Nun bin ich schon seit 6 Monaten in Auroville/Indien. Ich bin gut gebräunt und wackele mit dem Kopf, um den Kauf meines Aloo Parathas zu bestätigen. Ich habe mich ebenfalls ein bisschen mit den Kühen angefreundet, die einem egal wo man sich in Indien befindet auf der Straße begleiten. In diesem Bericht möchte ich also analog meine sechs Monate abfahren.
In meinem Projekt hat sich viel getan. Ich war das erste Mal mit Ramesh auf NGO-Work in Nord Indien. Genauer gesagt in Telengana. Dieser Staat befindet sich nördlich von Andhra Pradesh, zu dem es auch noch bis 2014 gehörte, dann aber seinen eigenen Staat gründete. Die Hauptstadt ist Hyderabad. Dort angekommen wurden uns von unserer Partnerstiftung Bharat Vikas die Unterkunft gezeigt. Hierbei handelte es sich um eine der schönsten Unterkünfte, die uns für unsere Arbeit bisher bereitgestellt wurden. Wir befanden uns in einer Region Telenganas, die für ihre Chillis und das daraus gemachte Masala Pulver bekannt ist. Überall auf dem Weg zu den Dörfern sah man grüne Felder, die bei genauerem Betrachten durch die Chillies rot gepunktet waren.
Unser Tagesablauf in den folgenden Tagen war ungefähr so: Wir brachen um ca. 8 Uhr morgens in unserem Isuzu Pick-Up Truck auf und frühstückten auf dem Weg meist Dosai mit Chai. Nach ca. 2 Stunden Autofahrt kamen wir am ersten Dorf an. Wir besuchten zwei Dörfer täglich. Der einzige Haken an der netten Vorstellung gemütlich mit dem Auto zu fahren ist, dass die Rückbank nicht nur mit drei sportlichen jungen Männern besetzt war, was schon so eng war, sondern der zuständige Koordinator sich ebenfalls dazu quetschte. Diese Autofahrten waren somit eine verkrampfte, schwitzige Kuschelsession. Dies hat rückblickend natürlich auch sein Flair, aber in der Situation selbst war es weniger entspannt. Hatten wir dann die Fahrt durch die „straßenähnlichen Schlagkrater Akkumulationen“ geschafft, fing die richtige Arbeit an. Im Optimalfall hatten die Dorfbewohner bereits die alte Wasserpumpe aus dem Bohrloch entfernt und wir konnten direkt damit anfangen, das Solarpanelgestell aufzubauen und die neue Wasserpumpe vorzubereiten. Die alten Wasserpumpen waren in einem sehr schlechten Zustand, sehr oft gerostet. Diese Pumpen benötigen Wechselstrom, der in der Regel aus dem in Indien sehr instabilen Netz genommen wird, somit fallen die Pumpen häufig aus und die Wasserversorgung ist nicht gewährleistet. Die Idee von diesem Projekt ist, die alten Pumpen zu entfernen und durch neue Pumpen mit mehr Leistung zu ersetzten. Diese werden dann an Gleichstrom angeschlossen, der von 6 Solar Panels erzeugt wird, somit ist die Stromversorgung unabhängig vom öffentlichen Netz und eine sicherere Wasserversorgung ist gewährleistet. Ein Problem, das dennoch mehr als einmal auftauchte war, dass die Gleichstrompumpe noch während unserer Anwesenheit mit einem Verlängerungskabel an eine Hochspannungsleitung angebracht wurde. Unsere Erklärungsversuche scheiterten. Es war sehr schwer zu vermitteln, dass ein verlässliches Gleichstromsystem besser funktioniert als ein durch Netzwerkschwankungen beeinflusstes Wechselstromsystem. Hierbei kann man zwar nur tagsüber Wasser hochpumpen, dennoch ist es Long-Term zuverlässiger. Nachdem wir die Dörfer verließen wurden, trotz aller Erklärungen die Gleichstrompumpen einfach an das Wechselstromnetz mit hohen Schwankungen per Haken angeschlossen. Das hat mich fast ein wenig geärgert. Da ich weder Tamil noch Telugu spreche konnte ich selbst den Dorfbewohnern die Zusammenhänge nicht erklären wodurch ich mich teilweise hilflos gefühlt habe. Letztendlich müsste man viel mehr am technischen Verständnis der Bevölkerung arbeiten, damit solche Projekte angenommen und gut umgesetzt werden können. Das ist harte Lebensrealität in der NGO Arbeit.
