkeit an. Nach den ersten Vier Wochen war ich dann mehr oder weniger weit genug um um einen Projektwechsel zu bitten. Bei unserem ersten Monatstreffen Anfang Oktober sprach ich dann mit meinen Koordinatoren und Mentoren aus dem Weltwärtsprojekt. Diese hörten sich meine Bedenken an und baten mich es noch ein bisschen länger zu versuchen, worauf hin ich zwei Dinge tat. Ich ging auf Sanjeev und Kavitha zu und meinte, dass es für mich so nicht wirklich möglich sei weiterzumachen. Die erste Klasse im Englisch Unterricht mache keinen Sinn und auch in den anderen Klassen brauche ich mehr Unterstützung von Seiten der Lehrer. Außerdem wurde mir bewusst, dass ich mit dem von mir an den Tag gelegten Mindset darüber wie in meiner Vorstellung eine Unterrichtsstunde aussieht, nicht weiter komme. Ich legte also alle meine Erwartungen ab und ging völlig frei von ihnen in jede meiner Stunden. Das hatte zur Folge, dass ich nicht jedes mal vollkommen frustriert aus den Stunden kam. Außerdem trug das Gespräch mit Sanjeev und Kavitha recht bald Früchte. Von jetzt an übernahmen meist die Lehrer die Führung der Unterrichtsstunde und ich half mit. Seit dem fühle ich mich in meiner Einsatzstelle immer Wohler und freue mich auf die jeden neuen Arbeitstag. Ich habe neuerdings angefangen mir selbst und den Unterrichtsstunden eine Struktur/ Plan zu geben, dem ich folgen kann. Grammatik Unterricht für die 6. Klasse, Vokabeln durch Spiele mit der 3. klasse und in meiner fünften Klasse wird viel gelesen. Im Sport nehme ich mir immer kleine Gruppen in denen ich spiele anleitet oder zum Beispiel Volleyball Übungen durchführe. Leider hatte ich die letzten Wochen dann mit einigen Verletzungen zu kämpfen weshalb ich kaum arbeiten konnte und viel im Bett gefangen war. So langsam bin ich aber wieder auf dem aufsteigenden Ast und freue mich wieder regelmäßig Arbeiten und auch wieder selber Sport treiben zu können, da dass natürlich auch nicht möglich war.
Es gab mal einen jungen Mann. Er lebte für 28 Jahre in Deutschland. Er ging zur Schule und genoss eine gute Ausbildung, ohne dabei die Freude am Leben zu verlieren, sodass er sich selbst kennenlernte. Nach der Schule zog er in seine erste eigene Wohnung und begann ein Studium. Es folgte eine Zeit des vielen Lernens. Er lernte nicht nur klausurrelevanten Stoff, sondern auch selbstständig zu leben und für sich zu sorgen. Nach vielen Jahren schloss er sein Studium endlich ab. Daraufhin fing er an ein wenig zu arbeiten. Während der Zeit verlor er sich selbst. Er verlor die Motivation seinen Interessen nachzugehen. Er wurde faul und grummelig. Immer wieder fühlte er sich gestresst. Nicht in der Lage aus dem Teufelskreis auszubrechen. An einem Abend saß er zusammen mit einem Freund und einigen Bieren zusammen. Sie sprachen über die Zukunft. Sein Freund gab ihm den Ratschlag mal ins Ausland zu gehen. Dort würden neue Eindrücke, neue Menschen, neue Interessen und auch neue Energie auf ihn warten. Inspiriert von der Idee seines Freundes, fing der Mann an Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden wo die Reise denn hingehen könnte. Als er von Auroville las, war er fasziniert von der Stadt und so beschloss er, sich bei dem weltwärts Programm zu bewerben. Zwei Jahre und eine Corona-Pandemie später war er schließlich in Auroville angekommen und lebte dort vor sich hin.
