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Erste Eindrücke und mein Projekt

10. Februar 2023 von Bastian Metzler

Nachdem uns aus dem Flieger steigend eine angenehme Schwüle, vermischt mit den Gerüchen der Stadt, entgegenschlug und unsere Visa akzeptiert wurden, die Sicherheitschecks mit vielen unbeachteten roten Lichtern sowie lautem Piepen bestanden und Bergung unserer Koffer am Band geschafft war, bewegte sich unsere Traube an Menschen auf den Ausgang des Chennai Airports zu. Die Schiebetüren öffneten sich und wir blickten in ein Meer aus lächelnden, schlafenden und wartenden Gesichtern. Dazwischen konnte man immer wieder ein paar Schilder mit Namen wie Vishnu, Kumar, Vignesh, aber auch dem einen oder anderen Mr. Adam entdecken. Das Schild, das wir dennoch suchten, wurde von einem Mann mittleren Alters mit breitem Lächeln gehalten. „Weltwärts“ konnte ich gerade noch erhaschen, bevor er das Schild in einer schnellen Bewegung faltete und in seine Hosentasche steckte. Die Koffer und Rucksäcke wurden in einen klapprigen Bus mit blau und lila Deckenbeleuchtung gehievt und los gings. Ein Detail, das mir bis jetzt noch im Kopf ist, war der Sitz dieses Busses. Das Polster hatte einen Farbverlauf, auf das ich mich ungern niederlassen wollte. Eine Wahl blieb mir aber nicht und ich dachte mir, dass ich nicht so empfindlich sein sollte. Es war tatsächlich der schlechteste Sitzt den ich jemals „besaß“. Dennoch verfiel ich sehr schnell in einen Zustand des Halbschlafs. Dieser wurde von einem Halt 20 km vor Auroville, am ersten der unzähligen „Tee-Imbissbuden-Hier bekommst du fast alles-Shops“ die ich in den nächsten Monaten besuchen würde, unterbrochen. Die Situation kann wie Folgt beschrieben werden: Es war ca. 4 Uhr morgens. Am Stand roch es nach Straße, drei Straßenhunde teilten sich die Aufmerksamkeit unserer Weltwärtsgruppe und am Tee Stand selbst standen vier Männer, die im tamilischen Gespräch unsere Gruppe musterte und ihren Tee schlürften. Uns wurde von unserem Taxifahrer auch ein Tee angeboten, den wir mit voller Vorfreude auf „echten“, indischen Tee annahmen. Das erste Learning, das ich somit aus meinem Indienaufenthalt mitnahm war, dass Tee in Südindien mehr eine Süßigkeit als ein Tee nach europäischem Konzept ist. Der Tee war an sich sehr lecker aber bestand größtenteils aus verbrannter Milch und Zucker. Alles in allem aber lecker. Man sollte aber auch hinzufügen, dass das Phänomen der leicht verbrannten Milch überall in Indien zum Tee oder Kaffee, mit Ausnahme von Barista-Cafes, gehört. Generell wird hier Kaffee und Tee anders zubereitet als in unseren Kulturkreisen. Während des ersten großen Auftrags mit Sunlit an der Kalasalingam Private University wurde uns als Kaffee ein Pot heißer Milch und auflösbares Kaffee-Pulver morgens und abends angeboten. Dieser Kaffee war etwas gewöhnungsbedürftig, aber erfüllte seinen Zweck mich nach der Nacht auf harten Matratzen und konstantem Schwitzen wieder in einen funktionalen Zustand zu bringen.

In meinem Projekt Sunlit Future wurde ich sehr schnell ins Installationsteam aufgenommen. Hier war meine Aufgabe mit meinem Kollegen Nirmal Troubleshooting von Invertern zu machen, mit Sasta kleinere Solarsysteme in Auroville aufzubauen und mit Santhosh und seiner Crew etwas größere Systeme in Pondicherry und Umgebung zu installieren. Dazwischen ging ich mehrmals mit Vignesh, Nirmal und Gotham auf große Projekte in Kalasalingam. Die Durchschnittsgröße der Projekte lag bei 300-400 Panels. Vor allem im September war es sehr hart, bei 38 Grad und einem UV-Index von 11 auf einem Dach, mit Cap und Sonnenbrille bewaffnet, körperliche Arbeit zu vollbringen. Das führte auch dazu, dass ich einen sehr ausgprägten T-Shirt Rand bekam, welcher von den anderen Freiwillgen immer wieder neidisch „abgecheckt“ wird. Einer der heißesten Momente war, als ich mir an einem durch die Sonne aufgeheizten Metallstück die Fingerspitzen verbrannte. Dies passierte mir danach mehrmals, aber mit der Zeit gewöhnten sich meine Hände daran und mittlerweile hat sich eine gut schützende Hornhaut gebildet. Ich ging während der heißen Tage an meine körperlichen und mentalen Grenzen. Dies ließ mich auch öfter innehalten, weil mir bewusst wurde, dass dies meine Kollegen schon teilweise seit mehreren Jahrzehnten tagtäglich machten; was für ein Knochenjob. Auch musste ich immer wieder feststellen, dass Arbeitssicherheit und Arbeitnehmerschutz nicht bei Weitem so gut sind wie in Deutschland.

Nach 3 Monaten körperlichen Arbeit entschied ich mich auch in einen weiteren Komplex des Unternehmens hineinschauen zu wollen, die Planung. Also wechselte ich von der Baustelle ins Büro. Der Kontakt mit Dominik, einem Freiwilligen aus Österreich, stellte sich hier als hilfreich heraus. Er bot im Rahmen seines Volunteer-Projekts einen 3D-Design Kurs anbot. Da ich schon davor mit Vignesh über eine Alternative für sehr teure, aus Europa importierte, Bauteile nachgedacht hatte, kam mir das sehr gelegen. Nach Beendigung der Weiterbildung konnte ich selbst die benötigten Teile entwerfen, die somit in Indien produziert werden können, was die Bauteile erheblich billiger machen. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich immer noch in der Entwicklung tätig, wobei ein Prototyp gerade hergestellt wird und in ein paar Tage geliefert werden sollte. Durch diese Planungsarbeit, die im Büro stattfindet, habe ich die anderen Kolleg*innen kennengelernt. Ich kann mich nun mit ihnen austauschen, was ich als sehr bereichernd empfinde. Jetzt bin ich auch mehrere Tage am Stück in Auroville , was in den ersten zwei Monaten nicht der Fall war, aber dazu beiträgt, dass ich mich „zu Hause“ fühle. In Zukunft möchte ich eine gute Balance zwischen Installation und Office finden.


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