Wenn ich um 05.00 Uhr morgens von der Tempelmusik geweckt werde, wenn meine Nachbarin vergeblich versucht um 06.00 Uhr Chai-Tee vorbei zu bringen, wenn ich morgens aus meiner Zimmertüre trete und eine Urinlache von den zugelaufenen Hunden auf mich wartet, wenn ich nicht in die Pfütze trete sondern mit einem Lächeln darüber hinwegschreite und versehentlich auf einen Tausendfüßler steh, wenn ich in Flipflops, T-shirt und kurzer Hose auf mein Motorrad steige um zur Arbeit zu fahren und wenn der Weg zur Arbeit von einer suizidgefährdeten Kuh blockiert wird, wenn ich von zwei hupenden Motorräder gleichzeitig überholt werde, wenn mich der Schulbus von der Straße abdrängt, wenn am Straßenrand Fisch verkauft wird – in der prallen Sonne – . wenn sich um 10.00 Uhr eine Internationale Gruppe trifft um zusammen Tee zu trinken, wenn ich um 12.00 Uhr in die Solarkitchen gehe um zu essen, wenn ich nach meiner Portion noch den Rest anderer Freiwilligen unter dem Motto „WasteLess“ essen darf, wenn ich nach dem Essen zum PTDC rolle um einzukaufen und nach der ausreichenden Mahlzeit mit Anneke noch einen Schokokuchen bei Aurovelo nasche, wenn ich trotz der Hitze lieber im Garten arbeite als im Office, wenn ich nach der Arbeit die Möglichkeit habe zum Yoga zu gehen oder MMA zu machen, wenn ich nach Hause komme und mit meiner WG abendesse, wenn wir uns regelmäßig gegenseitig als verrückt erklären, wenn wir unser Bedürfnis nach körperlicher Zuneigung durch Gruppenkuscheln befriedigen und wenn das alles nur ein Tag war dann hab ich mich in Auroville eingelebt.
Wenn die Regenzeit beginnt, wenn es Tage lang regnet, wenn es ein Jahrhundertregen gibt, wenn die Kleidung niemals Trocken wird, wenn sich ein leichter aber prägnanter Duft von Schimmelpilz im Zimmer ausbreitet, wenn die Sonne nur noch ab und zu ihr wärmendes Gesicht zeigt, ja dann weiß ich, dass ich mich im Monsun eingelebt habe.
Wenn Seen entstehen wo zuvor Wüsten waren, wenn Graß wächst wo nur rote Erde war, wenn ich in den Bus einsteige und 8 Rupies zahle für eine Fahrt, wenn ich über den Sundaymarket laufe und mit dem Angebot leicht überfordert bin, wenn es zum Abendessen Parotha gibt und zum Frühstück Idli, wenn ich im Fußballstadion die Hero Super League verfolge, wenn ich nach dem Bus frage und als Antwort „wait wait wait“ bekomme, wenn mir der Verkäufer erzählen möchte dass mir Größe S genauso gut passen wird wie Größe XL, wenn sich der Signalton vom Rückwärtsgang eines Autos anhört wie die polyphone Version von „Für Elise“ aus dem Jamba Sparabbo, wenn sich wildfremde Menschen in Bus und Bahn miteinander unterhalten als würden sie sich seit Jahren kennen, wenn es sich Passanten zur selbstverständlichen Aufgabe nehmen mit mir zu warten bis ich in den richtigen Bus steige, wenn ich in die Berge fahre und merke dass ich viel zu wenig warme Klamotten dabei habe, wenn die Kühe statt auf wiesen in der Stadt grasen, wenn 80 Gerichte auf der Speisekarte aufgelistet sind aber nur 4 zur Auswahl stehen, wenn ich bei Stromausfall im dunkeln auf die Toilette gehe und erst hinterher bemerke, dass eine Maus drin schwimmt und mich das nicht wundert, wenn der Winter sich anfühlt wie Sommer und wenn die ersten Weinachtsmänner vor dem Kaufhaus einen Sonnenbrand bekommen, ja dann hab ich mich in Südindien eingelebt.
liebe Grüße an alle die sich grade irgendwo einleben!