Nach einigen Monaten wurde er von der reizenden Muna gedrängt, einen Beitrag über seine Erfahrungen zu schreiben. Im Folgenden nun ein Auszug aus seinem Tagebuch:
‚Ich schwitze. Es ist nicht wirklich heiß, noch nicht mal Sommer, aber ich schwitze. Ich glaub mein Körper hat ’nen Gen-Defekt. Kein Mensch kann soviel schwitzten. Sogar das Tika hält nicht auf meiner Stirn. Die Farben vermischen sich mit meinem Schweiß und rinnen an meinem Gesicht herunter. The other day, I was invited by a colleague for a celebration of Diwali, aber auf nepalesische Art. In Nepal wird Diwali einige Tage später gefeiert als in Indien. Dort bekam ich einen Tika auf meiner Stirn. Aber nach fünf Minuten musste der erneuert werden. Ich spiele mit dem Gedanken einfach nackt rumzulaufen. Ist doch schließlich ’nen Hippie-Ort hier, mit freier Liebe ohne Zwängen und Restriktionen und so. Mhmm, naja. Das dachte ich jedenfalls, bevor ich hierher kam. Nun kenne ich diesen Ort besser. Restriktionen gibt es auch hier. Ich glaube auf dem Vorbereitungs-Seminar haben sie uns erzählt: ‚Jedes Problem was es in der Welt gibt, gibt es auch in Auroville.‘ Und viel Wahres ist an diesen Worten dran. Von vielen Leuten höre ich, die Politik in Auroville ist in diesen Zeiten schwierig, wegen der Secretary. Aber ehrlich gesagt interessiert mich das nicht so. Das Leben ist halt voll von Ups and Downs. Es geht nicht immer in eine Richtung. Am Ende wird da schon irgendwie was gutes rauskommen. Und ich bin kein Aurovillianer, deswegen halte ich mich da raus. Eher bin ich hier, um mit mir selbst ins Reine zu kommen. Ich möchte herausfinden, was ich nach Auroville machen möchte, wie mein Leben aussieht, was mich glücklich macht, wo es für mich hingeht. Eine Menge existenzielle Fragen gehen durch meinen Kopf…..
Ohh shit, ich bin kurz eingepennt. Mein Kopf lag auf meinem Tagebuch und der Schweiß hat die letzten zehn Seiten unleserlich gemacht. Wie schade. Auf ihnen habe ich einen kurzen philosophischen Essay über die Frage verfasst, ‚What is the purpose of life‘. War ziemlich erleuchtend und weltverändernd. Ich glaube Sri Aurobindo hatte kurz Besitzt von mir ergriffen. Naja, was solls, das Leben geht weiter. Just see it chilled and relaxed! Something Auroville has teached me. Die Geschwindigkeit, mit der hier Sachen passieren ist um so vieles entspannter, als da wo ich herkomme. Die Mentalität der Leute so chilled and flowy. Und wenn mal etwas nicht so geschieht, wie ich mir das vorstelle ist das halt so. Don’t worry, be happy! Bevor ich hier herkam, war mir nicht bewusst, dass ich Relaxation brauche. Aber ich brauche Relaxation. Daher nehme ich demnächst an einer Relaxation-Class teil. ‚Man kann nie genug Relaxation in seinem Leben haben!‘ hat bestimmt mal irgendein ein weiser Menschen gesagt. Wobei ich letztens einen Podcast gehört habe. Da hat ein Shaolin-Master darüber gesprochen, dass wir Menschen Arbeit brauchen. Wenn wir keine Arbeit haben, würden wir die ganzen Zeit nur relaxen und uns langweilen. Wir müssen arbeiten um relaxen zu können. The one is only because of the other! Yeah, I found the importance of relaxation in Auroville.
Aber hier in Auroville habe ich nicht nur Relaxation für mich entdeckt. Nein, ich habe auch die Liebe gefunden. Yes, in Auroville is a Lovestory possible. Ich habe mich verliebt. In ein indisches Girl. Wird sind jetzt einige Monate zusammen. Sie ist aber nicht so traditionsbewusst, eher ein Freigeist. Daher stolpere ich nicht in irgendeine Heirat rein (no Panic, Muna!). Allerdings hat ihr Vater bei unserem ersten Treffen ein Heirats-Zertifikat von mir haben wollen und mich ausgefragt, um zu checken, ob ich ein von der deutschen Regierung geschickter Spion bin. Tja, typisch Eltern halt! Allerdings kann ich mir schon vorstellen, mit dem Girl meine Zukunft zu verbringen. We are some kind of Soulmates for each other. She is so beautiful, so smart and have a bunch of humour. I am in Love!
