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Die andere Seite von Delhi – die Slums

15. April 2014 von Dominik Blase

Während meines Aufenthaltes in Delhi wohnte ich zu Hause bei der Familie der
ehemaligen Auroville-Freiwilligen Swati. Swati, die genauso wie ich auch Design studierte, hat sich in letzter Zeit viel mit der Lebens- und Wohnsituation in den Slums von Delhi beschäftigt. Dabei erarbeitete Sie zusammen mit Studenten ihrer Universität und einer NGO Lösungen zur täglichen Hygiene. Zum Beispiel wurde überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, den Menschen zu ermöglichen immer eine Seife mit sich führen.
Für anstehende Projekte benötigte Sie jedoch meine fotografische Hilfe.
So fuhren wir also eines Morgens um 5:30 in zwei verschiedene Slums um dort Fotos und Filmaufnahmen machen, die sie nun für ihr Projekt nutzen kann.
Anfangs hatte ich Bedenken was passieren könnte, wenn wir dort einfach anfangen zu filmen.
Einerseits möchte ich natürlich keinen in der Kultur verletzten. Andererseits war ich mir auch nicht sicher, wie es in einem Slum um meine Sicherheit steht. Doch in diesen Beiden Punkten gaben mir Freunde von Swati direkt Entwarnung. Sie meinten „Delhi wäre nicht Kapstadt“ und „alle würden denken wir kommen von einer NGO und es hätte schon seine Richtigkeit, dass wir dort filmen“.

Zudem informierte ich mich im Internet und stellte fest, dass Slums von Land zu Land und von Stadt zu Stadt unterschiedlich aussehen. Sogar in den USA gäbe es schon solche Viertel. Zur allgemeinen Erklärung: Ein Slum ist eine Siedlung in der Menschen auf engsten Raum mit minimaler Privatsphäre ohne unzureichende Versorgungseinrichtungen leben. Also nicht anders als die Menschen in den Stadtkernen von Europa vor gut 100 Jahren.
Größtenteils haben diese Bewohner der Slums von Delhi auch ganz normale Jobs und fahren ein Motorrad und kleiden sich westlich. Vor allem junge Bewohner wollen bewusst anders sein als Ihre Eltern und tragen T-shirts, Jeans oder kurze Hosen und man würde sie keineswegs von Indern, die nicht in einem Slum wohnen unterscheiden können. Das kann man gut an dem Portrait des jungen Mannes mit der Ferrari Uhr erkennen. Aber auch das Bild eines kleinen Shops inmitten des Slums, an dem soeben ein junges Mädchen etwas einkauft. Sie – sowie die Verkäuferin – tragen moderne Kleidung, die es so in der indischen Kultur nicht gibt. Die traditionelle Kleidung kann man weiter rechts im Bild sehen. Dort geht eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm entlang. Sie trägt einen klassischen indischen Sari für den Alltag. Auf Grund der teuren Wohnungspreise in Delhi und da Eigentum eigentlich nur vererbt wird und eher seltener gekauft, ist es den meisten jedoch nicht möglich aus dem Slum herauszukommen.

Normalerweise verfolge ich bei dem Fotografieren eher eine dezent und zurückhaltende Strategie. Dabei möchte ich die Eindrücke so unverfälscht und authentisch wie möglich festhalten. Sofern ein Mensch in die Kamera schaut, ärgere ich mich und das Bild ist für mich nahezu wertlos. Ein derartiges Vorgehen war dort jedoch keineswegs möglich.
Unser Aufenthalt sprach sich sehr schnell rum. Viele Menschen kamen auf uns zu. Wollten fotografiert werden, fragten freundlich woher wir kämen oder posierten schonmal für ein hoffentlich anstehendes Foto von mir. Viele Menschen hatten trotz der Situation eine erkennbare Lebensfreude im Gesicht. Und auch Swati bestätigte mir, dass die Menschen keinesfalls alle Unglücklich seien. Sie kennen es ja nicht anders und haben die Situation angenommen und machen das Beste daraus.
Andere Menschen wiederum lachten, erzählten sich Geschichten während sie auf eine freie Toilette warteten* oder entfernten sich und man merkte, diese Menschen wollten nicht in Zusammenhang mit einem Slum fotografiert werden.
Man muss dazu jedoch wissen: seit dem Film Slumdog Millionaire sind die Menschen in den Slums verunsichert, da Sie sich in dem Film völlig falsch dargestellt sehen. Das Vertrauen gegenüber internationaler Filmteams ist verloren gegangen. Zum Glück sahen wir nicht nach internationalem Filmteam aus. Eher nach verschlafenden Studenten am verkehrten Platz zu dieser Zeit.

*Nur im zweiten Slum bekamen die Bewohner staatliche Toilettenwagen zur Verfügung gestellt.
Im ersten Slum gehen die Männer an den Bahngleisen entlang um einen Toilettenpaltz zu finden.
Die Frauen haben einige kleine Kabinen für ihre Notdurft.
Dabei haben die Menschen stets einen Wasserbehälter dabei um sich zu reinigen. Toilettenpapier gibt es ja in Indien bekanntlich nicht. Die Wasserbehälter können nur an einigen wenigen Punkten innerhalb des Slums gefüllt werden. An diesen Orten kommt es immer wieder zu Streit um Wasser. Auch wir erlebten einen Streit um Wasser mit indem ein Dutzend Menschen involviert waren. Solche Streitigkeiten beobachten wir aber auch in unserem Dorf in Südindien. Gerade jetzt bei den heißen Temperaturen ist auch bei uns das Wasser sehr knapp.

Als wir übrigens die Toilettenwagen fotografierten sagte ein junger Inder lachend zu uns:
„Welcome to India“.

Slum Nr.1
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Slum Nr.2
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Ein Kommentar »

  1. Kai sagt:

    Schön, dass es noch Leute gibt, die beide Seiten einer Medaille sehen und auch zeigen.

    Bis demnächst
    Kai

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