Dieses Beispiel zeigt einen Punkt mit dem ich hier seit Ankunft kämpfe. Dem Prinzip, dass solange es im Jetzt funktioniert, es gut ist, es wird häufig das Langfristige nicht bedacht, dass sich ein Mehraufwand lohnt um zukünftig von etwas profitieren zu können. Ein großes Problem zeigt sich gerade auch hier in der Korruption. Staatliche Gelder, die für den Erhalt und Ausbau von Straßen, der Stromversorgung und vieles anderes mehr bereitgestellt werden, werden nicht dafür verwendet, sondern zweckentfremdet eingesetzt. Trotz alle dem habe ich Indien als sehr fortschrittlich erlebt, was die erneuerbaren Energien und die Infrastruktur betrifft, selbst wenn die Ausführung oft zu wünschen übrig lässt.
Von einer politischen Herausforderung zu einer persönlichen. Für mich gestaltet sich das Essen hier in Indien sehr schwer. Vor Allem auf meinen arbeitsintensiven und sonnenreichen Projekten außerhalb Aurovilles hatte ich oft Lebensmittelvergiftungen, Durchfälle und Erbrechen. Wenn man nicht gut genug aufpasst verliert man übers Schwitzen zu viel Wasser und Salz, dazu kommt die intensive Sonneinstrahlung, dann scheint die kleinste Unreinheit im Essen zu reichen, so dass der Körper alles auskotzt. Wenn ich in sehr abgelegenen, ländlichen Gebieten gearbeitet habe, war es schwierig Essen zu finden, was ich gut vertragen habe, da es zumeist in sehr altem Fett zubereitet wurde und teilweise auch durch Kohle verunreinigt war. Ich lernte mich Mit Kekesen, Rieswaffeln und Müsliriegel aus einem der „Supermärkte“ (Aple Store) einzudecken um über die Runden zu kommen. Vor einer Woche wurden nach mehreren Tagen massiver Magen Darm Probleme bei mir Amöben diagnostiziert Und wurde mit einem Antibiotikum behandelt. Amöben sind Kleinstlebewesen, die auf meist ungewaschenem Obst und Gemüse wohnen. Isst man also nicht gekochtes/gebratenes Obst, Gemüse oder Salat in einem Restaurant, welches seine Lebensmittel nicht sorgfältig genug wäscht, kann man sich sehr schnell diese kleinen Tierchen einfangen. Somit gilt die alte Regel: Cook it, Peel it, Wash it. Ebenfalls ist es ratsam nur Mahlzeiten zu sich zu nehmen, von denen man weiß, dass sie in ihrer Herstellung einmal erhitzt wurden, ein Beispiel dafür wäre Fried Rice. Das sind die leinen Fallen in Indien und möchte mich darüber aber nicht beklagen, wenn man sich das Leben hier gut sortiert ist es super, trotz Lebensmittelvergiftung. Sehr zu empfehlen sind die Beaches. Tagsüber vor Allem der Tantos Beach oder auch Shri Ma Beach sowie der Quiet Beach. Ebenfalls sollte man mindestens einmal gesurft sein. Ich habe damit erst recht spät angefangen, weiß aber von meinen Kollegen Jasper und Jonas, dass man sehr schnell Fortschritte machen kann. Ich persönlich habe mich auf Kalariepayattu konzentriert. Dies ist ein Kampfsport aus der Region des heutigen Kerala und fokussiert sich auf den Kampf mit Waffen. Dennoch braucht man erst eine hohe körperliche Fitness, bevor man an die Waffen gelassen wird. In den ersten paar Monaten sehr hartes Kraft und Beweglichkeitstraining. Es beinhaltet viele Elemente des Yogas und Kicks. Für mich ist die Intensität und der Meditative Aspekt der Trainings was mich jeden Tag dort hinzieht.
Zuletzt kann ich noch als letztes Update geben, dass meine Prototypen in Sunlit angekommen sind. Dominik und ich mussten an ihnen nochmals einen Nachmittag nacharbeiten (es entsprach nicht unserem Qualitätsanspruch), um ihre Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Die Tests verliefen wie erhofft und nun bin ich im Gespräch mit mehreren Herstellern, um sie weiter zu vermarkten. Jetzt muss ich mich mit Material und Arbeitskosten, Lieferketten und Sprachbarrieren auseinandersetzen. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass es weiterhin gut verläuft. Ich werde in ein paar Monaten nochmal ein Update geben und bei erfolgreicher Beendigung einen extra Bericht über dieses Projekt schreiben.
Ciao