Mit ihr war ich nun auch einen Monat im Urlaub. Das war wirklich nötig. Irgendwie fühlte ich mich gestresst. Und das lag zum einen daran, dass ich krank geworden bin. Ich hatte ’nen ganz merkwürdigen Husten. Der dauerte mehrere Wochen an. Aber das ist hier wohl normal. Viele Leute haben während der Winterzeit bzw. Monsun-Zeit einen Husten. Ich habe viel unterschiedliche Medizin ausprobiert, aber am Ende hat der Urlaub geholfen. Doch neben der Krankheit war ich auch gestresst von zu viel Auroville. Es gibt hier einfach zu viel zu entdecken und zu tun. Und zusätzlich saugt die Arbeit zu viel Zeit auf. Zusätzlich kommen dann halt noch häusliche Pflichten (einkaufen, putzen) sowie Community-Duties (in MDJ) hinzu. Und dann bleibt keine Zeit mehr um Workshops zu besuchen und meinen eigenen Interessen nachzugehene. Am Ende vom Dezember befand ich mich daher an einem Tief-Punkt, sodass ich eine sehr große Distanz zwischen Auroville und mir brauchte. So sind wir dann Anfang Januar zuerst in ein kleines Dorf namens Bir gefahren. Das Dorf befindet sich in dem ‚Bundesstaat Himachal Pradesh‘, am Fuße des Himalaya-Gebirges. Bir ist ein Ort im Kommen. Hier wehen die Winde gut fürs Paragliding. Weswegen das Dorf mehr und mehr zu einem Tourismus-Ziel wird. Aber auch alternative, spirituell angehauchte Orte, wie bspw. das ‚SoulMantra‘, entstehen hier. Die Gebirgszüge im Schein der goldroten, morgendlichen Sonnenstrahlen zu bestaunen, war wundervoll und kaum mit Worten zu beschreiben. Dir, liebes Tagebuch, kann ich nur empfehlen dahin zu fahren, wenn du die Berge denn magst.
Danach ging es kurz nach Delhi. Ein starker Kontrast. Schmutzige Luft, Lärm, eine Menge Menschen und viel Verkehr. Um mit dem Taxi von A nach B zu kommen braucht man schonmal eine Stunde. Wie gut, dass es die Metro gibt. In Delhi ist diese sehr gut ausgebaut. Aber in Delhi waren wir nur für ein paar Tage. Der Besuch eines Flea Markets war mein Highlight und sehr abenteuerlich (Flea Market ist ein Markt auf dem man besonders Kleidung, Stoffe und Haushaltsgegenstände für sehr günstig bekommst). Hier braucht man noch nicht einmal zu den Händlern gehen. Nein! Die Händler kommen zu dir und geben dir einen guten Preis für Uhren, Kopfhörer und Taschen. Und das alle fünf Meter. Es ist ein Traum! Von Delhi ging es dann mit dem Zug nach Mumbai. Die Fahrt dauerte ca. 15 Stunden und ging über Nacht. Mit Bett, Diner and Breakfast, für umgerechnet fünfzig Euro. Dat Ding war, dass wir die Betten ganz oben hatten, und der Zug war nicht so hoch, sodass wir nicht aufrecht in unseren Betten sitzen konnten. But yeah, at least a bed and food! In Mumbai angekommen, lernte ich schließlich die Unterschiede zwischen den beiden größten Städten in Indien kennen. Delhi ist die governmental City. Hier leben viele Politiker. Darüber hinaus ist es kulturell sehr vielfältig. Konzerte unterschiedlichster Musikrichtungen und Tänze finden hier statt. In Mumbai hingegen sind sehr viele Banken ansässig. Außerdem ist hier Bollywood Zuhause. Das Mumbai-Cricket-Team ist eines der Top-Teams in Indien. Das von Delhi ist Crap (erzählte mir jedenfalls ein Cricket-Fan aus Mumbai). In Mumbai gibt es keine gut ausgebaute Metro, stattdessen werden Entfernungen mit local Trains und Bussen zurückgelegt. Nachdem wir mit dem Zug zu unserem Hostel gefahren sind, fanden wir uns am Abend unerwarteterweise ganz rein zufällig in einer underground-Stand-Up-Comedy-Show wieder. The guys were fucking funny and they kicked the shit out of me. Unsere Reise fand ein Ende in Goa. Es war beautiful. Weiße Sandstrände, gute Möglichkeiten zu shoppen und eine Woche lang pure Relaxation gepaart mit Sonnenschein. Ein Traum für jeden, der einen geeigneten Ort zum Chillen wertschätzt.
