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Der große Regen

14. November 2015 von Max Bröker

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Seit zwei-drei Wochen wird es in Auroville immer frischer und nasser, die Sonne lässt sich nur noch selten blicken und ist für uns auf den Kapseln die rare Möglichkeit nasse Wäsche zu trocknen. Ich vermisse die Hitze schon ein bisschen, aber im Gegensatz zu deutschen Sommern sind die südindischen mit Sicherheit heiß und ausdauernd und jetzt auch gar nicht mehr soweit weg. Ein wenig Extraluxus für mich ist ein kleiner letztens von mir traditionell aus Lehm gebauter Holzkocher mit dem ich abends immermal wieder Tee oder sogar warmes Duschwasser für meine Outdoordusche mache. Da wir keine geschlossenen Räume haben wärmt das Feuer nicht wirklich direkt, ist aber trotzdem schön.

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Abgedeckt habe ich den den Feuerplatz mit einem provisorischen kleinen Palmblattdach, in dessen nicht ganz einfacher Herstellung ich mich ausprobieren wollte. Ein paar sheets habe ich tatsächlich geschafft und sie haben den Stove gut vor Regen geschützt, nachhaltig war die Abdeckung aber nicht, da solche Dächer nur etwa zwei Jahre halten bis der Verrottungsprozess die Blätter nachhaltig dem Nährstoffkreislauf wieder zuführt.

Meine Interesse für diese Dachdeckung rührte daher, dass diese sogenannten Keet-roofs, mit denen auch unsere Kapseln gedeckt sind, immer noch einen hohen Anteil der Dächer in den südindischen Dörfern bedecken. Der Hauptgrund dafür sind die geringen Initialkosten, vergleicht man sie beispielsweise mit Dachziegeln oder Beton-Flachdächern. Eigentlich sind die Dächer funktional und wunderbar umweltverträglich, problematisch ist aber, dass diese Häuser aus dem oben genannten Grund hauptsächlich von dem ärmsten Teil der Bevölkerung bewohnt werden. Da hier aber häufig kein Geld zur Dacherneuerung verfügbar ist, leben viele, auch größtere Familien teilweise auf engem Raum im nassen, was eine weitere Ursache für Krankheiten ist.
Nachden ich das also für mich selber ausprobiert habe (ich lebe darin, hat auch löcher 😉 und habe es auch selber ausprobiert zu bauen) kam mir der Gedanke wieder, Dächer mit Tetra Pak Getränkekartons zu decken. Mit einem aufgeschnittenen und aufgefalteten Getränkekarton hat man ein gut dinA4-großes, wasserundurchlässiges Element das in einem ähnlichen Muster wie z.B. Bieberschwanz-Dachziegel gelegt werden kann.

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I call it the tetra-tile.
Die Idee dieser Bauweise ist, eine gute Alternative für die Keet-roofs zu schaffen, deren großer Nachteil die geringe Haltbarkeit ist. Tetrapacks fallen hier (wie Müll jeder Form und Farbe) in großen Mengen an und sind, verglichen mit Palmblättern, länger haltbar, da sie aus einem Verbund aus Karton, Aluminium und mehreren schichten Kunststoff (PE) bestehen. Über die wirkliche Haltbarkeit in diesem Klima lässt sich nur mutmaßen da ich nach einiger Zeit Recherche auf nur sehr wenige Projekte getroffen bin, die das selbe wie ich probieren. Deshalb habe ich zuerst ein kleines anderthalb Quadratmeter großes Modell gebaut um verschiedene Befestigungsweisen und Legemuster zu testen und um überhaupt ein Gefühl für die Materie zu bekommen.

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Ich habe Marc vom Auroville Upcycling-Studio um Fachmännischen Rat und Felix („unser“ Felix) vom Bamboocenter um Unterstützung gebeten und jetzt bauen wir beide zusammen einen Motorradunterstand auf discipline farm. Mit diesem Unterstand verdoppeln wir die existierende Überdachung für die discipline-community Motorräder was für die Langlebigkeit dieser dringend nötig ist und ich erschaffe mir die Möglichkeit, weiter mit Tetra Pac als Dachmaterial zu experimentieren. Ich habe das Glück, dass die Farm hinter der Idee steht und mir den Freiraum gibt, solche Experimente zu verwirklichen. Derzeit geplant ist gut zweifach überlappend (daher etwa alle 10cm kommt eine weitere Schicht) und vierlagig (waghalsig geschätzte Lebensdauer ist 3 bis 10 Jahre) die Getränkekartons zu legen. Das heißt durch die etwa 2000 (60kg) Tetra Paks kommen  beim Auroville Müll Entsorgungsunternehmen Ecoservice gerade mal 420 rupies, keine 6€ an Kosten auf uns zu.
Schnur, Seile, Bambus und Holz für die tragende Konstruktiom, und die Granitsäulen sind zum großteil schon vorhanden und ansich auch nicht teuer. Eine Materialkosten- und Arbeitsaufwandsrechnung werde ich noch zum Abschluss des Projekts machen.
Da Tetra Pak fast überall in hohen Mengen zur Verfügung steht und derartiges Upcycling, sprich Lebensdauerverlängerung von ansonsten kaum verwertbaren Verpackungen ökologisch neutral ist, sehe ich auch aus ökologischer Sicht ein gutes potential in dieser Dachbauweise.
Ich komme zusammen mit Felix mit dem Dachgerüst gut vorran, ich hoffe nächste Woche können wir mit dem Dachdecken anfangen.

