Reise in die Welt des Klangs
oder
1. Quartalsbericht
Meine Wahl für SVARAM fiel relativ schnell. Obwohl ich auch für andere Projekte durchaus zu haben gewesen wäre, war SVARAM immer meine erste Wahl. Schon mein ganzes Leben lang bin ich umgeben von Musik: Xylophon spielen als ich ganz klein war, anschließend Schlagzeug. Irgendwann entwickelte ich Interesse am Gitarre spielen, brachte mir das in für mich ausreichender Weise selbst bei und wechselte irgendwann wieder zur Percussion, zum Cajon. Letzteres brachte mich zur Straßenmusik, wo ich mit anderen gemeinsam spielte. Jetzt sollte sich also die Gelegenheit ergeben, Musik einmal von einer anderen Seite kennenzulernen. Die Aussicht einen Einblick in die Musiktherapie zu bekommen verstärkte meine Projektwahl noch umso mehr.
Die ersten Wochen in SVARAM verbrachte ich also zunächst damit die verschiedenen Departments, die Abläufe, das Team kennenzulernen. Zu Beginn bedeutete das, PVC-Rohre mit Schleifpapier zu schleifen, damit diese lackiert und später als Resonator für die Metallophone verwendet werden konnten. Im Anschluss an diese Arbeit verbrachte ich einige Zeit mit Sundaram, dem Head of Wind Chime Section. Hier bestand meine Arbeit überwiegend darin, Beater herzustellen, sprich, die Teile aus Holz für das Windspiel, das gegen die Metallrohre stößt und diese zum Erklingen bringt. Bei dieser Tätigkeit stellte ich fest, dass das Bauen von Musikinstrumenten tatsächliche Handarbeit ist. Dass ich eine solche Arbeit nicht gewohnt war, konnte man bereits bald darauf feststellen, wenn man meine Hände betrachtete: an mehreren Fingerkuppen fehlte ein Stück Haut, die ich mir mit der Schleifmaschine abgeschleift hatte, weil ich zu unvorsichtig war. Von den Stromschlägen war zwar nichts zu sehen, aber sie waren stets in meinem Bewusstsein. Zumindest anschließend. Beater herzustellen ist außerdem um einiges schwieriger, als man meinen sollte. Immerhin müssen sie die gerade sein und nicht komplett schräg. Außerdem werden sie an den Rändern abgerundet. Gleichmäßig versteht sich. Zusätzlich bekommen unsere Beater an Ober- und Unterseite eine schöne Linie eingraviert. Bei dieser Arbeit kam ich an die Grenzen meiner handwerklichen Fähigkeiten und ich zerstörte wiederholt einen nach dem anderen Beater bis Sundaram mich sehr höflich und freundlich anderen Aufgaben zuwies.
SVARAM in Yercaud in den Bergen, wo wir ein Wochenende lang einen Workshop gegeben haben
Bald darauf begann in SVARAM allerdings eine andere Zeit: die Zeit der Corporate Identity. Ich nenne es so, weil alle Freiwilligen – es sind im Moment acht und werden in etwa zwei Wochen zehn sein – irgendwie da mit drin hängen. Wir alle arbeiten daran, SVARAM ein neues Gesicht zu verpassen und auf den neuesten Stand zu bringen. Das ist leider mit Office, Showroom und Workshop aufräumen noch nicht getan. Wir arbeiten an einem Newsletter, einer neuen Website, einem neuen Katalog, E-Mail Signaturen. Außerdem haben wir zig Adressen von Visitenkarten und aus unserem Gästebuch in die Datenbank übertragen und somit eine Basis geschaffen. Derzeit werden von allen Musikinstrumenten Fotos geschossen, Audio Samples erstellt und von manchen Instruction-Videos gedreht. Für den Katalog müssen natürlich für alle Instrumente Texte her. Diese zu schreiben wäre unnötig, immerhin gibt’s die ja schon. Irgendwo. Irgendwo im Nirgendwo des Chaos, das in der Datenbank herrscht. Oder zumindest herrschte. Je mehr Zeit wir damit verbringen, desto mehr Ordnung bringen wir hinein. Sehr zum Leidwesen der Mitarbeiter, die sich erstaunlicherweise gut in ihrem Chaos auskannten. Aber es war keinerlei Aussicht auf Ordnung, also beschloss Aurelio schließlich, das zu ändern.
Aurelio, der Projektleiter SVARAM’s ist sozusagen neben dem Projekt eine Marke in sich. Ohne ihn wäre das Projekt vermutlich nicht so erfolgreich, wie es ist. Durch die Erfahrungen, die er in seinem Leben gemacht hat und die er mit nach SVARAM gebracht hat, beförderte er das Projekt sozusagen direkt in die die Welt anführende Gruppe von Musiktherapeuten und deren Einrichtungen. Allerdings ist sein Projekt das einzige in dieser Gruppe, das in diesem Themengebiet auch Forschung betreibt und neue Instrumente konstruiert, bereits bestehende verbessert oder zumindest verändert. Da ich mir persönlich vorstellen kann, dass es mich später in die Richtung der Musiktherapie verschlägt, bin ich sehr gespannt auf die Zeit nach der Guest-Season, wenn Aurelio, oder „der Sound-Guru“, in diese Welt einführen will. Interessant sind auch die Persönlichkeiten, die in regelmäßigen Abständen in SVARAM auftauchen. Meist Musiker, Musiktherapeuten, oder andere Künstler, mit denen man sich super über Musik austauschen kann oder die einem eine Inspirationsquelle sein können. Kürzlich kamen beispielsweise zwei kanadische Sound Healer nach Auroville, die Akupunktur mit Sound Healing Work vereinten und eine Kostprobe ihres Wissens für SVARAM kostenfrei zur Verfügung stellten. Ich sollte noch die ein oder andere Stunde mit den beiden verbringen. Ob beim Yoga oder gemeinsamen Jam-Sessions, sogenannten „Klangreisen“ oder einfach nur beim Mittagessen.
Für die nächste Zeit ist geplant, die Arbeit an SVARAM’s Corporate Identity abzuschließen und wieder zu den schönen Dingen zurückzukehren: dem Musikinstrumentenbau. Ich bin schon eingeplant an einem Prototyp für Cajons zu basteln, damit diese in die reguläre Produktion eingehen können. Ich möchte außerdem unbedingt herausfinden, wie ich eine Hankdrum, ein Melodie-Instrument aus einem Propangastank, bauen kann und diesen Plan dann in die Tat umsetzen. Mal sehen, was sich davon tatsächlich umsetzen lässt.
Verglichen mit Deutschland ist die Arbeit in Indien auf jeden Fall abwechslungsreicher, da man immer mehrere Projekte gleichzeitig haben sollte: eines für denn Fall, dass das Internet funktioniert, einen für den Fall, dass es das nicht tut; einen für den Fall, dass es tatsächlich Strom gibt und einen eben für den Fall, dass dieser wieder einmal nicht zur Verfügung steht. Je nachdem, wie weit man ist, kann man noch ein weiteres Projekt haben, für den Fall, dass man mal auf alle anderen keine Lust hat.
Ich jedenfalls freue mich sehr, bei SVARAM untergekommen zu sein und bin mir sicher, auch wenn ich einige Tage habe, an denen ich mich langweile, dass ich definitiv an der richtigen Adresse gelandet bin. Die Langeweile kommt von mir. Selber Schuld, wenn ich nicht genug Engagement aufbringen kann, mir Aufgaben zu suchen. Aber manchmal ist das einfach auch okay!