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  1. Gewohnheit

    19. Juni 2018 von Mira

    Nur noch knapp 2 Monate hier in Auroville, Indien. Eigentlich möchte man noch gar nicht gehen. Die letzten 10 Monate seines Lebens hat man hier verbracht, sich eingelebt, ein neues Leben aufgebaut und sich weiter entwickelt. Man hat ein neues zu Hause gefunden, an welchem so einige Dinge anders sind als in Deutschland. Doch erst jetzt, im Zuge der immer präsenter werdenden Rückkehr nach Deutschland, fällt einem auf, was hier Normalität ist und in Deutschland (bisher) für einen eben nicht.

    Klar, Essen und Kleidung sind hier nur mal anders. Frauen, die farbenfrohe Saris tragen, und Männer in ihren Wickelröckern namens Lungi. Das alltägliche Straßenbild außerhalb von Auroville und teils auch innerhalb. Ebenso sind für mich Reis und Hülsenfrüchte aus meiner Ernährung nicht mehr wegzudenken. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht diese beiden Lebensmittel, das staple food Indiens, konsumiere.

    Denglisch. Man kann nichts dagegen tun. Es passiert einfach. Durch den ständigen Wechsel zwischen Deutsch, Englisch und Tamil, fängt man irgendwann an, Wörter aus einer anderen Sprache einzubringen. Und irgendwann dann sogar nach deutscher Art zu konjugieren und deklinieren. Schrecklich, aber man ist machtlos.

    Tiere. Wohnen tut man in Auroville nie alleine. Stets hat man tierische Mitbewohner, die einem entweder den Tag versüßen oder aber auch verderben können. Mücken und Ameisen sind dabei definitiv die unbeliebtesten Mitbewohner. Kein Stück Haut und kein Stück Essen ist vor ihnen sicher. Spinnen, Käfer und Frösche sind die Unscheinbarsten von allen. Geckos sind auch nicht sonderlich auffällig, außer sie jagen sich gerade gegenseitig oder erschrecken sich vor einem, so dass sie einem vor die Füße fallen und einen manchmal selbst erschrecken. Zu den größeren Mitbewohnern zählen Streifenhörnchen, Ratten, Mungos, Katzen, Hunde und manchmal auch ein Pfau. Und aus den Bäumen und Büschen rund ums Haus zwitschert (und krechzt) es stets Tag und Nacht.

    Tempelmusik. Auch diese bekommt man recht häufig zu Gehör, denn wo in Indien gibt es keinen Tempel?

    Altersübergreifende Aktivitäten. Waren wir bisher in Deutschland durch Schule und Uni hauptsächlich mit mehr oder weniger Gleichaltrigen zusammengepfercht, so ist es hier Normalität, auch viel Kontakt zu Älteren bzw. Jüngeren Leuten zu haben. Sei es auf Arbeit, in seinen Freizeitaktivitäten oder weil man sich einfach so trifft, um gemeinsam Zeit zu verbringen. So lernen die Altersgenerationen in Auroville nicht nur nebeneinander, sondern auch voneinander.

    Chaos. Na gut, dies war einem schon vorher bewusst. Aber dennoch ist es etwas, was hier so sehr zur Gewohnheit geworden ist, dass ich es in Deutschland vermissen werde. Für mich ist es einfach ein herrliches Gefühl mit dem Motorrad durch Pondi (oder gar Großstädte wie Chennai, Hyderabad und Co) zu fahren, sich einen Weg durch das Gewimmel an Fahrzeugen und Menschen zu bahnen und dabei mit allen Sinnen einer Reizüberflutung zu unterliegen. Man könnte schon fast meinen, dass ich süchtig danach bin. Oder ich brauche es einfach als Kontrast zum Leben im Grünen in Auroville (was mir übrigens auch viel Freude bereitet).

    Wahrscheinlich haben wir alle noch sehr viel mehr Gewohnheiten angenommen und uns an Dinge gewöhnt, was uns aber erst in Deutschland auffallen wird. Doch daran will ich jetzt erstmal nicht denken…


  2. Ich bin kein Speedjunkie (aber Motorrad fahren liebe ich trotzdem)

    17. Juni 2018 von Jola

    Die Zeit geht mal wieder schneller vorbei als mir lieb ist und ich muss wohl oder übel anfangen mich darum zu kümmern mein geliebtes Motorrad zu verkaufen.