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Wir bekommen womöglich noch Unterstützung von ein paar anderen, ohne diese Helfer wäre die Arbeit eine sehr langwierige Angelegenheit.
Wenn ich weg bin lasse ich mich von der Farm updaten, wie das Dach dem Zahn der Zeit und dem Klima standhält. Später werde ich nochmal was dazu schreiben.

Letzte Sonntag hat uns nachts ein „kleinen Zyklon“ getroffen, das heisst einer von der Stärke wie es früher alle 10 Jahre kam, mitlerweile häufen sie sich.
Die Winde haben in Auroville und Umgebung viele Bäume umgeschmissen, Riesige auf die Straßen aber auch viele Kleine Stauen zum Beispiel auf unserer Farm. Unsere Kapseln haben dem Sturm bis auf ein bisschen Reinregnen gut wiederstanden, allerdings wurden etwa jede zweite Papaya und sehr viele Bananen der Farm umgeschmissen. Außerdem sind zwei 40jährige Teakbäume eingeknickt, deren Holz werden wir verkaufen können. Die Aufräumarbeiten brauchen jetzt viel Zeit, wir versuchen wieder aufzurichten was noch eine Chance hat und retten was an grüner Papayafrucht noch nachreifbar istkostbar.

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Wenn es stark regnet, können wir auf der Farm nicht wirklich arbeiten, das ist bisher tatsächlich aber erst ein paar mal passiert. Da nach dem Monsoon die stärkste Wachstumszeit kommt, sind wir derzeit schwer mit Vorbereitungs- und Pflanzarbeiten beschäftigt. Zusätzlicher Stress entsteht durch die Schaffung zweier zusätzlicher Felder für eine Mischung aus Kürbis, Bohnen und stickstoffbindendem Sunhemp auf dem einen Feld, Süßkartoffeln, Ananas und das Getreide Ragi jeweils getrennt auf dem anderen.

Die Straßen werden immer schlechter obwohl die Leistung des Roadservice beachtlich ist. Die Lehmstraßen werden vom Regen aufgeweicht und durch uns Motorisierte Verkehrsteilnehmer völlig zerfahren. Sogar der zehn-meter-Fußpfad zwischen Kapseln und Küche bei Regen zu einer nicht ganz ungefährlichen Rutschpartie.

Was der Regen merklich immer mehr bringt sind außerdem drei zentrale Dinge: Schimmel, Mosquitos und Rost. Viele Dinge fangen an eine menge Schimmel zu setzten, die fast immer Wassergesättigte Luft erlaubt nichts zu trocknen und das ist auf Dauer ein ernstzunehmendes Problem. Wir haben viel häufiger als vorher startprobleme mit den Bikes und ganz ganz stark vertreten sind jetzt die Mosquitos. Da die Weibchen nach dem Blutsaugen beim Eierlegen auf Wasserbehältern angewiesen sind, haben sie es jetzt während der Regenzeit viel einfacher sich zu vervielfachen, jeder Palmblattstängel, jeder Bambusstrunk, jede Pfütze, jede Plastiktüte wird zum Brutplatz und die Viecher fallen über uns her als gäb es nix zu verlieren. Das ist schon besonders, denn ohne lückenlose Mosquitogitter und Netzte ist nach zwei Minuten jede Entspannung vergessen, unglaublich.

Trotz all des entstehenden Nervs und den Negativen Seiten des Monsoons: Dass der Regen eine superwichtige Sache ist und die Wasserspeicher wieder auffüllt, ober- wie auch unterirdisch, ist lebenswichtig für Wald und Tiere, denn nach diesen circa 2 Monaten Regen kommt kaum mehr Niederschlag und das Wasser, das im Moment für viele Probleme verantwortlich ist, wird wieder enorm kostbar. Und obwohl der Spaziergang über die Farm nach dem Unwetter bedrückend war, ich habe mich sehr gefreut als ich unser größtes Wasserauffangbecken fast bis an den Rand gefüllt gesehen habe.

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Ein Kommentar »

  1. Max #2 sagt:

    Super Ideen und sehr schöner Bericht. 🙂
    Bist halt doch ein Schreibtalent 😉

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