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  1. Aller Anfang ist schwer

    2. Oktober 2017 von Mira

    Was macht man eigentlich, wenn man an einen neuen Ort zieht und sich dort für ein Jahr ein neues Leben aufbauen muss? Besonders, wenn einen die Arbeit nicht gleich von Anfang an weder psychisch noch physisch herausfordert? Man hat sehr viel freie Zeit, um an all das zu denken, was man aus Deutschland vermisst. An seine Familie, an das geliebte eigene Fahrrad und das gute öffentliche Verkehrsmittelsystem seiner Stadt, an das Essen und an seine Hobbys. Mit ersterer kann man dank des Internets ständig in Kontakt treten – sofern man nicht gerade einen Stromausfall und ziemlich schlechtes WLAN hat oder man vertraut sich seinen Mitfreiwlligen an. Warum vermisse ich mein geliebtes eigenes Fahrrad und das berliner Verkehrsmittelsystem, über das ich doch sonst immer wieder mal geschimpft habe? Weil man hier in Auroville ohne auskommen muss – und das verdammt schwierig ist. Außer man besorgt sich ein nicht gerade umweltfreundliches Motorrad. Ja, ich fahre hier jetzt tatsächlich Motorrad, habe mir vor einer Woche eines gekauft. Eine Hero Honda Splendor Plus, ein indisches Standardmodell also:

    Aber was soll man denn sonst machen, wenn man unabhängig, schnell und als weibliche Person sicher egal zu welcher Tageszeit von A nach B möchte? Wobei „sicher“ hier nicht im Sinne von Verkehr gemeint sein kann. Zu gewissen Tageszeiten sind die Dorf- und Landstraßen einfach nur Stress pur – nicht nur für Fahranfänger wie mich. Schlechte Straßenbeläge, teilweise respektlose Verkehrsteilnehmer und unberechenbare Hunde und Kühe. Doch missen möchte ich meine Trips in die Umgenung nicht. Einerseits sind sie Zeitfüller und andererseits befriedigen sie mein Verlangen, Indien zu entdecken und zu erleben. Man hat die Möglichkeit das Dorfleben zu beobachten. Lächelnde Kinder winken einem zu. Und man darf die vielen großen und kleinen Tempel bewundern, die es hier überall zu scheinen gibt:

    Aber man kann auch mal eben zum Strand fahren, um baden zu gehen. Und sich z.B. den Sonnenaufgang über dem indischen Ozean anzuschauen:

    Dass wir dafür schon um 5 Uhr aufstehen mussten, stellte für mich kein Problem dar. Mittlerweile wache ich nämlich jeden Tag ziemlich genau um 5 Uhr auf – ohne Wecker und noch lange vor Sonnenaufgang. So regelmäßig war mein Schlafrhythmus in Deutschland noch nie. Neben Motorradtrips in die Umgebung gibt es auch noch die Möglichkeit, in seiner freien Zeit nach Pondicherry zu fahren. Dafür den öffentlichen Bus zu nehmen ist schon ein kleines Abenteuer für sich, besonders wenn man noch Schwierigkeiten hat, ein verneinendes Kopfschütteln und ein bejahendes Kopfwackeln zu unterscheiden. Doch wir haben es irgendwie geschaft und neben Einkäufen auf dem Markt standen auch Besichtigung des Strandes, eines Tempels und ein Spaziergang durch die doch recht hübsche Altstadt von Pondicherry an.

     

    Als wir dann jedoch zur bus main station laufen wollten, mussten wir einer Hauptverkehrsstraße raus aus der Altstadt folgen. Es stank nach Abgasen und Fäkalien, der Fluss war eine reinste Drecks- und Müllbrühe. Und am Straßenrand preisten Händler ihre Ware an, andere Menschen schliefen dort neben ein paar Tüten voller Besitz. Auch das ist Indien:

    Doch genug davon. Wieso vermisse ich an Deutschland das Essen? Deutsches Essen expliziet vermisse ich gar nicht so sehr. Es ist eher die Tatsache, dass meine eigene Ernährung bisher nicht gerade sonderlich gesund und ausgewogen zu sein scheint. Ich könnte versuchen, mich genauso zu ernähren, wie ich es in Deutschland getan habe, doch dann müsste ich tief in die Taschen greifen. Also heißt es jetzt erstmal, eine andere Art der gesunden Ernährung herausfinden, wie sie hier möglich und preislich in Ordnung ist.

