Liebe Auroville-Freunde,
am nächsten Sonntag (08.11.2015) findet in Rostock die Veranstaltung „Auroville – alle gemeinsam anders?“ mit den beiden Freiwilligen Nora und Amelie des Weltwäts-Jahrgangs 2013/2014 statt. Die beiden wollen uns im Rahmen der Entwicklungs Politischen Tage 2015 Aurovilles Ideal sowie Aufbau, Entwicklung und Aktivitäten der Gemeinschaft vermitteln. Dafür werden eine Präsentation, Filmausschnitte und anschließender Austausch die Möglichkeit bieten. Unterstehend findet Ihr die Einladung zur Veranstaltung und ein Interview, das Nora mit Amelie für den Rundbrief von Auroville International Deutschland geführt hat. Viel Spaß!
Wie ist das eigentlich, zurück zu sein?
Ein Interview mit Amelie (Weltwärtsfreiwillige 2013/14 auf der Discipline Farm), geführt von Nora Klein
Nora: Amelie, jetzt haben wir uns, nachdem wir uns echt lange nicht mehr gesprochen haben, endlich mal wieder am Telefon ein bisschen ausgetauscht. Das war einfach richtig gut! Und jetzt möchte ich dir aber gerne noch, wie abgesprochen, ein paar Fragen für den nächsten Rundbrief stellen.
Amelie: Okay, super!
Nora: Wenn du an Auroville und die Zeit dort als Freiwillige zurückdenkst, was kommt dir als erstes in den Sinn? Woran erinnerst du dich besonders gerne?
Amelie: Das ist eigentlich ganz einfach und klar: Die Farm! Und wenn ich genauer darüber nachdenke, ist es die Farm morgens um halb acht, wenn ich barfuß auf dem Feld Minze geerntet habe. Frischer Tau, es ist noch kühl und ruhig (!)… Ja, wirklich, die ruhigste Stunde am Tag, wenn alles langsam wach wird.
Nora: Und wie wohnst du jetzt? Haben sich durch Auroville deine Ansprüche und Wünsche an das Wohnen auch in Deutschland verändert? Amelie: Hm. Ja, auf jeden Fall. Ich wohne gerade in einem Mehrgenerationenhaus; ein Fachwerkhaus direkt an einem Fluss. (Denkt eine Weile nach) Dieser Wunsch, in Gemeinschaft und in der Natur zu leben, hat sich bestimmt auch durch die Zeit und das Leben in Auroville entwickelt. Und war dann einfach da. Ich glaube, es ist mir bewusster geworden, dass ich mir eine funktionierende, intakte Gemeinschaft wünsche und unmittelbare Nähe zur Natur.
(überlegt wieder) Eigentlich ist es nicht ein Wunsch. Es ist wie selbstverständlich. Eben ein „Miteinander-Machen“, Teilhaben.
Nora: Und was beschäftigt dich aktuell in deinem Alltag?
Amelie: Naja, natürlich mein Psychologie-Studium. Und das Leben in Gemeinschaft. Wie können WGs funktionieren? Ich möchte mehr über Ökodörfer erfahren. Und Kommunikation! Wie können wir gut kommunizieren, damit ein Miteinander klappen kann. Gewaltfreie Kommunikation, da bin ich gerade dran. Das Wissen über all so etwas möchte ich ausbauen. Und dann auch die Frage „Wie können wir Auroville in unseren Alltag hineintragen?“ Ich meine über Friedens-Meditationen hinaus. (lacht)
Nora: Und vergisst du manchmal, dass du ein Jahr lang in Auroville verbracht hast?
Amelie: Eigentlich weniger … Aber tatsächlich ja! Hier wieder zu sein, eingebunden ganz in der Gegenwart. Da ist dann wieder viel verschüttet! Und die Erinnerungen und Erfahrungen sind zwar irgendwo einfach integriert… (lacht) Aber das alles verfliegt manchmal und ich erschrecke mich, wenn ich das wahrnehme. Dann möchte ich das umwandeln, mich wieder erinnern.
Nora: Und was hast du aus dem „Dort“, vielleicht auch aus der indischen Kultur übernommen?
Amelie: (antwortet sehr schnell) Das Überwürzen von Gerichten. Oder sagen wir besser: die indische Würztechnik. Ich versuche jetzt, immer alles zu nutzen, was da ist. (Lacht, dann nachdenklich) Aber das meiste habe ich wirklich schnell wieder abgelegt. Zum Beispiel die Muße, sich Zeit zu nehmen…
Nora: Vermisst du das am meisten?
Amelie: Ja, ich vermisse Freiheit bzw. Freiraum am meisten. Ja, generell „Raum“!
Nora: Und gibt es etwas, das du jetzt im Nachhinein gern über den erlebten Freiraum, vielleicht die Utopie Auroville, lernen möchtest?
Amelie: Die Organisation! Im Prinzip habe ich davon kaum etwas mitbekommen. Wer was macht und warum. Die Bürokratie, all die inneren Strukturen von Auroville.
Nora: Aber andere Dinge, wie Essen und Kleidung, die dort so anders sind und die schnell unser Alltag wurden, ist das bei dir immer noch verändert?
Amelie: Nicht wirklich. Ich bin wieder ziemlich deutsch geworden, würde ich sagen. Allerdings versuche ich mich zu bemühen, eine andere Gesprächskultur zu leben. Wärmer, herzlicher.
Nora: Und das deutsche Wetter, wie gehst du mit dem um?
Amelie: Na, das kann einen schon depressiv machen. Richtig graue Monate, die die Energie rauben. Gerade jetzt im Januar.
Nora: Und dann wünschst du dich zurück in die Sonne… Aber in Auroville, welche Herausforderungen und Schwierigkeiten hast du da wahrgenommen? Und sind das nicht genau die gleichen wie auch hier in unserer deutschen Gesellschaft?
Amelie: Eine schwierige Frage. Ich würde sagen, diese Herausforderungen gleichen sich schon. Eine davon ist sicher die Aufgabe, nachhaltig und liebend mit Mensch und Umwelt umzugehen. Ideale und Werte konsequent zu leben! Das war in Auroville zwar auch nicht jeden Tag einfach, aber leichter als hier. Alternativen leben… da hängen sich hier viel weniger Leute so sehr rein wie in Auroville. Das, was viele dort leben, würde dann höchstwahrscheinlich als „radikal“ abgestempelt werden. Ich habe auch gemerkt, dass in Auroville die Auswirkungen meines Handelns und vor allem meines Konsumverhaltens viel unmittelbarer waren. Der Müll, der bei Pour Tous falsch sortiert wird, landet auf der Müllkippe direkt vor Ort. Das Abwasser aus unserer Küche in Discipline floss direkt in unseren kleinen Kräutergarten. Das bedeutet dann wiederum: nur organische Seifen für Körper und Geschirr… Hier ist es häufig das Verhaltensmuster: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Nora: Und gibt es dein Auroville-Lieblingswort?
Amelie: Vielleicht „das Kollektiv“ … Und natürlich „take care“! (wir beide lachen)
Nora: Wirst du Auroville wieder besuchen?
Amelie: Ja. Lieber früher als später! Aber vermutlich wird es dieses Jahr nichts, denn der Sommer ist voll mit Prüfungen. Aber im nächsten Jahr bestimmt! Ich freue mich schon…
Das Interview mit Amelie führte Nora Klein für den Rundbrief von AVID (Frühjahr 2015), die davon träumt, dass wir alle Auroville an vielen Orten entdecken und erleben und untereinander unsere Begeisterung teilen für ein buntes und fröhliches Miteinander.