Allerdings, liebes Tagebuch, möchte ich dir gar nicht soviel über meinen Urlaub erzählen. Viel mehr möchte ich mit dir meine Veränderung, die ich hier in Indien durchgemacht habe, sowie meine Erkenntnisse und Erfahrungen teilen. One of those things that changed in me, is that I started to talk english, when I am actually deutsch spreche. It just happens. Sometimes unconsciously, sometimes not, but then I don’t care. Ich denke das passiert hier ganz automatisch. Irgendwann übernimmt das Englische die Oberhand in deinem Hirn and you have to concentrate to not to write in english. Yaah, whatever! Apropos Konzentration, in der Vergangenheit habe ich Schwierigkeiten gehabt, meinen Fokus auf das zu legen, was erledigt werden muss. Ich bin meist sehr zerstreut und switche von einer Idee zur nächsten. Hier in Auroville habe ich nun angefangen To-Do-Listen zu schreiben. Damit kann ich endliche meinen Kopf etwas sortieren. Ciaran, jemand den ich in Auroville kennengelernt habe, hat mich inspiriert, Punkte für jede erledigte Aufgabe zu geben. Es geht dabei nicht darum, jeden Tag mehr Punkte zu bekommen, sondern die Idee ist, ein Game daraus zu machen. Somit bleibt der Fun erhalten. Vor einiger Zeit habe ich die Listen auch erweitert. Ich schreibe mir auf, welche neuen Ideen, Entdeckungen und Stories ich an dem jeweiligen Tag hatte und welche Sportübungen ich betrieben habe. Sport ist auch etwas was ich hier in Auroville vermehrt tue. Ob Jogging, Calisthenics oder Stretching, ich bin gerade sehr fit und werde fitter von Tag zu Tag. Wie gut, dass es hier einen kleinen Park gibt, mit diversen Sportgeräten (Pull-Up-Bars. Ropes, Chains etc.).
Boar, liebes Tagebuch, ich würde dir gerne noch mehr schreiben, aber ich merke, dass die Müdigkeit von mir Besitz ergreift und ich jetzt schnell möglichst ins Bett huschen sollte. Wenn sich der Moment ergibt, schreibe ich dir mehr, aber das war es fürs erste.‘
In Liebe Rick
In der Hoffnung, dass der Text die reizende Muna zufriedenstellen würde, setzte der junge Mann den letzten Punkt, den letzten Buchstaben und den letzten Strich. Er las den Text ein letztes mal, war zufrieden mit sich selbst und stellte den Text schließlich online.
Nachdem uns aus dem Flieger steigend eine angenehme Schwüle, vermischt mit den Gerüchen der Stadt, entgegenschlug und unsere Visa akzeptiert wurden, die Sicherheitschecks mit vielen unbeachteten roten Lichtern sowie lautem Piepen bestanden und Bergung unserer Koffer am Band geschafft war, bewegte sich unsere Traube an Menschen auf den Ausgang des Chennai Airports zu. Die Schiebetüren öffneten sich und wir blickten in ein Meer aus lächelnden, schlafenden und wartenden Gesichtern. Dazwischen konnte man immer wieder ein paar Schilder mit Namen wie Vishnu, Kumar, Vignesh, aber auch dem einen oder anderen Mr. Adam entdecken. Das Schild, das wir dennoch suchten, wurde von einem Mann mittleren Alters mit breitem Lächeln gehalten. „Weltwärts“ konnte ich gerade noch erhaschen, bevor er das Schild in einer schnellen Bewegung faltete und in seine Hosentasche steckte. Die Koffer und Rucksäcke wurden in einen klapprigen Bus mit blau und lila Deckenbeleuchtung gehievt und los gings. Ein Detail, das mir bis jetzt noch im Kopf ist, war der Sitz dieses Busses. Das Polster hatte einen Farbverlauf, auf das ich mich ungern niederlassen wollte. Eine Wahl blieb mir aber nicht und ich dachte mir, dass ich nicht so empfindlich sein sollte. Es war tatsächlich der schlechteste Sitzt den ich jemals „besaß“. Dennoch verfiel ich sehr schnell in einen Zustand des Halbschlafs. Dieser wurde von einem Halt 20 km vor Auroville, am ersten der unzähligen „Tee-Imbissbuden-Hier bekommst du fast alles-Shops“ die ich in den nächsten Monaten besuchen würde, unterbrochen. Die Situation kann wie Folgt beschrieben werden: Es war ca. 4 Uhr morgens. Am Stand roch es nach Straße, drei Straßenhunde teilten sich die Aufmerksamkeit unserer Weltwärtsgruppe und am Tee Stand selbst standen vier Männer, die im tamilischen Gespräch unsere Gruppe musterte und ihren Tee schlürften. Uns wurde von unserem Taxifahrer auch ein Tee angeboten, den wir mit voller Vorfreude auf „echten“, indischen Tee annahmen. Das erste Learning, das ich somit aus meinem Indienaufenthalt mitnahm war, dass Tee in Südindien mehr eine Süßigkeit als ein Tee nach europäischem Konzept ist. Der Tee war an sich sehr lecker aber bestand größtenteils aus verbrannter Milch und Zucker. Alles in allem aber lecker. Man sollte aber auch hinzufügen, dass das Phänomen der leicht verbrannten Milch überall in Indien zum Tee oder Kaffee, mit Ausnahme von Barista-Cafes, gehört. Generell wird hier Kaffee und Tee anders zubereitet als in unseren Kulturkreisen. Während des ersten großen Auftrags mit Sunlit an der Kalasalingam Private University wurde uns als Kaffee ein Pot heißer Milch und auflösbares Kaffee-Pulver morgens und abends angeboten. Dieser Kaffee war etwas gewöhnungsbedürftig, aber erfüllte seinen Zweck mich nach der Nacht auf harten Matratzen und konstantem Schwitzen wieder in einen funktionalen Zustand zu bringen.