    Zum letzten Punkt: In Deutschland hatte ich viele Hobbys, meine Nachmittage waren immer irgendwie ausgefüllt. Hier angekommen hatte ich nichts. Stimmt nicht ganz, dreinmal die Woche hatten wir Tamilunterricht am Nachmittag, mittlerweile sind es nur noch zwei Tage die Woche. Dennoch hatten wir immer noch sehr viel freie Zeit und meine Arbeit hat mich in der Anfangszeit auch nicht gerade sonderlich ausgelastet. Es war schrecklich für mich. Auch, da ich ja noch nicht so lange ein Motorrad besitze und daher ziemlich an diesen Ort gebunden war. Also fing ich an, mir Hobbys zu suchen, um diesen Zustand zu ändern. Filmeabende in Sadhana Forest, Salsatanzstunden, Bücher aus der Bibliothek ausleihen oder sich selbst Programmieren beibringen stehen nun auf dem Plan. Hinzu kommen Geburtstagspartys oder der Besuch von einem klassischen indischen Musikkonzert.

    So langsam füllt sich meine Zeit, so langsam komme ich an und fühle mich wohl. Auch meine Arbeit hat die ersten Herausforderungen für mich, doch von denen möchte ich erst später berichten, wenn ich das Gefühl habe, meine Arbeitsstelle im Allgemeinen besser verstanden zu haben und erste (erfolgreiche) Projekte durchgeführt haben werde.


  2. 2 kilo

    30. September 2017 von Manuel

    Liebes Tagebuch

    Gestern ist das Gewissheit geworden was ich schon seit einigen Tagen befürchtet habe. Ich, der neue aufgehende Stern der Aurovillianischen Sportlehrer,  habe entgegen aller Erwartungshaltung an mich selbst, ganze zwei Kilo zugenommen. Ich fühl mich so schlabbrig wie schon lange nicht mehr und bin entsetzt über meinen Fitness Zustand. In Deutschland wäre das nun der Punkt wo ich mich mit selbst-mobbing, wüsten Beschimpfungen und einer eisernen Diät bestrafen würde. Komischerweise kommt mir diese Idee hier nicht. Ich nutze weiterhin die tägliche „ich stopf mich voll, damit ich zu hause nicht kochen muss solar kitchen Flatrate“‚ und fühle mich großartig dabei. Entweder bedeutet dies, dass ich jetzt den letzen Funken von Selbstdisziplin verloren habe und im Begriff bin ein Fettsack zu werden, oder aber dass ich vielleicht lerne ein wenig netter mit mir selbst umzugehen. Was für letzteres spricht, ist auf jeden Fall die Tatsache, dass ich hier die meiste Zeit echt ne verdammt gute Laune hab und es als großen Segen empfinde hier sein zu können. Klar, das ganze Krabbelzeug, meine aufgekratzen Mückenstiche und so manch anderer Kram nerven mich manchmal gewaltig, aber alles in allem lebt es sich hier wirklich schön und ich freu mich auf die lange Zeit die ich hier noch sein darf.