    Als ich vor 10 Monaten angefangen habe Motorrad fahren zu lernen, da hatte mein Motorrad mir zu viel Kraft, und es wirkte unberechenbar. Vorallem habe ich oft nicht hinbekommen es zu starten. Das alles ist mittlerweile unvorstellbar geworden. Motorrad fahren ist für mich so einfach, alltäglich und komplett selbstverständlich geworden wie Zuhause Fahrrad fahren für mich war. und jetzt erst, da ich darüber nachdenke fällt mir auf wie sehr ich vergessen habe, dass ich das mal nicht konnte, dass es mal neu und besonders für mich war.

    Motorrad fahren war aufregend und für mich mit Überwindung verbunden. Das ist es jetzt nur noch wenn ich in meiner Hasssituation stecke und irgendwo alleine auf dem Motorrad von einer kleinen Straße auf eine Hauptstraße nach rechts abbiegen will. Mit den indischen Verkehrsregeln (der Größere und Selbstbewusstere hat Vorfahrt) und Linksverkehr ist das der totale Horror. Neulich bin ich, nachdem wir zwei Freunde zum Busbahnhof gefahren haben, im dunkeln auf dem Highway aus Pondy zurück gefahren. Meine Begleiter waren außersicht, ich bin kein Speedjunkie und blied desswegen ein bisschen zurück, und plötzlich viel mir diese Gefühl wieder auf das ich sehr gut noch aus Berlin kenne. Das Gefühl wenn ich in Berlin mit dem Fahrrad, abends mit Freunden unterwegs war, auf großen, breiten Straßen, mit Straßenlaternen an beiden Seiten, und ich, immer ein bisschen langsamer (ich bin kein Speedjunkie), hinter den anderen her gefahren bin. Es ist dieses Gefühl von Zuhause, Abenteuer und Freiheit in einem. Motorrad fahren ist hier das geworden was für mich Fahrrad fahren in Deutschland war. Es ist genauso unverzichtbar, selbsverständlich und flexibel. Nur jedes gehört für mich an seinen Ort. Motorrad fahren gehört nach Auroville, und Fahrrad fahren nach Berlin.

    Trotzdem habe ich mein Fahrrad hier sehr vermisst, und werde ich mein Bike (Motorrad) in Deutschland total vermissen. Meine kleine, giftgrüne Hero Honda Passion Pro.

    Familie 2017

    Ausparken

    Familie 2017

    Motorrad fahren

    Ich habe auf ihr Motorrad fahren gelernt, tägliche kleine stecken, erst nur in Auroville und nach kurzer Zeit auch in Pondy oder zum Stand zurück gelegt und eine Motorradtour nach Tirupathi gemacht. Aber mir wurde zwar mein einer Rückspielgel geklaut, aber ich habe noch keinen Unfall gebaut ( klopf auf Holz).

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    Der schöne aber lange Weg Nach Tirupathi mit Johanna

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    lange Fahrt (mit noch langen Haaren)

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    kurz vor unserem Tempelerlebniss mit Kahlrasur, machen Johanna und ich (schon im Saari) eine letzte Pause

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    Und wieder zurück, mit Tuch, aber ohne Haaren

     

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  3. Vorbereitungsseminar in Lehesten, weltwärts 2018/19

    15. Juni 2018 von Anuschka

    Da stand ich nun, am 8.5.2018 in Saale, am Hauptbahnhof, neugierig, 10 Meter entfernt von drei anderen, voll bepackten, sich sichtlich noch orientierenden Freiwilligen.

    Als ich im Zug noch alleine an meiner Selbstvorstellung feilte, hatte ich ein kurzes Gefühl von Unsicherheit vor der ersten Begegnung mit den anderen, doch sobald das erste Hallo gefallen und die erste Umarmung geschehen war, machte die anfängliche Sorge Platz für unendliche Freude.

    Zur Begrüßung gab es leckeren Kuchen, Kaffee und strahlenden Sonnenschein in Thüringen.

    Die noch etwas angespannte Stimmung unter uns 18 bunt gemischten Volunteers lockerte sich rasant nach ein paar Kennlernspielen auf.

    Zum Abend hin starteten wir dann mit unseren Selbstvorstellungen, die uns ein kleines Stückchen näher an die Wesenszüge unseres Gegenübers brachten, oder uns einfach kurz staunen oder schmunzeln ließen.

    Am nächsten Morgen gab es für uns alle ein leckeres Frühstück bzw. erst mal eine große Tasse Kaffee. Daraufhin folgte eine Menge Input wie z.B. Infos & Fakten über Auroville, ein kleines Quiz und ein Film von ehemaligen Freiwilligen, der mit viel Liebe gemacht war.

    Nach dem täglichen Mittags-Mampfen um 12:30 Uhr ging es endlich in die lang ersehnte Vertiefung unserer Projekte.