In meinem Projekt Sunlit Future wurde ich sehr schnell ins Installationsteam aufgenommen. Hier war meine Aufgabe mit meinem Kollegen Nirmal Troubleshooting von Invertern zu machen, mit Sasta kleinere Solarsysteme in Auroville aufzubauen und mit Santhosh und seiner Crew etwas größere Systeme in Pondicherry und Umgebung zu installieren. Dazwischen ging ich mehrmals mit Vignesh, Nirmal und Gotham auf große Projekte in Kalasalingam. Die Durchschnittsgröße der Projekte lag bei 300-400 Panels. Vor allem im September war es sehr hart, bei 38 Grad und einem UV-Index von 11 auf einem Dach, mit Cap und Sonnenbrille bewaffnet, körperliche Arbeit zu vollbringen. Das führte auch dazu, dass ich einen sehr ausgprägten T-Shirt Rand bekam, welcher von den anderen Freiwillgen immer wieder neidisch „abgecheckt“ wird. Einer der heißesten Momente war, als ich mir an einem durch die Sonne aufgeheizten Metallstück die Fingerspitzen verbrannte. Dies passierte mir danach mehrmals, aber mit der Zeit gewöhnten sich meine Hände daran und mittlerweile hat sich eine gut schützende Hornhaut gebildet. Ich ging während der heißen Tage an meine körperlichen und mentalen Grenzen. Dies ließ mich auch öfter innehalten, weil mir bewusst wurde, dass dies meine Kollegen schon teilweise seit mehreren Jahrzehnten tagtäglich machten; was für ein Knochenjob. Auch musste ich immer wieder feststellen, dass Arbeitssicherheit und Arbeitnehmerschutz nicht bei Weitem so gut sind wie in Deutschland.
Nach 3 Monaten körperlichen Arbeit entschied ich mich auch in einen weiteren Komplex des Unternehmens hineinschauen zu wollen, die Planung. Also wechselte ich von der Baustelle ins Büro. Der Kontakt mit Dominik, einem Freiwilligen aus Österreich, stellte sich hier als hilfreich heraus. Er bot im Rahmen seines Volunteer-Projekts einen 3D-Design Kurs anbot. Da ich schon davor mit Vignesh über eine Alternative für sehr teure, aus Europa importierte, Bauteile nachgedacht hatte, kam mir das sehr gelegen. Nach Beendigung der Weiterbildung konnte ich selbst die benötigten Teile entwerfen, die somit in Indien produziert werden können, was die Bauteile erheblich billiger machen. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich immer noch in der Entwicklung tätig, wobei ein Prototyp gerade hergestellt wird und in ein paar Tage geliefert werden sollte. Durch diese Planungsarbeit, die im Büro stattfindet, habe ich die anderen Kolleg*innen kennengelernt. Ich kann mich nun mit ihnen austauschen, was ich als sehr bereichernd empfinde. Jetzt bin ich auch mehrere Tage am Stück in Auroville , was in den ersten zwei Monaten nicht der Fall war, aber dazu beiträgt, dass ich mich „zu Hause“ fühle. In Zukunft möchte ich eine gute Balance zwischen Installation und Office finden.