    Bis zum nächsten mal liebes Tagebuch


  3. Komfortzone ade!

    24. September 2017 von Moira

    Der erste Monat ist um. Mehr und mehr merke ich, was mir wichtig ist und was mir hier fehlt. Da ich hier soweit außerhalb meiner Komfortzone bin, muss ich zwangsläufig Dinge tun, die ich lieber anders tun würde. Ich merke zum Beispiel, dass die Anstrengung, mit einem ganglosen Fahrrad zu fahren, nicht der einzige Nachteil des radelns ist. Da es hier schon früh dunkel wird und die Straßen nachts gefährlicher sind, kann ich mit dem Rad nicht unabhängig sein. Wenn ich also am abendlichen Sozialleben Aurovilles teilhaben möchte, muss ich mir wohl oder übel für diese Zwecke wahrscheinlich doch einen motorisierten Untersatz zulegen. Das mit dem Essen habe ich mir auch etwas anders vorgestellt. Es ist gar nicht so einfach, günstiges und gutes, vielfältiges Obst und Gemüse zu finden und da ich nicht Unmengen an Geld ausgeben möchte für jedes großartige Küchengerät, das mir hier fehlt, ändern sich meine Koch- und Essensgewohnheiten. Ich habe mich auch noch nicht an das indische Chaos gewöhnt, das hier in den Dörfern um Auroville ein wenig durchschwingt und bei Tagesausflügen nach Pondicherry nicht zu übersehen ist. Aber jede Herausforderung ist eine Chance und ich bin gespannt, wie ich mit kommenden Situationen umgehe.

    Jetzt stehen erstmal Schulferien an. Währenddessen werde ich an einem Lehrerausflug zu einem Tempel und an einem Schülerausflug in die Berge Tamil Nadus teilnehmen. Ich freue mich, mehr von Indien zu sehen.

     

    Eindrücke aus Pondicherry:


  4. Einkaufen in Pondicherry

    16. September 2017 von Mira

    Um kurz vor halb 9 kommt der Bus, der mich nach Pondicherry bringt. Bärbel und Frank fahren auch mit, denn auch sie wollen in Pondi einkaufen gehen. Wir verlassen Auroville und schon bald zeigt sich das typische Indienbild am Straßenrand. Je näher wir Pondi kommen, desto voller werden die Straßen und schließlich halten wir vor der Ashram Dining Hall. Frank und Bärbel wollen im Ashram zuerst noch meditieren und so mache ich mich allein mit der Wegbeschreibung auf zum Markt. Zuerst durchquere ich eine Tempelanlage, in der auch jetzt morgens schon reger Betrieb herrscht. Danach soll ich links in die Nehrustreet einbiegen, eine Haupteinkaufsstraße hier und so lange weiter geradeaus laufen, bis mir intensiver Fischgeruch entgegenkommt. Prompt finde ich mich in einem Gewimmel wieder, wie ich es bisher nicht kenne. Die Tamilen in ihren bunten Kleidern drängeln sich in Massen durch die engen Gänge. Jeder Verkäufer preist laut seine Ware an und man muss aufpassen, dass man nicht auf sie rauf tritt, wenn sie nicht gar schon in den Gang gefallen/gerollt ist. An der einen Ecke riecht es nach Fisch, an der nächsten nach den herrlich duftenden Jasmingirlanden. Obst und Gemüse wird in allen möglichen Größen und Formen angeboten. Nicht gekühltes Fleisch wird vor den Augen des Kunden kleingehackt. Lange laufe ich nur kreuz und quer, bevor ich anfange, etwas zu kaufen, denn erstmal möchte ich mir einen Überblick verschaffen. Zum Glück haben einige Händler Preisschilder ausgehängt, so dass ich weder durch fehlende Sprach- noch Feilschkenntnisse beeinträchtigt werde. Gemüse bekommt man hier ziemlich billig (3kg in der Summe für ca. 1€) und so laufe ich mit einer vollen Karstadtplastiktüte (denn erstaunlicher Weise gibt es hier beim Kauf keine Plastiktüten dazu) durch die Nehrustreet zurück zum Bus. Mittlerweile haben in dieser Haupteinkaufsstraße die ersten Geschäfte aufgemacht und voller Neugier schaue ich in einige Modegeschäfte hinein. Wie farbenfroh sich die Inder doch kleiden! Letztlich setze ich mich aber noch in einen Park, nasche ein bisschen Halwa und beobachte die Bewohner Pondicherrys. Pondi scheint nicht nur hinduistische (oder buddhistische) Tamilen zu beheimaten, denn es laufen auch immer wieder verschleierte Frauen und sogar ein paar Nonnen an mir vorüber. Doch eine französische Beeinflussung durch die Kolonialzeit macht sich mir bisher eigentlich nur an den Straßennamen sowie in gewisser Weise an der Architektur bemerkbar.