    Birgit und Thomas stellten die verschiedenen Einsatzstellen nochmal detailliert und langsam für uns alle vor.

    Hätte es diese Einheit nicht gegeben, wäre ich wahrscheinlich mit falschen Vorstellungen in mein Projekt gegangen.

    Vor dem Abendessen (welches vegetarisch/vegan, gesund und lecker war) fanden wir uns zum sogenannten „Stammtisch“ zusammen, in dem wir in Kleingruppen mit einem Koordinator*in den Tag , also unsere Gefühle, Fragen und Erkenntnisse reflektierten.

    Dieser, meiner Meinung nach ziemlich intime, Austausch ermöglichte es uns die anderen Freiwilligen noch mal von einer anderen Seite zu erleben, als es in der großen Runde der Fall war.

    Bereits nach zwei Tagen merkte ich, wie sich ein starkes Gruppengefühl aufbaute und wie achtsam und respektvoll jeder mit jedem umging.

    Bei mir schlich sich langsam aber sicher der Verdacht ein, dass ich mit dieser Gruppe von Menschen wohl einen Volltreffer gelandet habe.

    Nach ein wenig Organisatorischem und Input zu Fundraising kamen wir am dritten Tag endlich zur lang ersehnten Projektverteilung.

    Jede*n von uns an die gewünschte Einsatzstelle heranzuführen stellte sich komplizierter dar, als gedacht.

    Nach langem reden, umdenken, anhören, Ideen sammeln und wieder verwerfen, lösten sich auf einmal ein paar Knoten und es gelangten alle zu einem passenden Projekt.

    Am Nachmittag trudelten nach und nach immer mehr Menschen bei uns ein (circa 70-80) , die sich zu den Auroville-Tagen zusammenfanden, der genau wie unser Seminar im Schieferpark Lehesten statt fand. In den letzten drei Tagen hatten wir dadurch die Chance mit vielen Leuten ins Gespräch zu kommen. Wir begegneten aller Art Menschen, die ihre persönliche, individuelle Verbindung zu Auroville haben. So wurden wir, zum Beispiel, Teil von einem gemeinsamen Spaziergang, einem Flöten Konzert von einer in Auroville aufgewachsenen Frau sowie dem gemeinsamen Schauen eines aktuellen Films über Aurovilles Geschichte & Gegenwart. Am letzten Abend gestalteten wir das Programm selber und spielten gemeinsam ein Quiz, versuchten stille Post (mit sehr vielen Menschen) und praktizierten Lachyoga.

    In der einen Woche, in der wir erstmals zusammen kamen, konnten wir bereits eine Menge erfahren. Zwischenmenschlich sowie insgesamt über unsere immer näher rückende Reise.

    Wir haben eine Menge gelacht, gelernt und einen kleinen Vorgeschmack bekommen, auf den Ort, den wir hoffentlich bald unser zweites Zuhause nennen können.


  4. Sommertage

    31. Mai 2018 von Mira

    Der Sommermonsun hat die südliche Westküste von Indien erreicht, es kann sich somit nur noch um ein paar Tage handeln, bis er auch bei uns ankommt, falls er Auroville überhaupt erreicht (mit dem jetztigen Tief). Die Termiten sind auch schon ausgeflogen, was ein gutes Vorzeichen ist. Die Straßen sind ziemlich staubig und der Sommer dieses Jahr soll bisher überdurchschnittlich warm gewesen sein. Landwirtschaft lässt sich erst bei Beginn des Wintermonsuns wieder richtig gut betreiben, doch endlich wieder einmal im Regen stehen ist ein unglaublich schöner Gedanke. Bis dahin sollte man seine Zeit an kühlen, schattigen, luftigen Orten verbringen und alles sehr viel gemächlicher angehen. Bloß keine Eile! Am besten erledigt man seine wichtigen Sachen früh morgens oder spät abends und hält in der lunch time einen Mittagsschlaf.

    Eingang zur Windaara Farm

    Die meisten von uns machen zur Zeit housesitting, dürfen also in den Häusern der verreisten Aurovillianer wohnen, welche ziemlich gut an das Klima hier vor Ort angepasst sind (besser als die einfachen Behausungen der Tamilen). So wohne ich jetzt auf der Windaara Farm im Grünen und mit offenen Fenstern (Gittern) zu allen Seiten, so dass ich nicht mal einen fan brauche, da mich der Wind schon ausreichend abkühlt. Hier, in diesem schon recht luxiorösen Heim mit amma und einem unglaublich tollen Holzfußboden, lässt es sich gut sein Jahr in Auroville ausklingen. Ayoyo, das Ende naht so schnell…

    Jetzt im Sommer wird auf Aurovilles Farmen weniger Gemüse, dafür aber umso mehr Obst geerntet. Bananen und Papayas gibt es das gesamte Jahr über, doch nun darf man sich auch an Mangos, Jackfruits, Soursops, Eggfruits, Litschis, Ananas und weiterem erfreuen.

    Da bei dieser Hitze rein gar nichts mehr los ist in Auroville (und man bei diesen Temperaturen auch nicht gerade wirklich Lust hat, irgendetwas draußen zu unternehmen), ist Kochen, besonders von mir zusammen mit ein paar Freunden, nun zu einer häufigen Freizeitaktivität geworden. Doch irgendwie lerne ich hier in Indien fast nur indisch zu kochen – wer hätte das gedacht?

    Idlis mit Chutneys – Standardrepertoire der südindischen Küche

    Auch an aufwendigeren Gerichten wird sich versucht

    Baati Chokha, ein typisches Gericht aus Uttar Pradesh

    Nach bereits unglaublichen 9 Monaten in Auroville, die doch gerade erst gestern angefangen haben, stehen übrigens unsere dritten Quartals – Berichte an. Eigentlich möchte man ja noch so einiges hier in Auroville erledigen und erleben, aber zur Zeit ist alles von einer gewissen Trägheit befallen…


  5. Sommer ist, …

    21. Mai 2018 von Mira

    -wenn die Temperaturen tagsüber an den 40° C kratzen (es kann aber noch heißer werden, der (Hoch-)Sommer ist erst Mitte Juni „vorbei“) und auch nachts nicht unter 30° C fallen

    -wenn man morgens aufwacht und einfach nur noch ein verklebtes, verschiwtztes Bündel ist

    -wenn die Natur immer brauner und verdorrter wird, wobei sich manche Bäume entschließen, genau jetzt ihr gesamtes Laub abzuwerfen und in einem rasend schnellen Tempo lauter frische, grüne, junge Blätter zu bekommen

    -wenn Auroville wie ausgestorben ist. Diesen Fakt hat man schon oft vorher zu hören bekommen von anderen Weltwärtslern oder Aurovillianern, aber dass dann hier im Mai wirklich rein gar nichts mehr los ist, hätte ich nicht erwartet. Keine sich länger aufhaltenden Touristen mehr, kaum noch Freiwillige und selbst die Aurovillianer nehmen sich Urlaub und verschwinden. Auroville ist wirklich wie tot. Und kulturelle Events gibt es eigentlich auch keine mehr. Dies führt dazu, dass wir als Weltwärtsler wieder etwas mehr zusammen unternehmen, also entweder selbst kochen oder auswärts essen gehen. Etwas anderes kann man ja nicht machen.

    -wenn man mittags bereits nach 15min in der Sonne einen Sonnenbrand bekommt und das, obwohl man eigentlich schon recht braun gebrannt ist und man eigentlich nur irgendwo zum Essen hinfahren möchte und wieder zurück zur Arbeit. Dies führt dazu, dass man an seinen freien Wochenenden tagsüber nichts draußen unternehmen kann und trotz des sonnigen Wetters (naja eigentlich gerade wegen), immer irgendwo drinnen hocken muss. Selbst die beste Sonnencreme hilft da nicht wirklich weiter. Kleine Anmerkung: Während des Monsuns hat einen der Regen daran gehindert, etwas draußen zu unternehmen. Jetzt ist es die Sonne.

    -wenn Schwimmen die einzige vernünftige Sportart ist, die man jetzt noch hier betreiben kann. Aber nur im Schwimmbad, denn im Meer tummeln sich zur Zeit recht viele Feuerquallen, wie manche von uns schmerzhafter Weise schon feststellen mussten

    -wenn man überall kleine, rote, juckende Punkte/Pickel auf der Haut bekommt, also „Prickly Heat“

    -wenn das Wasser aus der Leitung einen manchmal fast verbrennt, da der Wassertank auf dem Dach steht und tagsüber ordentlich aufgeheizt wird

    -wenn das Leben in Pondicherry erst nach Einbruch der Dunkelheit beginnt, da alle tagsüber vor der Sonne flüchten

    -wenn man nicht mehr barfuß weder in Tempeln noch auf steinigen Bergen laufen kann (auch nicht, wenn die Sonne bereits untergegangen ist)

    -wenn man einen Pizzaabend auf Discipline begeht, ihn mit Weihnachtsgesang einläutet und sich vor dem brennenden Holzofen den Sternenhimmel unter Palmen anschaut, da man ja noch nicht genug schwitzt auch ohne Feuer