     

    Gerne würde ich euch ein paar Bilder von meinem heutigen Erlebnis zeigen, doch leider habe ich vergessen, meine Kamera mitzunehmen und daher kann ich euch nur das leckere Ergebnis des heutigen Tages zeigen.


  5. Abenteuer Alltag

    10. September 2017 von Moira

    Die Einführungswoche ist vorbei, der Anfang vom Alltag ist an der Reihe. Wir sind aus dem gemeinsamen Wohnen im Guesthouse aus- und ins WG-Leben zu viert eingezogen. Das Einrichten fühlt sich seltsam an und obwohl ich hier ein eigenes Zimmer habe, muss ich es mit Ameisen teilen. Die Geckomitbewohner in meinem Badezimmer habe ich wieder der Natur überlassen. Auch die ersten Arbeitstage habe ich bereits erlebt. Ich bin total glücklich mit der Entscheidung, in der Aikiyam School zu arbeiten. Im Moment begleite ich den Unterricht der zweiten Klasse und helfe einer von zwei Lehrerinnen, da die andere wegen eines Motorradunfalls für eine Weile abwesend ist. Die Lehrerin ist super nett zu mir, im Englisch- und Matheunterricht helfe ich beim Aufgaben korrigieren und verteile Sticker. Beim Tamilunterricht bekomme ich Eindrücke von der Sprache und lerne ein paar Worte. Der Morning Circle in der Klasse ist ein Highlight. Jeden Morgen bevor der Unterricht beginnt, sitzen die Kinder mit geschlossenen Augen und singen gemeinsam ein Mantra. Auch sonst mache ich lauter erste Erfahrungen, die vielleicht mal mein Alltag sein werden, und überrasche mich dabei selbst. Spontan habe ich mir wie einige andere aus der Gruppe für eine Weile ein Moped ausgeliehen und tuckere damit durch die Straßen. Dass das zu meinem Alltag wird, bezweifle ich jedoch. Denn obwohl es einfacher als erwartet, sehr entspannt und spaßig ist, machen mir die Umweltfaktoren hier ein wenig zu schaffen. Ich möchte nicht auch noch langfristig zu dem Nachhaltigkeitsdefizit in diesem Land beitragen, indem ich Moped fahre, obwohl es ein Fahrrad auch tun würde. Inzwischen fällt mir auch der Müll immer mehr auf und ich sehe Menschen, die ihre vollen Mülltüten am Straßenrand und in der Natur auskippen. Auch die Gefahren der Straße sind nicht ohne und fallen auf. Gerade im Dunkeln, wenn alle mit ihren Fernlichtern durch die Städte rasen, passieren viele Unfälle. Ich habe mir also bereits ein gebrauchtes Fahrrad für weniger als 3000 Rupies gekauft, mit dem ich dann wohl bald auf den Straßen zu sehen sein werde. Trotzdem ist das Mopedfahren eine coole Erfahrung und ich bin froh, sie gemacht zu haben. Der Tamilunterricht für unsere Gruppe hat angefangen und ich bin sehr motiviert, diese Sprache zu lernen. Ich war bis jetzt zweimal im Schwimmbad, das Schwimmen tut gut und darf gerne zu meinem Alltag gehören. Am Meer war ich auch schon, es ist nicht weit weg und abgesehen vom Müll auch ganz schön. Alles in allem bin ich recht zufrieden und freue mich auf die nächsten Tage, Wochen, Monate.